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Froboscha und Farline spazierten durch die heißen, staubigen Straßen von Khunchom. Ihr Gepäck hatten sie bereits zu der kleinen Karavelle gebracht, die, wie man ihnen gesagt hatte, sie weiter mitnehmen würde bis Perrikum. Die Stadt war riesig. Allein der Hafen zog sich über Meilen hin, und auch die Stadt schien sich endlos zu erstrecken, ein endloses, unübersichtliches Gewirr größerer und kleinerer Straßen, voller teils prächtiger, teils ärmlicher Gebäude, von denen die meisten keine, oder nur wenig Fenster zur Straße hin aufwiesen. Statt dessen öffneten sich vielerorts Torzufahrten zu Innenhöfen, welche oft mit Grün bewachsen, einladend und schattig waren. Und Menschen, überall Menschen. Kupferhäutige Mohas neben schwitzenden, rotgesichtigen Nordländern, glutäugige Novadis, die untere Gesichtshälfte von Tüchern bedeckt, und Tulamiden mit ihren schmalen, leicht gebräunten Gesichtern. Viele Frauen und auch manche Männer trugen Gesichtsschleier zum Schutz vor der stechenden Sonne oder wohl auch vor neugierigen Blicken Fremder. Solche Blicke musste nun allerdings vor allem die Zwergin ertragen, denn selbst, wenn der eine oder andere bereits Zwerge zu Gesicht bekommen haben mochte - sie waren, wie überall im Süden ein eher seltener Anblick. Aber daran hatte sich Froboscha inzwischen fast gewöhnt. Etwas anderes bereitete ihr mehr Kopfzerbrechen.

„Wenn ich nur wüsste, wie wir in dieser riesigen Stadt diese Miriam finden sollen," stieß sie hervor.

„Sagtest du nicht Miribam?" fragte Farline.

„...oder so," stöhnte Froboscha. „Ich kann mir diese komischen Menschennamen einfach nicht merken.

„Wo lebt wohl so eine Piratenbraut...," überlegte Farline. „Wahrscheinlich wohl eher in einem ärmlicheren Viertel..."

„...oder am Hafen...," ergänzte Froboscha. „Oh Angrosch, das hat doch keinen Sinn. So finden wir sie nie."

„Meinst du, wir sollen es einfach lassen?" fragte Farline zweifelnd.

Froboscha seufzte. „Eigentlich finde ich, wir sind es ihm irgendwie schuldig. Auch wenn er ein Pirat ist, und man ihn zu Recht geschnappt hat.."

„Find' ich auch," stimmte Farline zu, erleichtert, sich mit der Gefährtin einer Meinung zu wissen. „Und wenn wir einfach jemanden fragen?"

Froboscha musste lachen. „In dieser riesigen Stadt! Wen sollen wir denn fragen? Und überhaupt. Die sprechen doch alle tulamidisch. Hier versteht uns doch sowieso keiner."

„Also, weißt du. Irgend jemand wird schon Garethi können. Zumindest im Hafenviertel, wo viele Fremde sind," widersprach Farline leicht beleidigt. „Und du hast ja auch keinen besseren Vorschlag."

„Stimmt," gab Froboscha zu. „Also gut, suchen wir uns jemanden, den wir fragen können.

Nach einigen vergeblichen Versuchen stießen sie auf einen Straßenhändler, der kleine geschnitzte Kamele an Vorbeigehende Besucher verkaufte.

„Miribam?" fragte er. Er runzelte die Stirn und kratzte sich die kurzen, weißen Bartstoppeln. „Vielleicht ihr meint Merhibam?"

„Ja!" riefen die beiden Nordländerinnen hoffnungsvoll.

Der alte Tulamide schüttelte zweifelnd den Kopf. „Vielleicht doch ein Kamel?" fragte er, und hielt eine kleine Holzfigur hoch.

„Los," Farline stieß Froboscha an. „Nun kauf ihm schon das verflixte Kamel ab."

Mit leicht säuerlicher Miene kramte die Zwergin ihren Geldbeutel heraus.

Der Tulamide grinste. Zwischen seinen faltigen, braunen Lippen zeigten sich gelbliche Zahnstummel. „Zehn Kupfer."

„Eben sagtet ihr noch acht!" empörte sich Froboscha.

„Vielleicht edle Damen haben verhört?"

Ärgerlich steckte sie ihm die zehn Kupferstücke entgegen. Sie war überhaupt nicht in der Stimmung, mit ihm zu feilschen. Zufrieden und etwas umständlich steckte der Alte das Geld in irgendeine Tasche seines weiten Gewandes.

„Und, was ist nun?" Langsam wurde die Zwergin ungeduldig.

Seufzend zog er die Schultern hoch. „Gibt es viele, viele Merhibam hier."

Nun wurde Froboscha richtig ärgerlich. Sie fasste nach dem Griff ihrer Axt, aber Farline fiel ihr in den Arm. „Warte doch, da war doch noch etwas..."

„Hmm ja... Alrachabi, oder so ähnlich." Sie wandte sich an den Alten. „Kennst du eine Merhibam Alrachabi?"

Der Mann musterte misstrauisch die Axt und wiegte zweifelnd den fast kahlen Schädel hin und her.

„Oder Alwachabi?!" rief Froboscha. Sie war nun wirklich am Ende ihrer Geduld angelangt.

Mit einem Mal erhellte sich die Miene des Alten. „Al Wachabi," nickte er. „Ja, al Wachabi. Gibt es Familie al Wachabi".

„Dann beschreib uns den Weg!" rief Farline. „Sag, wie wir die Familie finden können!"

Perlenmeer Teil 3: BoronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt