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Amar ben Faizhan, Hauptmann der Gefängnisgarde von Al-Chatan, stand unten in einem der Wachräume, und trug die Einteilung der Wachhabenden für die nächste Woche in einen Liste ein, die an der Wand befestigt war. Seine Schrift war, wie immer, sehr ordentlich und gleichmäßig. Er führte seine Männer mit strenger, aber gerechter Hand und achtete darauf, dass keine Unregelmäßigkeiten vorkamen. So runzelte er unzufrieden die Stirn, als er plötzlich Geschrei und tumultartige Geräusche vernahm. Jetzt ging die Tür auf, und einer seiner Unteroffiziere betrat den Raum. Als er den Hauptmann bemerkte nahm er Haltung an.

„Maimud, was hat dieser Krach zu bedeuten?"

„Eine Prügelei unter den Gefangenen, Herr!"

„Die Neuzugänge?"

„Richtig, Herr."

Amar legte die Feder aus der Hand. „Dann lasst uns nachsehen. Ruft noch vier Mann zusammen und nehmt die Armbrust mit."

Zu sechst machten sie sich auf den Weg den fackelbeschienenen Gang hinunter bis vor das Gitter der Zelle, in der die Gefangenen untergebracht waren. Zunächst konnten sie nichts sehen, da die Männer dort drinnen in einer Art Kreis standen, und ein Großteil ihnen den Rücken zudrehte.

Amar beherrschte ausreichend Garethi, um sich Gefangenen gegenüber verständlich zu machen. Er fuhr mit dem Griff seines Khunchomers die Stäbe entlang, was ein dröhnendes Geräusch verursachte, das den Lärm in der Zelle übertönte.

„Halt!" brüllte er. „Umdrehen und keine Bewegung. Wer nicht gehorcht, hat einen Bolzen im Rücken."

Der Lärm verstummte. Zögernd drehten die Leute sich um.

„So. Und jetzt auseinander, an die Wand und die Hände in die Luft."

Die Leute gehorchten stumm. Und jetzt konnte Amar auch erkennen, was genau im Gange war. Zwei Männer hatten einen Dritten festgehalten. Sein Kopf hing zur Seite, Gesicht und Brust waren blutverschmiert. Jetzt, so plötzlich losgelassen, sackte er zu Boden.

„Was hat das zu bedeuten?"

Keiner antwortete.

„Ich lege euch alle in Ketten, wenn ich keine Antwort bekomme!"

Schließlich antwortete der größte der Männer: „Er hat angefangen. Wir haben uns nur verteidigt."

„Dein Name! Und seiner auch!" bellte Amar.

„Ich bin Ulgur, „ antwortete der Große zögernd. „Seinen Namen kenne ich nicht. Er nennt sich der Schwarze Korsar."

Amar nickte. „So ist das also. Ich verstehe." Damit wandte er sich an seine Leute. „Holt den Mann da raus." Einer der Soldaten wollte etwas sagen, aber Amar ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Das ist ein Befehl!"

Die Soldaten tauschten Blicke aus, aber dann holte der eine sein Schlüsselbund heraus, und schloss die Gittertür auf. Zwei Männer zielten mit der Armbrust in das Verlies hinein, während zwei andere den Gefangenen aufhoben. Er stöhnte leise. Gesicht und Oberkörper bedeckten frische Verletzungen. Aus Mund und Nase sickerte Blut, aber offenbar war er noch bei Bewusstsein. Die Soldaten packten den Gefangenen und schleiften ihn in Richtung Ausgang. Finsteren Blickes, aber ohne die Möglichkeit einzugreifen, beobachteten dies die umstehenden Piraten, deren Blicke zwischen den auf sie gerichteten Armbrüsten und ihrem Opfer hin- und herflogen.

An der Tür blieben die beiden Soldaten stehen. Der Mann zwischen ihnen hing schwer in ihren Armen. Blut tropfte auf den Steinboden.

„Und jetzt, Herr Hauptmann?" fragte einer der beiden leise.

Amar zögerte einen kurzen Augenblick. Er fühlte die Blicke seiner Männer auf sich gerichtet und wusste, was sie dachten. Aber seiner Vorstellung von Pflicht und Ehre entsprechend gab es keine andere Möglichkeit zu handeln.

„Bringt ihn den Flur hinunter in die andere Zelle. Und... nein, es reicht so. Schließt hier wieder sorgfältig ab. Und was euch betrifft," wandte er sich in drohendem Tonfall an die Gruppe der Piraten, „wenn so etwas noch einmal vorkommt, so lasse ich euch an Händen und Füßen anketten bis zu eurer Hinrichtung, verstanden?"

Die Piraten schwiegen und blickten auf ihren Hauptmann, der jedoch keinen Ton herausbrachte.

„Ob ihr verstanden habt?" brüllte Amar jetzt voller Zorn.

Einige der Männer murmelten leise etwas, das man wie Zustimmung auslegen konnte. Amars Augen blitzten vor Zorn. Einen Augenblick lang erwog er, den Befehl zum Anketten jetzt sofort zu erteilen, entschied sich aber dagegen - aus gutem Grund. Mit einer leichten Handbewegung veranlasste er, dass seine Männer den erteilten Befehlen nachkamen. Während einer das Gitter abschloss und das Schloss prüfte, schleiften die anderen den Gefangenen den Gang hinunter auf eine weitere Gittertür zu. Nachdem sie geöffnet worden war, beförderten sie den Mann hinein und lieen ihn nach einem kurzen Blickwechsel auf einen Haufen alten Strohs sinken. Raschen Schrittes verließen sie die Zelle und der Soldat mit dem Schlüsselbund verschloss sie ebenso sorgfältig, wie die andere.

Amar, der zur Überwachung seiner Anordnungen ein Stück den Gang hinunter gegangen war, drehte sich auf dem Absatz um und marschierte mit raschen Schritten zurück in die Wachkammer, ohne noch einen weiteren Blick auf die Piraten zu werfen. Als er den Raum betreten hatte, trat einer seiner Männer hinter ihm ein und schloss die Tür.

Ohne ihn zu beachten, trat Amar wieder an seine Liste heran. Das Schweigen in seinem Rücken wurde drückend. Ruckartig drehte er sich um.

„Ist irgendwas, Shiran?"

Der Soldat zögerte. Dann sagte er leise. „So weit ich weiß, gab es doch diesen Befehl, dass alle Männer in eine Zelle gesperrt werden sollten, ohne Ketten."

Amars Augen wurden schmal. „Was wollt ihr damit sagen?"

Der Soldat wand sich verlegen. „Na ja, weil doch der Befehl von höchster Stelle kam, und der edle Herr..."

Voller Zorn blitzten Amars Augen seinen Untergebenen an. „Als dieser Befehl erging, konnte der edle Herr Wesir noch gar nicht wissen, was sich ereignen würde. Hier habe ich die Verantwortung. Und ich entscheide, wie es mir richtig erscheint. Wollt ihr noch etwas hinzufügen?"

Der Soldat senkte den Blick. „Nein, Herr Hauptmann."

„Dann überlegt euch nächstes Mal vorher, was ihr sagt. Wegtreten!"

Betreten senkte der Soldat den Blick und verließ demütig rückwärts gehend den Raum. Mit einem schwachen, halb unterdrückten Seufzer wandte sich Amar wieder seiner Arbeit zu. Der Soldat hatte nicht ganz Unrecht gehabt. Es gab da einen Befehl. Aber Amar hasste es, wenn man ihm vorschrieb, wie er sein Gefängnis zu führen hatte. Die hohen Herren hatten ja keine Ahnung, was hier vor sich ging. Und er liebte es, wenn Ordnung herrschte, wenn er selbst das Gefühl hatte, die Situation unter Kontrolle zu haben. Und wenn er, am Ende der Woche, den Stolz in den Augen seines kleinen Söhnchens sehen und denken konnte, dass dieser nicht ganz unberechtigt sei, weil er seine Sache gut gemacht hatte. Er war ein Mann, dem es wichtig war, sich abends im Spiegel betrachten zu können, ohne beschämt wegsehen zu müssen.

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Perlenmeer Teil 3: BoronWo Geschichten leben. Entdecke jetzt