Cassian - 11 - Cassian

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Nachdenklich betrachte ich ein Gemälde von mir und Liva, eines, das kurz vor meiner Abreise vor zwei Jahren entstanden ist. Das elegante Kleid, in das man sie gesteckt hatte, passte nicht zu ihren noch kindlich wirkenden Gesichtszügen und ihrer fragilen Gestalt, sitzend in einem edlen, riesigen Stuhl. Seitlich hinter ihr stand ich, schon ein junger Mann, meine Hand auf ihrer Schulter ruhend und ebenso gezwungenem Lächeln wie sie es trug.
Bestimmt hatte sie es schwer nach meiner Abreise, die ganze Zeit hatte sie zu gehorchen, zuzuhören und fleißig zu lernen, um eine gute Herzogin und Ehefrau zu werden. Dabei versteht sie nicht einmal was das wirklich bedeutet. Ihre Kindheit wurde ihr entrissen und ich habe nichts dagegen unternommen, ich habe den Ernst der Lage nicht verstanden und mich tagsüber ganz meiner Kampfausbildung und nächtlichen Frauenbesuchen gewidmet. Als einziger männlicher Nachkomme meiner Blutlinie wurde mir alles hinterhergeschmissen, seien es die Frauen, Geld oder die Ausbildung,
Aber es nicht so, als ob ich sie vergessen hätte.
Ich wollte ihre Wärme nachts spüren, nicht die einer anderen und ich habe für sie trainiert, für keinen sonst.
Wahrscheinlich kennt sie es nicht einmal anders.
Sie hat sich nie ein anderes Leben ausmalen können, sie war immer in der Gewalt ihrer Eltern, und nun in meiner.
Ich will, dass auch sie glücklich wird.
„Cassian", erhellt Livas klare Stimme plötzlich den Gang und lässt meine dunklen Gedanken schnell wieder verblassen.
Mein Blick schwenkt zu ihr und ich merke, wie es mir ganz warm ums Herz wird. Mit ihrem Ziel klar vor Augen stürmt sie auf mich zu, ihre Haare fallen ihr in Wellen über die Schultern und dann springt sie ohne Vorwarnung. Ich schaffe es, sie sicher in der Luft zu greifen und wirbele sie einmal um mich herum, damit ich ihr vergnügtes Lachen einen Moment länger betrachten kann. Sanft setze ich sie vor mir ab und streiche ihr die losen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ganz unschuldig sieht sie mich an und es fällt mir echt schwer, mich bei diesem Anblick zusammenzureißen. „Cassian, ist alles in Ordnung?", fragt sie mich leise und ich realisiere, dass meine Hände sich wieder an ihre Hüften geheftet haben. „Mach dir keine Sorgen", brumme ich nur kurz und lasse sie langsam wieder los. Grinsend tappt sie neben mir her Richtung Arbeitszimmer.
„Herzog, hast du nicht bald Geburtstag?", fragt sie mich sicherheitshalber und ich nicke halbherzig. Richtig, ich werde bald zwanzig.
Unser Altersunterschied beträgt fast vier Jahre, es scheint vielleicht auf den ersten Blick nicht viel zu sein, aber in unserem jungen Alter macht das schon einiges aus.
Als sie gerade einmal 2 Jahre alt war, besiegelten unsere Eltern unser Schicksal.
Mit 4 Jahren hat sie mich das erste mal besuchen müssen zum Spielen.
Aus einmal im Monat wurde einige Male in der Woche und daraus wurde dann so gut wie jeden Tag. Wir haben unsere Gesellschaft stets genossen, was den Beschluss unserer Eltern letztendlich nur bestärkt hat.
Als es an der Zeit war mich endgültig zu entscheiden, nahm ich keine Rücksicht auf sie. Mir gefiel der Gedanke, dass der wichtigste Mensch in meinem Leben von Anfang an nur mir versprochen war.
Ihre ganze Existenz schien nur mir gewidmet.

,The bond we share'Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt