„Das war zu erwarten"

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Die Zofe lässt von mir ab, verbeugt sich und geht so leise aus dem Raum wie sie gekommen ist. Ich stehe auf und richte mein Kleid. „Sehe ich angemessen aus?", frage ich unsicher nach.

„Wie eine von uns. Wir sollten uns auf den Weg machen." Sie geht voran und ich folge ihr. Wir gehen die langen Treppen herunter. Sie biegt in eine andere Richtung ab. Ein weiterer Gang voller Bilder. Diesmal sind es Landschaftszeichnungen.

Aus der Ferne höre ich wie Metall aneinandergeschlagen wird. Quietschende Schuhe. Ab und an ein Stöhnen. Zurufe und Beifall. Sie öffnet die Tür. Zum Vorschein kommt eine große Trainingshalle. Viele Geräte aus Holz stehen im Saal. Große Matten liegen verteilt auf dem Boden. Eine ganze Reihe an Schwerter stecken in Körben und handgemachte Pfeile, Köcher und Bögen hängen an einer den Wänden.

Zwischen all den Geräten und Waffen stehen kleine Grippen und trainieren. Manche mit Waffen, andere üben Nahkampf Techniken. Ganz vorn stehen Aiden und ein Junge, ein paar Jahre älter als er, sich gegenüber und parieren mit ihren Schwertern. Um sie herum stehen der König und ein paar Krieger.

„Das war zu erwarten", seufzt Alenja.

„Wie meinst du das?", frage ich sie ohne meinen Blick von Aiden zu lösen.

„Das machen sie schon seitdem sie Kinder sind. Mindestens seit ich mich erinnern kann. Sie fordern sich aus Spaß heraus, um zu sehen wer der stärkere ist."

„Ist das schlecht?"

„Nicht wirklich. Sie übertreiben es gern. Manchmal so sehr, dass einer von ihnen medizinische Behandlung benötigt."

Erschrocken sehe ich sie an. „Das ist furchtbar!"

Sie schüttelt lachend den Kopf. „Es sieht gefährlicher aus, als es ist."

Fynn sieht uns und nickt uns zu. Sofort geht Alenja in die Richtung. Ich im Schlepptau. Wir gesellen uns dazu und schauen gespannt, wie die beiden Prinzen sich gegenüberstehen. Es hat den Anschein, als würden sie einen Starr-Wettbewerb veranstalten. Aiden zwinkert mir unauffällig zu, ehe er einen Schritt vorwärts macht und seinen Bruder angreift. Doch dieser setzt zum Gegenschlag an. Erfolgreich. Beide Schwerter prallen aneinander. Ein lauter, heller Klang hallt durch den Raum. Beide drücken ihre Schwerter aneinander, sodass sie sich von Angesicht zu Angesicht sehen. Aiden macht einen Auswärtsschritt nach hinten und greift erneut an, Wieder wird der Angriff abgewehrt. Sie umkreisen sich, als würden sie einen Walzer tanzen. Keiner der beiden weicht den sturen Blick des anderen. Sein Bruder macht einen Hechtsprung nach vorn. Aiden reagiert nicht sofort und stolpert nach hinten, nur um sein Gleichgewicht in letzter Minute wieder zu erlangen.

Er holt aus und stößt mit seinem Schwert erneut an die Klinge seines Gegners. Durch den Schwung fällt dieser zu Boden. Aiden entwendet das Schwert aus der Hand seines Bruders und stellt demonstrativ sein Fuß auf die Brust. Danach hält er das Schwert an seine Kehle.

Großer Jubel kommt auf. Der König stößt seine Faust in die Höhe. Fynn klatscht begeistert. So habe ich ihn noch nicht erlebt. Bis jetzt war er eher kühl und distanziert aufgetreten.

Doch der Kampf schein noch nicht zu Ende zu sein. Aiden lächelt mir siegessicher zu. Nur kurze Zeit später liegt dieser auf dem Boden. Sein Bruder hat sein Bein zu sich gezogen, was ihn zu Fall gebracht hat. Die Verwunderung nutzt er und setzt sich auf die Brust seines jüngeren Bruders.

„Es scheint mir, als hättest du jegliche Lektionen vergessen, kleiner Bruder. Erste Lektion: wende dich niemals deinem Feind ab", tadelt er und lacht laut los.

Er steht auf und reicht Aiden seine Hand, welcher sie dankend annimmt. „Ich bin stolz auf dich", sagt er und gemeinsam kommen sie auf uns zu.

Er sieht zu mir, verbeugt sich und drückt sanft einen Kuss auf meinen Handrücken. Dabei sehen mich seine hellbraunen Augen ununterbrochen an. Seine blonden Haare fallen ihm ins Gesicht und verdecken somit eine kleine Narbe über der rechten Augenbraue. Ich versuche ein neutrales Gesicht zu bewahren, auch wenn es mir schwerfällt.

„Du musst Thalia Newton sein. Aiden konnte in den letzten Minuten nicht aufhören von dir zu reden."

Mein Blick huscht zu Aiden, welcher rot anläuft. Er schaut schnell beiseite, zu beschämt mich anzusehen. Ein Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht. Ich schaue wieder in die Augen des eigentlichen Thronfolgers. „Ich bin Kian, der älteste Sohn von König Ulik. Es freut mich deine Bekanntschaft zu machen." Er stellt sich wieder auf und sieht seine jüngere Schwester an. „Du hast ihr ein gutes Kleid herausgesucht. Es schmeichelt ihrer Figur und betont ihre wunderbaren Kurven."

Jetzt bin ich diejenige, welche vor Verlegenheit errötet. Aiden schreitet ein und legt beschützend einen Arm um mich. „Ich würde Thalia kurz entführen wollen. Schließlich ist das Schloss groß und wir haben nicht einen ganzen Tag Zeit."

Ulik, der König meldet sich zu Wort. „Ein guter Vorschlag, mein Sohn."

Er nickt uns zu und gibt uns so die Erlaubnis uns zu entfernen. Wir gehen gemächlich zurück zur Tür.

Ich atme erleichtert aus als Aiden die Tür hinter uns schließt. „Danke." Ich schaue ihn in seine braunen Augen.

„Ich hielt es nur für angemessen. Mein Bruder ist für gewöhnlich ein ganz erträglicher Gefährte."

„Wenn du das sagst, dann muss es wohl stimmen."

Eine Stille tritt über uns herein. Ich beiße mir verlegen auf die Lippe und warte auf eine Antwort von ihm. Doch er ist ebenso verlegen wie ich.

„Also wollen wir den Rundgang starten?", fragt er und hält mir seine Hand hin.

„Gern."

Ich ergreife sie und wir verschränken unserer Finger miteinander. Die wohlbekannte Wärme durchströmt mich wieder. Seit dem Kuss, welcher mir so vorkommt, als sei er eine Ewigkeit her, bin ich mir über meine Gefühle sicher. Ich empfinde etwas für ihn. Doch ist es Liebe? Oder nur Anziehung? Ich hoffe, dass er ebenso Gefühle für mich empfindet. Schließlich war er es, der mich geküsst hat. So wie ich ihm kennengelernt habe, ist er ein wahrer Gentleman und würde niemals mit den Gefühlen einer Frau spielen. Eins steht fest: Wir müssen darüber reden.


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