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Langsam verhallten die Schritte der Soldaten in dem breiten, steinernen Gang. Man vernahm eine Tür, die sich schloss, dann war es still. Totenstill. Die Spannung war mit Händen zu greifen. Ganz leise hörte man, wie jemand seine Handgelenke massierte. Im Strohhaufen in der Ecke raschelte ein Tier. Gelbliches, ungleichmäßiges Fackellicht flackerte vom Gang durch die schweren, eisernen Gitterstäbe hinein in das große, geräumige Verlies, dessen Wände aus dicken und glattbehauenen Quadern gefügt waren. Kein Tageslicht drang in die Zellen diese Ganges - denn es gab keine Luken oder Fenster nach draußen, die den Gefangenen irgendeine Form des Kontaktes mit der Außenwelt ermöglicht haben könnten. Dicke Ringe an den Wänden bewiesen, dass es durchaus die Möglichkeit gegeben hätte, die Gefangenen hier fest zu ketten. Diese Zellen waren ganz auf Sicherheit ausgelegt.

Die Piraten standen noch im Halbkreis, dort, wo man ihnen die Fesseln abgenommen hatte, und warteten ab. Warum man ihnen diese Form der Hafterleichterung gewährt hatte, wussten sie zwar nicht, aber es war ihnen auch vollkommen gleich. Gespannt beobachteten sie die zwei Männer in ihrer Mitte und erwarteten das Schauspiel, dass sich ihnen gleich bieten würde.

Ulgur stand sehr ruhig, ließ seine breiten Hände kreisen, um sie wieder beweglich zu machen, und knetete seine Handgelenke. Nur sein Atem ging etwas schwerer als gewohnt. Dies war sein Moment. Er hatte es nicht eilig. Diesen Augenblick wollte er voll auskosten.

„Tja," sagte er schließlich bedächtig. „Es gibt doch tatsächlich noch Gerechtigkeit auf der Welt, findest du nicht?"

„Mag sein," antwortete der Schwarze Korsar gleichgültig.

„Ich würde meinen," fuhr Ulgur fort, „dass der Götterfürst Praios selbst dich in meine Hände gegeben hat."

Sein Gegenüber blickte auf, zuckte aber nachlässig mit den Schultern. „Wenn dich der Gedanke befriedigt."

Ulgur trat jetzt einen Schritt näher. Seine Stimme wurde leise und drohend. Aus den blauen Augen leuchtete kalter Hass. „Ich werde dir deine widerliche Überheblichkeit noch von der Fresse wischen. Bevor ich mit dir fertig bin, wirst du darum betteln, meine Stiefel ablecken zu dürfen."

Der schwarze Korsar verzog angewidert das Gesicht. „Wie primitiv, Ulgur. Ich war immer schon der Ansicht, dass du dich durch einen ganz erstaunlichen Mangel an Phantasie auszeichnest."

„So?" Ulgurs Stimme war immer noch leise und drohend. „Glaub' mir, das wirst du nicht mehr denken, wenn du dein elendes Leben aushauchst. Und mach dir keine Hoffnungen, dass wir es schnell erledigen. Dafür werd' ich mir richtig schön Zeit lassen. Ich werde dich noch winseln sehen, da kannst du sicher sein."

„Wie lange willst du mir eigentlich noch drohen, ohne etwas zu unternehmen? Deine Männer werden denken, dass du nur noch bellen, aber nicht mehr beißen kannst."

Ulgur stand ganz ruhig und blickte auf den Mann vor sich hinab, was ihm bei seinen zehn Spann Größe keine Schwierigkeiten machte. Ohne den Blick von seinem Gegenüber zu wenden zischte er plötzlich: „Festhalten!"

Zwei seiner Männer traten vor und packten den Schwarzen Korsaren rechts und links an den Armen. Ulgur setzte sich in Bewegung und ging ein paarmal langsam und bedächtig auf und ab. Dann, ganz plötzlich und ohne Vorwarnung schnellte seine Faust vor und fuhr in den Solarplexus seines Gegners. Der stöhnte auf und krümmte sich, wurde aber von den zwei Männern sofort wieder emporgezogen.

Ulgur lächelte genussvoll und schlug wieder zu. Die Männer johlten begeistert.

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Perlenmeer Teil 3: BoronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt