Landen? Geschockt sah ich auf die Uhr. Es war 12:20 Uhr. Ich war länger bewusstlos gewesen als ich angenommen hatte. Frank griff in seine Jackeninnentasche, zog ein bräunliches Kuvert hervor und reichte es Alessio. Dieser nahm ihn entgegen und ließ kurz seine Finger über den Stapel Geldscheine gleiten. Dann drehte er sich um und ging wieder in die Küche. Ließ mich allein mit Frank. Er packte meinen Oberarm und zog mich auf die Beine. Ich war wackelig, aber er hielt mich fest. Mit schnellen Handgriffen zog er seine Lederjacke aus, legte sie auf meine Schultern. Ich sah ihn verwirrt an. Es mussten zu dieser Jahreszeit um die Mittagszeit bestimmt schon 26 Grad haben. Schon allein, dass er es solange in diesem Aufzug ausgehalten hatte.
„Ist dir nicht kalt?", fragte er süffisant. Bevor ich irgendetwas antworten konnte, zog er an dem Seil, das über meine Brust verlief. „Soll nicht gleich jeder sehen, dass deine Freiwilligkeit zu wünschen übrig lässt." Natürlich. Es könnte ihn ja der nächste Nachbar anfallen. Das schwarze Seil fiel mit meinem schwarzen Shirt zwar nicht unbedingt auf, doch spätestens bei meinen verdrehten Armen auf dem Rücken sollte der ein oder andere stutzig werden.
„Wo wir davon sprechen: Wie bist du meinen Nachbarn entkommen?", fragte ich Zeit schindend. Langsam wurde mein Bewusstseinszustand ein wenig klarer, ich verfiel in einen Fluchtmodus. Um einen geeigneten Weg zu finden benötigte ich jedoch Zeit. In den letzten zwei Jahren war es zwar vielleicht mal knapp gewesen, aber in so einer schlimmen Situation war ich nicht gewesen.
Er ging jedoch gar nicht auf meine Frage ein, winkte nur kurz mit seiner Waffe. Hätte ich mir denken können. Im nächsten Moment ließ er meinen Arm los, griff neben etwas bei der Armlehne der Couch und holte meine Tasche hervor, welche er sich schulterte. Die Pistole wanderte wieder in seinen Hosenbund, über welchen er sein Shirt zog. Dann legte er seine Hand in meinen Nacken und schob mich in Richtung Türe. Er drängte mich nicht, doch wusste ich, dass er bei dem geringsten Widerstand schmerzhaft fest zupacken würde. Die Wohnungstüre war nicht abgesperrt gewesen, er öffnete sie einfach so. Wieder spürte ich den kalten Boden an meinen Füßen. Nur beruhigte mich dieser dieses Mal nicht. Mein Herz pochte und schlug so schnell, dass es fast wehtat. Frank hatte Glück, im Treppenhaus begegnete uns keine Menschenseele. Die Bewohner waren wohl alle gerade in der Arbeit oder Besorgungen machen.
Als ich durch die offene Haustür nach draußen ins Freie trat, wurde ich zuerst von der hellen Sonne geblendet. Mein erster Schritt auf die Wegplatten ließ mich sofort zurück taumeln, wodurch ich unsanft gegen Frank prallte. Dieser löste seinen Griff, verlagerte diesen auf meinen linken Oberarm und drückte zu. 26 Grad waren das nicht mehr. Die Wegplatten hatten sich extrem aufgeheizt.
„Was zum...?", weiter kam Frank nicht. Trotz seines Griffes schob ich ihn so gut wie möglich zurück in den Hausflur. „Meine Füße. Warum habe ich keine Schuhe mehr an? Wann warst du zu letzt in Italien? Hast du die scheiß Temperatur überhaupt bemerkt?", fuhr ich ihn an.
Er stöhnte genervt auf. Plötzlich hob er mich hoch und warf mich über seine Schulter.
„Hey, Frank, so war das nicht gemeint! Lass mich runter", rief ich überrascht und begann augenblicklich zu zappeln.
„Du hast dich beschwert, also leb damit Fröschlein. Da vorne ist unser fahrbarer Untersatz", entgegnete er weiterhin genervt.
In der Tat waren wir nur ein paar Meter gelaufen, da hielt er bereits an einem schwarzen SUV mit getönten Scheiben. Er setzte mich wieder ab. Neben der Beifahrertüre war wohl genug Schatten gewesen, dass ich mir nicht meine Füße verbrannte. Frank nahm die Lederjacke von meinen Schultern, öffnete die Autotüre und half mir einsteigen. Fast fürsorglich nahm er noch das Einsteckteil des Gurtes und schnallte mich an. Als ob ein Autounfall mein geringstes Problem war. Dann schloss er die Türe, gab an den Wagen dahinter irgendwelche Handzeichen, stieg ein und legte seinen Sicherheitsgurt an. Es war eine unbequeme Situation in welcher ich immer wieder versuchte mit meinen Füßen meine Position zu verbessern.
Mein Ziehvater tippte auf dem Navigationssystem irgendwelche Daten ein, startete den Motor und scherte aus.
„Wohin fahren wir?", fragte ich zögerlich.
„Nachdem du unseren Plan ein wenig umstrukturiert hast, hat sich dein Vater in den Privatjet gesetzt und ist auf den Weg hierher. Wir fahren jetzt zum Hangar, dort treffen wir ihn und reisen zusammen an einen besseren Ort weiter. Die Jungs hinter uns unterstützen uns, also keine Dummheiten."
Panisch blickte ich aus dem Fenster. Die kleine Stadt zog an mir vorbei, damit auch mein neues Leben.
Plötzlich klingelte das Auto, besser gesagt die Mittelkonsole. Frank musste sein Handy gekoppelt haben, ein Blick auf das Display sorgte für sofortige Bauchschmerzen. Gianluigi Evani. Mein Vater rief an.
„Frosch, ich rate dir in deinem Interesse still zu sein. Eure Probleme solltet ihr persönlich klären. Also Klappe", warnte er mit erhobenem Finger. Als ich nickte nahm er das Gespräch an.
„Boss, Sie rufen an?", fragte Frank beiläufig.
Und da war sie, die Stimme meines Vaters. In mir zog sich alles zusammen, ich nahm meine nackten Füße auf den Sitz und versuchte sie so nahm an meinen Körper zu nehmen wie es ging. „Ah, Mister Hunter! Wir sind gelandet, ich hoffe es wird nicht so viel Zeit in Anspruch nehmen, bis Sie am Flugfeld sind. Ich nehme an, dieses Mal läuft es jetzt besser?"
„Sir, wir sind auf dem Weg. Meine Männer und ich waren jetzt erfolgreich. Mit dem Informanten haben wir einen Glückstreffer gelandet. Ihr Sohn ist zu ihm gegangen, dort konnten wir ihn abfangen. Er ist in diesem Moment in meinem Auto", erklärte Frank.
„Sehr gut, es wird Zeit, dass porcellino und ich uns unterhalten", schloss er und legte auf. Ich schloss meine Augen. Schweinchen, Dad's Spitzname für mich. Wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, wäre ich aus dem fahrenden Auto gesprungen.

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No Choice
Teen FictionSeit zwei Jahren befindet er sich auf der Flucht vor seinem Vater, denn in seiner Heimat ist seine Familie in Mafia ähnlichen Handlungen verstrickt. Als seine Mutter sich ein Verfehlung leistet, soll er dafür büßen. Kurzerhand hatte er die Flucht er...