* 23 *

29 8 0
                                    

Zum wiederholten Male tauchte Merhibam den Schwamm in das Wasser, und fuhr damit sanft und behutsam über die kalte Haut ihres Geliebten. Sie hatte ihn nach und nach ausgezogen, Blut und Schmutz von seinem Körper gewaschen und dabei immer mehr Schwellungen und blutunterlaufene Stellen freigelegt.

Sie hätte weinen mögen, doch ihr Inneres war wie verdorrt. Oh ihr Zwölfe. Was haben sie nur mit dir gemacht? Hast du mein Gift überhaupt gebraucht? Hast du es überhaupt getrunken? Oder haben sie dich einfach totgeschlagen wie einen räudigen Hund? Und ausgepeitscht haben sie dich auch... Wo ist dein schöner, glatter Rücken geblieben? Deine Brust? Wie dünn du geworden bist. Ich kann deine Rippen fühlen. Und dein Bauch: Wie fest, wie muskulös er war, als ich damals auf unserer Insel meinen Kopf darauf abgelegt habe. Nun ist er eingesunken, tiefer als das Becken, und überall unter der Haut ist Blut. Und was ist mit deinen Lippen geschehen, deinen Augen. Ach... warum bist du nicht damals mit mir zusammen fortgegangen. Ich hätte dich davor bewahrt. Nun... nun bist du...

Nein! Weiter mochte sie nicht denken. Ihr Herz weigerte sich nach wie vor, es anzuerkennen, obgleich es war, als wüsche sie eine Leiche.

Sie hob eine Hand, strich damit sanft über die verquollene, violett verfärbte Wange, die Schläfe, fuhr mit einem Finger die eingerissenen Lippen nach. Dann ließ sie die Hand den Hals hinunter gleiten, legte sie auf seine Brust über die Stelle, wo sich sein Herz befinden mochte. Schlage wieder, betete sie. Bitte, bitte, fang doch wieder an, zu schlagen. Doch ihre sehnsüchtige Hand vermochte nichts wahrzunehmen. Keine Regung. Die Haut war und blieb eiskalt. Da nahm sie eine Decke und deckte ihn zu bis an den Hals wie man ein Kind zudeckt.

„Du bist so kalt, mein Liebster. Du frierst ja. Komm, ich decke dich zu, dann wird dir warm. Und lege ruhig deinen Kopf in meinen Schoß und schlafe ein wenig. Ruh dich aus von deinen Schmerzen. Wenn du noch schlafen willst - ich kann warten. Warten, bis du bereit bist, zu erwachen, bis du genug geschlafen hast."

Und dann wartete sie, während das kleine Schiff im zunehmenden Druck des Windes sich zur Seite legte und durch die Mündung nach draußen glitt auf das offene Meer. Die Ampeln an der niedrigen Holzdecke schwangen hin und her. Es wurde dunkel draußen. Bald würde sie sie anzünden müssen. Doch während eine graue Dämmerung aus den Ecken der Kajüte herauskroch und den Raum immer mehr verdüsterte, legte sich auch ein Schatten über ihren Geist und verdunkelte ihr Denken und Fühlen. Schlafen. Sie wollte nur noch schlafen und vergessen. In den letzten beiden Nächten war ihr das nicht vergönnt gewesen, doch nun überkam sie eine bleierne Müdigkeit. Sie streckte sich neben dem leblosen Körper auf dem Lager aus, machte sich ganz schmal und schloss die Augen.

* * *

Perlenmeer Teil 3: BoronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt