2. Kapitel

26 7 5
                                    

„Du siehst gar nicht so schlecht aus, Fröschlein. Zwar ein bisschen dünn, aber du hattest ja noch nie sonderlich viel auf den Rippen. Erzähl mal, was hast du so getrieben?", fragte er mit einem neugierigen Ton in der Stimme. Ich konnte nicht beurteilen, ob er es ernst meinte oder mich verhöhnte. Bei Frank war alles möglich, er war unberechenbar. Und das er den Spitznamen verwendete, den er mir vor ewiger Zeit gegeben hatte, ließ mein Herz in der Brust nur noch mehr zusammenschnüren.

Er trug eine braune Lederjacke, eine dunkle Bluejeans, ein schwarzes Shirt und dazu Anzugschuhe. Nicht sein übliches Outfit. Für seinen Job durfte er nicht auffallen, was er hier mit einem maßgeschneiderten Anzug definitiv getan hätte. Und selbst in dieser legeren Kleidung stach er aus der Menge hervor, mit seiner Statur eines muskelbepackten Wrestlers.

Ich konnte ihm nicht antworten. Die Angst und Panik schnürten mir die Kehle zu. Unsere Blicke kreuzten sich, immerhin hielt ich diesem stand.

Er hob die Schultern, seufzte und sagte dann: „Ich sage dir, was du getrieben hast: Du hast dich als Kellner einstellen lassen und hier diese schäbige kleine Bude gemietet, als Eli Stewart. Nachdem wir fast deine Spur verloren hätten haben wir durch Zufall von einem unserer Informanten erfahren, dass er einen blonden Jungen gesehen hat, der unser Mann sein könnte. Es war nicht einfach, aber hier stehe ich vor dir und muss sagen, dass er Recht hatte. Dieser junge Student aus diesem Hinterhofrestaurant ist unser liebes kleines Fröschchen. Hätte dir nicht zugetraut, dass du jemals arbeiten gehen würdest. Darf ich fragen, was du denn hier so tolles studierst? Lohnt es sich dafür die Staaten zu verlassen?"

Langsam konnte ich meine Stimme wieder finden. Mit allem Mut den ich aufbringen konnte, sagte ich leise: „Du weißt warum ich geflohen bin."

Wieder trafen sich unsere Blicke, er nickte, holte tief Luft und sagte dann: „Ich denke mal es interessiert dich, wie der weitere Verlauf der Nacht aussehen wird. Also, unten steht ein Wagen mit zwei meiner Männer, die darauf warten, dass wir beide runter kommen. Dann fahren wir zu einem netten kleinen Privatflughafen und werden wieder nach Hause fliegen. Dort angekommen werden wir von Leuten deines Vaters abgeholt, die uns dann zu ihm bringen. Was er mit dir anstellen wird kann ich dir nicht genau sagen, aber er hatte wohl angedeutet ein Verhör durchführen zu wollen. Du weißt ja, keine halben Sachen und so. Die Leute die dir geholfen haben anschwärzen, damit alle, die an deiner kleinen Eskapade beteiligt waren zur Rechenschaft gezogen werden. Du kennst es ja. Vielleicht hat er aber auch nur gemerkt, dass er dich vermisst und will dich wieder in seine Arme schließen. Halte ich persönlich für unwahrscheinlich, aber man kann ja noch Hoffnungen haben."

Oh nein, die Leute verraten, welche mir auf meiner Flucht geholfen haben? Ich wollte niemanden mit reinziehen, aber sie wussten, worauf sie sich einließen. Ein gut ausgebildeter Mensch könnte wohl einem jeden Verhör trotzen, doch ich? Ich war nur ein 22 Jähriger, der seit zwei Jahren auf der Flucht vor seinem Vater war. Meine Helfer waren nicht in Sicherheit, konnte nicht garantieren, dass sie mich nicht brechen würden.

„Bitte, tu das nicht", sagte ich leise und gequält.

Er hob die Schulter erneut: „Cillian, ich führe nur Befehle aus. Und so sehr mir diese Jagd nach dir auch Spaß gemacht hat und ich es sehr genossen habe dich zu suchen und letztlich zu finden, so kann es doch auch nicht für immer so weiter gehen. Dein Vater wird dich nie vergessen. Selbst wenn es mich persönlich stören würde dich auszuliefern, so ist das doch Teil meines Jobs."

„Du könntest mich einfach gehen lassen. Oder sagen, dass du mich bereits getötet hast, wie in Schneewittchen. Der Jäger hatte auch gelogen. Ihr werdet nie wieder etwas von mir hören. Ich kann mittlerweile einigermaßen gut abtauchen", versuchte ich ihn zu erreichen. Es hatte kaum Aussicht auf Erfolg, Frank war zu loyal seiner Arbeit und seinem Auftraggeber gegenüber.

Wieder hob er seine Schultern, begleitete dies aber dieses Mal mit einem Seufzen und einem Kopfschütteln. „Was mach ich nur mit dir mein kleines Fröschlein? Während der fast zwei Jahre habe ich mir ständig ausgemalt, was passieren würde, wenn ich dich endlich finden würde. Du bist erstaunlich erwachsen geworden aber deineMutter hat das Fass zum überlaufen gebracht. Dein Vater und du, ihr hatten nie so ein Verhältnis wie Christian und er. Trotzdem hat er dich immer auf dem Radar."

„Findest du es nicht grausam? Mom hat Scheiße gebaut, okay. Das war nicht in Ordnung. Aber normale Ehepaare lassen sich scheiden wenn so etwas passiert", versuchte ich einzulenken, wurde aber gleich von Frank unterbrochen.

„Cillian, du musst das nicht mit mir diskutieren. Ihr seid keine normale Familie, dein Vater ist kein normaler Mann. Finde ich seine Reaktion überzogen? Ja, definitiv. Ist es meine Angelegenheit? Sicherlich nicht. Ihr werdet das schon klären."

Ein letzter verzweifelter Versuch: „Ich kann dir Geld geben."

Er lachte kurz auf, griff in seine Jackentasche, zog ein paar gefaltete Scheine raus und hielt sie demonstrativ in die Höhe. „Die paar Kröten, die du per Trinkgeld erwirtschaftet hast? Fröschchen, das kannst du dir nicht leisten."

„Ich könnte einfach fliehen. Dich überwältigen und abhauen. Es befindet sich nichts in dieser Wohnung, was ich unbedingt mitnehmen müsste", stellte ich in den Raum, in der Hoffnung, er würde doch in irgendeiner Form Gnade zeigen.

Doch er lachte nur kurz auf. Ein tiefes, dröhnendes Lachen. „Ach Fröschlein, wer sollte das glauben? Du weißt, dass ich dir nicht wehtun möchte. Sei also bitte vernünftig und versuche es gar nicht erst. Unsere Abendplanung enthält keinen Besuch bei einem Arzt."

Ich schluckte schwer. Meine Gedanken rasten. Das letzte Mal, dass ich gegen Frank gekämpft hatte, war ich im Kindergarten gewesen und hatte aus Spaß mit ihm gerangelt. Als guter und kinderfreundlicher Mann hatte er so getan, als ob er sich ergeben würde. Doch das war eine Ewigkeit her. Auch wenn ich anscheinend noch so etwas wie ein Ziehsohn für ihn war, sein Fröschchen, hätte ich jetzt eindeutig keine Chance mehr gegen ihn. Diese Chance hatte ich noch nie.

No ChoiceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt