Schweigend hatten wir den Weg zum Flugfeld fortgesetzt. Wir waren durch eine Allee gefahren, jeder Baum wirkte auf mich sehr einladend für einen Aufprallunfall. Meine Arme fielen fast ab, doch ich wagte nicht mich zu beschweren.
Nach einer Fahrtdauer von zirka 30 Minuten kamen wir an dem privaten Flughafen an. Obwohl, Flugfeld traf es wohl eher. In gewisser Entfernung machte ich meinen Vater aus. Dunkelgrauer Anzug, schwarzes Hemd. Seine Haare waren zur Hälfte ergraut, doch auch sein Gesicht wirkte um Längen gealtert.
„Bitte Frank, bring mich weg. Dad wird mich umbringen", flüsterte ich schwach. Der Anblick meines Vaters raubte mir all meine Kraft.
„Fröschlein, lass es doch auf dich zukommen. Jetzt kannst du sowieso nichts mehr ändern", sagte er mit aufmunternden Tonfall während er mir auf die Schulter klopfte. Ich war drauf und dran mich in seinem Auto zu übergeben. Todesangst machte sich in mir breit. Diese schiere Aussichtslosigkeit ließ mich fast durchdrehen.
Der Wagen hinter uns machte sich daran, zu meinem Vater zu fahren und diesen einzusammeln. Frank hatte während der ganzen Aktion den Motor nicht abgestellt, weswegen er sogleich wieder losfahren konnte. Mit flauem Magen starrte ich aus dem Fenster, die Füße immer noch auf dem Autositz geparkt. Wieder zog die Landschaft an uns vorbei, welche zwar malerisch und wunderschön aussah, mich in Anbetracht der Situation nicht glücklich machte. Die Bäume flogen fast an uns vorbei, bis wir in eine Art Gewerbegebiet kamen. Dort steuerte der Sicherheitschef meines Vaters nach kurzer Zeit eine Lagerhalle an, die wohl nicht mehr benutz wurde. Zumindest ließen die Gräser, Sträucher und Gewächse, die den Asphalt durchbrochen hatten, darauf schließen. Genau wie die eingeschlagenen Fensterscheiben. Vor einem großen Schiebetor hielten wir an und Frank starrte erwartungsvoll eben dieses an. Neben ihm näherte sich ein Gefolgsmann und schob dieses mühevoll offen, sodass mein Fahrer passieren konnte. Der Wagen hinter uns ließ sich ein wenig Zeit und folgte nicht sofort. Ich staunte nicht schlecht, als wir uns in einer großen Lagerhalle wieder fanden, welche fast komplett leer war, lediglich ein paar Tische standen wild verteilt. Zwar blätterte der Anstrich an verschiedenen Stellen ab, war aber größtenteils noch erhalten und präsentierte ein helles grau. Durch die Deckenlichter drang viel Tageslicht, welches künstliche Beleuchtung obsolet machte. Komischerweise war der Boden relativ gut in Schuss. Der Estrich bröckelte an manchen Stellen, jedoch hatte die Vegetation ihren Eroberungsfeldzug noch nicht nach drinnen verlagert. Als mir einen großzügigen Bogen fuhren, erkannte ich, dass an der linken Mauer eine Metalltreppe nach oben führte, was eine Art Büroplattform mal dargestellt haben musste. Ob ich dieser Treppe noch vertraut hätte, konnte ich nicht beurteilen.
Frank hielt an und schaltete den Motor ab. „Wir sind an unserem Ziel angelangt Fröschlein."
‚Das habe ich auch bemerkt', dachte ich bitter.
Er stieg aus, umrundete den Wagen und half mir beim aussteigen. Wobei er mich gleich über seine Schulter warf und zu einem der Tische schritt. Ich wagte nicht zu widersprechen, da ich mich vielleicht tatsächlich erbrochen hätte. Unter der einen Arbeitsfläche war ein Stuhl geschoben, welchen Frank hervor holte und mich darauf setzte.
Ich musterte meine Umgebung. Der SUV mit meinem Vater kam gerade in die Halle gefahren, der Handlanger verschloss gleich das große Tor wieder, was ihm ein Ächzen entlockte.
Als auch der Motor des zweiten Wagens erstarb, öffneten sich die Türen. Insgesamt verließen fünf Personen das Fahrzeug. Die zwei Untergebenen von Frank, welche ich nicht kannte, zwei Männer in schwarzen Anzügen, deren Äußeres in meinem Gedächtnis klingelten und zu guter Letzt mein Vater.
Mit bedächtigen Schritten näherte sich mein Erzeuger und ich wollte mit dem Stuhl so weit weg von ihm rutschen, wie es nur möglich gewesen wäre. Doch Frank hatte sich hinter mich gestellt und so meine Fluchtoptionen eingeschränkt.
Zwei Meter vor mir blieb er stehen, wich meinen Blicken aus. Seinen Gesichtsausdruck konnte ich nicht deuten. Nicht, weil ich diesen nicht lesen konnte, nein. Er passte nicht zu dem, was ich erwartete. Die Mundwinkel seiner glatt rasierten unteren Gesichtshälfte hingen nach unten, aber nicht so, wie man es im überzogenen Sinne machte, wenn man eine Schnute zog. Es strahlte eher tiefe Enttäuschung und Traurigkeit aus. Er musste doch wütend sein oder ein triumphierendes Grinsen aufgesetzt haben, nachdem er endlich seinem Plan näher gerückt war. Seine Augen sollten nicht von Trauer und Schmerz gezeichnet sein, sondern von Erfolgsgefühlen und totaler Überlegenheit.
Dad traf kurz meinen Blick um dann mit brüchiger Stimme ein ‚Hallo porcellino' hervor zu pressen. Mit vor Angst geweiteten Augen blickte ich ihn an, mein Herz rasend vor Panik. Ich konnte nicht klar denken, so sehr fürchtete ich mich. Dann wandte er sich von mir ab, als ob es für ihn einfacher war, nicht direkt an mich gewandt zu sprechen.
„Deine Haare sind jetzt blond, das steht dir, wobei ich deine schwarzen Haare besser finde. Sie erinnert mich mehr an mich", sagte er mit gefestigter Stimme.
Ich schluckte einen Zehnzentner Kloß hinunter. „Das Schwarz gefällt mir auch besser, ich dachte aber, dass es meiner Flucht zuträglich ist mein Äußeres zu verändern", gab ich leise zurück.
Er nickte nur als Antwort. Stille, während er mit seiner Schuhspitze auf dem Boden lose Estrichstücke verschob.
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No Choice
Teen FictionSeit zwei Jahren befindet er sich auf der Flucht vor seinem Vater, denn in seiner Heimat ist seine Familie in Mafia ähnlichen Handlungen verstrickt. Als seine Mutter sich ein Verfehlung leistet, soll er dafür büßen. Kurzerhand hatte er die Flucht er...