Kapitel 2.

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Kai will ein paar Schritte auf mein Bett zu machen, doch dazu fehlt ihm die Kraft. Nach zwei Schritten, fällt er nämlich über seine eigenen Beine und der Sportler fällt zu Boden. Zugegeben muss ich etwas Grinsen, da mich dieser Anblick sehr amüsiert. Ich halte mir schützend meine Hand vor meinen Mund, um meine Schadenfreude zu verstecken, doch dies gelingt mir wohl nicht so gut, wie gedacht.

"Mhh.. livi.." murmelt er vor sich hin, da er genau gesehen hat, dass ich ihn auslache und streckt die Hand nach mir aus. "Ich sag doch nichts" log ich etwas mit einem leichten lächeln auf den Lippen, ehe ich seine Hand ergreife. Sie war eiskalt, was mir sofort einen Schauer über den Rücken laufen lässt. "Komm du kleines Baby" ärgere ich ihn unbewusst etwas und ziehe ihn mit all meiner Kraft nach oben. Er fällt mit seinem aufrechten Körper gegen meinen. Seine Arme baumeln neben meiner Hüfte herum und seinen Kopf, hat er auf meiner Schulter platziert. Ich spüre plötzlich seinen warmen rauchigen Atem auf meinem Hals, weshalb sich meine kompletten Arme direkt mit Gänsehaut zierten, obwohl mich der Geruch eher anwidert. Es ist seine Nähe, die dies in mir auslöst. "Du riechst so gut" lallt er in seinem komplett betrunkenen Zustand. Dieses Kompliment lässt mich innerlich lächeln, da es total süß war, aber er ist nicht bei Sinnen. Das meint er nicht ernst.

"Und du nicht, aber das ändern wir jetzt. Sonst kannst du vergessen, dass du dich in mein Bett legen darfst" warne ich ihn und drücke ihn etwas von meinem Körper weg, sodass er eigenständig mit mir gehen kann. Gott sei Dank habe ich ein eigenes Bad an meinem Zimmer. Ich wüsste nämlich nicht, wie ich meinen Eltern erklären sollte, wieso Kai schon wieder betrunken ist und vor allem, was er um diese Uhrzeit in meinem Zimmer bzw. sogar gleich in meinem Bett macht.

Im Bad angekommen, lasse ich ihn sich auf den Toilettendeckel sitzen. "Warte, ich habe noch eine Ersatzzahnbürste da" meine ich und drehe mich fast schon fürsorglich um, um den Badezimmerschrank zu öffnen, der direkt gegenüber von der Toilette ist. Im Spiegel sehe ich, wie seine Augen über meinen 1,65 großen Körper wandern. Dies löst in mir direkt ein stechendes und unwohles flimmern im Magen aus. Er scannt mich von Kopf bis Fuß, als hätte er mich schon lange nicht mehr gesehen. Zugegeben wurden meine Kurven mit den Jahren fraulicher und im Prinzip haben sich die Proportionen meines Körpers stark verändert, aber er sieht mich doch gezwungenermaßen jeden Monat beim Essen. Es fühlt sich für mich grade so an, als sei dies die Bestätigung, dass er mich die letzten Jahren kaum wahrgenommen hat. Mein Magen zieht sich sofort nach dieser bitteren Wahrheit zusammen und es fühlt sich an, als hätte ich was schlechtes gegessen. Es tut weh, wenn der Mensch, dem du am meisten vertraut hast, dich so schnell vergessen kann. Das Gefühl, nun die klare Bestätigung zu haben, macht den tiefen Schmerz in mir, den er vor ein paar Jahren ausgelöst hat, nochmal so präsent.

"Hier bitte" murmele ich nun leise vor mich hin, als ich den Badezimmerschrank wieder schließe. Ich schenke nun meine Aufmerksamkeit meinem tun, das ist besser für mich, als mich verrückt zu machen, wegen nichts. Nach dieser Nacht werden wir so tun, als ob sie nie geschehen sei. Ich nehme die Zahnbürste aus der Verpackung und mache ihm noch die Zahnpasta darauf. Als ich umdrehe, zieht er grade sein weißes Shirt über den Kopf, welches nur voll Bierflecken trieft. "Was machst du da? Hör auf mit sowas. Zieh dich wieder an!" zische ich ihn überfordert mit der Situation an, da ich nicht verhindern kann, dass ich den Verlauf seiner Linien auf dem Bauch mit den Augen verfolge. "Ich dachte du willst, dass ich nicht stinke? Dann kann ich ja nicht so in dein Bett" verteidigt er sich und nimmt wirklich ohne Hintergedanken mit einem dankenden Blick die Zahnbürste an. Ich spüre, wie sich wegen meiner unpassenden Reaktion meine Wangen rötlich färben und diese beginnen zu glühen. Ich dachte grade einfach, ach egal.

Kai legt die Zahnbürste in den Mund und beginnt sich die Zähne zu putzen. Kurz laufe ich in mein Zimmer zurück, um zu schauen, ob ich noch irgendwas zum Anziehen für ihn habe. Ich denke da, an mein blaues oversize Shirt, was ich eh aus der Männerabteilung habe. Ich öffne also meinen Kleiderschrank und suche, als er schon wieder ruft. "Ahhh.. Liviiii!" ruft er total laut, was mich kurz zusammenzucken lässt. Der Junge hat so ein lautes Organ, dies habe ich schon ganz vergessen! Ich gehe schon genervt durch die Tür in das Bad und hebe warnend meinen Finger. "Sei noch einmal so laut und meine Eltern wachen auf. Dann kannst du erst recht auf der Straße schlafen, oder sie sagen es deinen Eltern. Also Mund zu" verwarne ich meinen früheren besten Freund. Nun sehe ich selbst, wieso er gerufen hat. Die Zahnpasta ist überall, aber nicht an den Zähnen. Die flüssige Pasta läuft ihm aus den Mundwinkeln und aus unerklärlichen Gründen hängt sie auch in seinen zerzausten braunen Haaren.

"Du machst mich fertig, ehrlich" fauche ich mittlerweile nur noch abgefuckt, da ich mich um ihn kümmern muss, wie ein Kleinkind. "Du musst nächstes Mal, wirklich deine Grenzen einhalten. Du hast eine Vorbildfunktion. Tausende junge Jungs und Mädchen schauen zu dir auf" belehre ich ihn automatisch aus meinem Bauch heraus, obwohl ich weiß, dass er dies nicht mal wirklich wahrnimmt. Ich hebe also die Zahnbürste von seinem Schoß wieder auf und stelle mich vor ihn.

Er hat die Beine auseinander und ich stehe dazwischen. Sanft aber bestimmend, hebe ich sein Kinn an, sodass er zu mir hoch sehen muss. Nun setze ich erneut die Zahnbürste an und beginne ihm mit einem seufzen die Zähne zu putzen, um diese schrecklich eklige Alkoholfahne zu überdecken. Ich weiß, dass er mein Gesicht genau ansieht, während meine Augen nur auf seinen Mund gerichtet sind. Jeder seiner Blicke, brennt auf meiner Haut, als würde jemand mit Nadeln sich auf meiner zierlichen Haut austoben. Aus dem nichts streift er mit voller Absicht mit seiner linken Hand kurz über mein Becken, wobei er so tut, als würde er irgendwelchen Dreck abmachen. Es war so offensichtlich , dass dort gar kein Dreck war, aber er ist betrunken und ich wollte jetzt nicht mehr als nötig war mit ihm reden. Seine kurze und sanfte Berührung auf meinem Becken, lässt mich allerdings unverhofft jeden einzelnen Muskel spüren, was mich sofort nervös werden lässt. Wir haben früher so oft zusammen gespielt, aber sowas.. sowas habe ich noch nie gefühlt, wenn er mich berührt hat. Es macht mir Angst. Angst, was er in mir auslösen könnte.

Take this Heart                                                   |Kai Havertz|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt