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Die Zwergin hatte eben erneut nach dem Klingelzug gebeten, als ein Geräusch ertönte. Diesmal aber öffnete sich nicht die Klappe, sondern eine etwa mannshohe Tür gab den Blick ins Innere frei.

„Ihr könnt eintreten," sagte der Türwächter mürrisch. „Die edle Dame lässt bitten."

Mit einem triumphierenden Blick marschierte Froboscha an ihm vorbei in die Eingangshalle, dicht gefolgt von Farline, bevor sich die Tür hinter ihnen schloss. Drinnen war es kühl. Bunte Marmorarbeiten verzierten den Boden des riesigen Raumes und die rund 15 Schritt hohen Wände. Die Decke schloss mit einer Kuppel ab, deren Rotunde mit kleinen Glasfenstern versehen war, durch die Tageslicht den Raum erleuchtete. In der Mitte befand sich ein kleiner Springbrunnen, um den mehrere Bänke aus kunstvoll geschnitztem, fremdartigem Holz aufgestellt waren. Die beiden Besucherinnen hatten das unbestimmte Gefühl, die Halle eines Tempels betreten zu haben.

In mehrere Richtungen zweigten Gänge ab, die mit schweren Brokatvorhängen verhängt waren. Einer der Vorhänge wurde von einem Mann aufgehalten. Er war klein, dunkelhaarig mit kupferfarbener Haut. Ein Moha. Er trug einen prächtigen, pflaumenfarbenen Kaftan, dessen Manschetten mit Gold bestickt waren. Wenn er über den Anblick der beiden Frauen erstaunt war, so zeigte er es zumindest nicht.

„Wenn ihr mir bitte folgen wollt," lispelte er mit seltsam hoher Stimme. Er führte sie durch einen ebenso prächtigen Gang, vorbei an mehreren Abzweigungen und durch einen kleinen, überdachten Innenhof zu einer weiteren, doppelflügeligen Tür, bei der er anklopfte.

Die Stimme einer Frau sagte etwas Unverständliches, und die Tür öffnete sich.

„Bitte einzutreten," lispelte der Moha.

Hinter der Tür stand eine hochgewachsene Tulamidin, die ebenfalls pflaumenblaue Kleidung trug. Diesmal war ihr Kaftan nicht nur an den Ärmeln, sondern auch am Saum mit Goldstickerei verziert. Sie trug außerdem prachtvolle goldene Ohrringe und um die Hüften einen Gürtel mit einem Khunchomer - dem breiten Säbel der Südlande.

Bevor die beiden, schon leicht eingeschüchterten Besucherinnen fragen konnten, ob es sich bei ihr um Merhibam handele, bet sie sie ebenfalls, ihr zu folgen. Sie wurden wieder durch einen anderen, ebenso prächtigen Gebäudeteil geführt, und landeten irgendwann bei einer weiteren Tür, gegen die abermals geklopft wurde. Nach dem Zuruf öffnete die Führerin die Tür, und sie traten in eine Art prachtvoll gestaltetes Arbeitszimmer. An den Wänden standen Regale mit Büchern und Rollen und in der Mitte befand sich ein Schreibtisch, an dem eine sehr vornehm aussehende Dame saß. Ihren Hals schmückte eine goldene Kette mit einem Amethystanhänger, an beiden Ohren baumelten schwere Gehänge und an den Handgelenken klirrten goldene Armreifen. Sie trug grüne und rote Kleidung, welche mit hübschen, blumigen Motiven bestickt war.

„Merhibam?" fragte Froboscha.

Die Dame erhob sich. „Ich werde euch zu ihr bringen," sagte sie. Sie ging auf eine Seitentür zu und

klopfte erneut.

Eine Stimme hinter der Tür antwortete in der melodischen Sprache der Tulamiden. Die Frau öffnete die Tür und verbeugte sich tief, dann bedeutete sie den beiden mit einer ausladenden, zeremoniösen Handbewegung einzutreten.

Das Zimmer, in das sie nun eintraten, wirkte in seiner Schlichtheit fast kahl. Allerdings fielen sofort die edlen Materialien ins Auge. Der Fußboden war wie in der Eingangshalle mit Marmorinkrustationen kunstvoll ausgelegt, und auch die Wände waren mit hellem, blassrosafarbenem Marmor getäfelt. An der einen Seite befand sich ein breiter Diwan, der mit rosenfarbenen, mit Silber bestickten Kissen bedeckt war. Ein niedriges Gestell mit einer wagenradgroßen, kreisrunden Platte aus mit Gold ziseliertem Silber stand davor, auf dem mehrere Bücher lagen. In der Ecke lehnte ein seltsames, langhalsiges Saiteninstrument.

Perlenmeer Teil 3: BoronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt