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„Das soll das Haus der Familie al Wachabi sein?"

Sie standen vor einer riesigen, mehrere hundert Schritt langen Mauer aus rosa Kalkstein. Dahinter erhob sich ein großer, palastartiger Gebäudekomplex mit zahllosen kleinen Erkerchen und mit geschnitztem Holz vergitterten Fenstern. Ein Teil der Mauer schien einen großen Garten zu umschließen, den man sah die Spitzen von Palmen und von prächtigen, rotviolett blühenden Kletterpflanzen, die sich über die Mauer rankten. Direkt vor ihnen erhob sich ein großes, geschnitztes Tor aus dunklem Palisanderholz. Ein Klingelzug aus Messing war an der einen Seite des Tores zu sehen.

Froboscha schüttelte zweifelnd den Kopf. „Hier soll diese Merhibam wohnen? Das glaube ich irgendwie nicht. Wahrscheinlich hat uns der Mann angelogen."

Auch Farline fühlte sich ganz kleinlaut bei dem Gedanken, hier so einfach den Klingelzug zu betätigen. Sie dachte daran, dass sie beide nicht gerade sauber, ziemlich abgerissen und nicht gerade vertrauenserweckend aussahen. Aber sie wollte nicht so einfach aufgeben. Nicht bevor sie nicht einen letzten Versuch gemacht hatten.

„Lass uns wenigstens fragen, ob es hier eine Merhibam gibt," bat sie.

„Na gut." Entschlossen zog Froboscha an der langen Messingstange. Irgendwo hinter dem Tor wurde durch einen geheimnisvollen Mechanismus ein tiefer Gong betätigt. Eine kleine Klappe in der Mitte der Tür öffnete sich und das braunhäutige Gesicht eines Mannes blickte heraus. Er warf einen Blick von höchster Missbilligung auf die beiden Frauen und sagte etwas auf Tulamidisch.

„Merhibam," rief Farline etwas hilflos. „Merhibam al Wachabi?"

Der Türwächter runzelte die Stirne. Mit einem weiteren tulamidischen Wort schlug er die Klappe zu.

„Siehst du," meinte Froboscha. „Das hat keinen Zweck." Sie wollten sich gerade zum Gehen umwenden, als die Klappe sich erneut öffnete. Diesmal schaute ein anderes Gesicht heraus.

„Ihr wünscht?"

„Oh." Beide waren leicht überrumpelt. Farline fasste sich als erste. „Wir wollen zu Merhibam al Wachabi."

Das Gesicht zeigte den Ausdruck milder Überraschung. „Was wollt ihr von der edlen Dame?"

„Das können wir ihr nur selber sagen," schaltete sich Froboscha ein. „Persönlich."

„Das wird wohl kaum möglich sein." Der Mann hinter dem Tor schüttelte den Kopf.

„Warum soll denn das nicht möglich sein?" erkundigte sie sich.

„Weil die edle Dame keinen Besuch empfängt."

„Aber wir müssen sie sprechen!" rief nun wieder Farline. „Fragt sie doch wenigstens, ob sie uns empfangen will."

Der Mann schürzte verächtlich die Lippen. Er zögerte. Dann sagte er schließlich. „Ich kann ihr eine Nachricht zukommen lassen. Habt ihr auch irgendwelche Namen?"

Die beiden Frauen blickten sich an. Was sollte die „edle Dame" schon mit ihren Namen anfangen können?

„Wir heißen Farline und Froboscha," antwortete die Zwergin schließlich.

Ein hochmütiges Lächeln glitt über die Züge des Wächters. „Ich werde der edlen Dame ausrichten, dass eine Fahline und eine Robocha nach ihr gefragt haben." Damit ging die Klappe zu.

Wieder sahen die beiden sich an. „Das war ja wohl kein großer Erfolg, oder?" meinte Froboscha ärgerlich. Die Menschen in dieser Stadt missfielen ihr von Augenblick zu Augenblick mehr.

„Nein," gab Farline kleinlaut zu. „meinst du, wir sollten gehen?"

„Nein. Auf keinen Fall!" widersprach die Zwergin, Entrüstung in der Stimme. „Wir warten jetzt. Und wenn sich in einer Stunde keiner meldet, dann klingeln wir noch mal. So einfach lasse ich mich nicht abspeisen von diesem eingebildeten Pinkel!"

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Perlenmeer Teil 3: BoronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt