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Eine Bewegung ließ sie aufmerken. Es war immer noch dunkel, aber durch die Luke schimmerte bereits das erste Grau des frühen Morgens. Über ihr schaukelten die Ampeln und verströmten ihr sanftes Licht.

Er hatte zum zweiten Mal die Augen geöffnet und sah sie an. Wie lange schon, wusste sie nicht. Diesmal fand er sie beherrschter.

„Du bist also wach." Sie zwang ein tapferes Lächeln auf ihre Lippen. „Möchtest du noch einmal etwas trinken?"

Fast schon unmerklich schüttelte er den Kopf.

Sie stieß hörbar den Atem aus. „Du... verstehst mich?"

Er nickte.

„Oh, ihr Zwölfe! Arved...!" Ihre erste Regung war, ihm um den Hals zu fallen, doch sie beherrschte sich. „Erkennst du mich?" fragte sie stattdessen. „Weißt du, wer ich bin?"

Zu ihrem Entzücken bewegten sich seine Lippen. Ganz leicht, eigentlich nur die Andeutung einer Bewegung, doch sie vermeinte, ihren Namen auf seinen Lippen lesen zu können.

Sie kniete sich vor ihm auf den Boden, ganz nah, um ihn besser verstehen zu können.

„Was ist das hier?" Formten seine Lippen.

„Das ist mein Schiff. Unser Schiff. Wir sind in Sicherheit. Du musst keine Angst haben!"

„...hab keine Angst..." flüsterte er. Dann bewegte er seinen Arm, suchte seine Hand unter der Decke hervorzustrecken und verzog dabei das Gesicht. „Ich habe immer noch Schmerzen!" Es klang erstaunt.

„Oh, Arved." Ihre Stimme bebte vor Mitleid. Behutsam streichelte ihre Hand über sein Gesicht, fuhr über seine Wange. „Du bist ziemlich schwer verletzt. Aber das wird heilen. Im nächsten Hafen besorge ich dir einen Trank."

Er wirkte verwirrt. „Wo bin ich hier?" fragte er erneut.

„Ich... ich weiß nicht genau, wo wir hier sind. Irgendwo nördlich von Khunchom, an der Küste. Sobald es hell ist, segeln wir weiter fort."

„Das Nirgendmeer..." flüsterte er.

„Nein. Nein Arved. Wir sind auf dem Perlenmeer. Du kennst es doch. Viel besser als ich."

„Ich bin tot."

„Nein. Nein, du bist nicht tot." Ein Schluchzen stieg ihr in die Kehle, hinderte sie am sprechen. „Du lebst. Fühl doch – meine Hand..."

„Aber... ich weiß, dass ich tot bin. Ich... ich habe gesehen..."

„Was hast du gesehen?"

Er drehte seinen Kopf weg und schwieg.

Sie biss sich auf die Lippe. „Oh Arved. Es tut mir so leid, dass ich dir das angetan habe. Es war die einzige Möglichkeit. Wie hätte ich dich sonst befreien sollen? Das Gift... eine Hexe gab es mir. Sie sagte, du würdest nach zwölf Stunden wieder erwachen. Und das bist du ja auch. Nun, nicht nach zwölf Stunden, aber... aber jetzt. Jetzt bist du wach. Und lebst. Bitte... sieh mich doch an!"

Langsam wandte er den Kopf zurück, sah sie an. In seinem Blick lag ein seltsamer Schmerz.

Sie wurde von einer unbestimmten Angst ergriffen. „Es tut mir leid," wiederholte sie. „Ich... ich musste doch versuchen, dich zu retten. Dich herauszuholen aus der Festung. Ich konnte doch nicht zulassen, dass sie dich hinrichten, dass sie mit dir... dass sie dir schreckliche Dinge antun. Du... du wirst vergessen. Und wieder gesund werden, so wie früher. Und... und dafür solltest du noch etwas trinken. Und... und morgen kannst du vielleicht schon etwas essen, du wirst es sehen."

Sie richtete sich auf, schenkte ihm etwas ein. „Jetzt geht es gewiss schon so..." Sie schob die Hand unter seinen Nacken, flößte ihm Wasser mit Wein ein. Dann ließ sie ihn zurücksinken. Unwillkürlich streichelte sie seine Wange, strich ihm das Haar aus dem Gesicht. Doch dann zog sie ihre Hand zurück. „Entschuldige," flüsterte sie.

„Nein. Mach weiter... deine Hand. Sie... nimmt den Schmerz..."

Da streichelte sie weiter über sein Gesicht, dann über seinen Arm, seine Brust und er schloss die Augen.

„Ja," flüsterte sie. „Schlaf nur. Schlafe und träume nicht. Morgen ist alles schon besser. Wenn es hell ist. Dann wirst du gesund." Und damit streckte sie sich neben ihm aus, ganz behutsam, und ihre Hand berührte sanft die Verletzungen seines Körpers, beruhigte ihn, bis er eingeschlafen war.

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Perlenmeer Teil 3: BoronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt