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„Nun gib schon her, Farline!"

Das Mädchen lachte. „Das willst du nicht sehen!"

„So schlimm?! Du machst mir Angst!"

„Dann lass es doch. Tut dir sicher nicht gut."

„Ich weiß selber, was mir gut tut. Also - ich will es sehen. Und wenn du mir nicht gleich den Spiegel gibst, erwürge ich dich."

„Das schaffst du gar nicht! Ich bin zu schnell und du bist nicht stark genug!"

„Jetzt vielleicht noch nicht, aber warte nur, bis ich wieder aufstehen kann... Los, gib schon her, du freches Gör!"

Merhibam oben an Deck senkte den Kopf. Eigentlich hätte sie froh sein sollen, wie rasch er sich erholt hatte. Es war schon beinahe verwunderlich, wie rasch die Rippenbrüche begonnen hatten, zu heilen, wie schnell die Schwellungen im Gesicht abgeklungen waren, wie blass die Blutergüsse schon geworden waren. ‚Deine Hände,' hatte er gesagt. „Du kannst zaubern.'‚Nein,' hatte sie erwidert. ‚Das kann ich nicht. Das wüsste ich.' Aber es blieb eine Tatsache, dass er sich in den letzten drei Tagen erstaunlich rasch erholt hatte. Wie unbefangen er schon wieder redete. Mit Farline. Mit Froboscha. Sogar mit Kamaluq. Nur sie beide hatten kaum mehr als zwei Dutzend Sätze gewechselt.

„Oh, ihr Götter! Ich wusste es doch. Ich habe mich in einen Halbork verwandelt!"

„Was heißt hier verwandelt?" Farline kicherte. „Du hast zu deiner wahren Natur gefunden, würde ich sagen."

„Du kleines Biest. Das musst du wieder gutmachen. Hast du die Seife? Komm, ich zeig dir, wie du sie schaumig schlagen musst."

„Darf ich dich auch rasieren? Ich wollte immer schon mal ein Messer an deinen Hals halten..."

„Hah! Wovon träumst du nachts? Ehe geht die Sonne gen Efferd auf, als dass ich dich an meine Kehle ließe..."

Merhibam musste die Tränen zurückdrängen. Wieso scherzte er mit dem Mädchen? Neckte sie, lachte, als wäre nichts geschehen. Und bei ihr selbst war er so still? Die Befangenheit zwischen ihnen war so greifbar, dass sie selber seine Nähe mied, wenn er wach war, ihn lieber Farline oder Froboscha überließ und ihrerseits Kamaluq half.

„So... Nun halte den Spiegel. Höher... noch ein bisschen. Ja. So ist es gut," befahl er unten.

„Du siehst lustig aus. Die Seife steht dir..." flachste Farline.

„Ach? Meinst du? Ich gebe dir gerne etwas ab..."

Farline kreischte auf.

„Ich versteh' euch Menschen nicht." Froboscha saß am Oberdeck gegen die Aufbauten gelehnt und putzte ihre Axt. Dabei warf sie dem tulamidischen Mädchen tadelnde Blicke zu. „Erst setzt du alles in Bewegung, ihn zu retten. Sitzt stundenlang bei ihm, wenn er schläft, und wenn er wach ist, kommst du hinauf und schickst uns runter? Was soll das eigentlich? Warum sitzt du nicht unten?"

„Er will es nicht, glaube ich..."

„Hat er das gesagt?"

„Nein. Das kann er doch nicht."

„Phh. Sicher kann er das. Also... Geh. Frag ihn. Das wäre es, was ich täte."

Merhibam wandte den Blick ab und schwieg. „Ich werde nachher mit ihm reden," sagte sie schließlich. „Wenn er damit fertig ist."

Sie wartete ab, bis sie hören konnte, wie die beiden in der Kajüte das Endergebnis begutachteten, dann stieg sie die Stufen zum Unterdeck hinab.Arved ließ den Spiegel , in dem er interessiert sein Gesicht betrachtete, sinken. „Merhibam?"

Perlenmeer Teil 3: BoronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt