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„Irgendwann versteh ich das vielleicht: Ich kann werden, wer ich sein will, ich kann mir nehmen, was ich brauche, und ich muss nicht länger suchen, wenn ich längst bin, wo ich hingehöre", stand auf der ersten Seite von Julia Engelmanns Buch. One day. Eines Tages. Ja eines Tages würde ich vielleicht meinen Traumjob haben, in der Küche meiner Altbauwohnung tanzen und jemanden an meiner Seite wissen, der mich so anschaute, wie ich den Mond. Er war der Einzige, der meinen nächtlichen Gedankenkreisen Gesellschaft spendete, wenn er über die Dächer der Kleinstadt durch mein Fenster schien und fluoreszierenden Bilder aufs Parkett warf. Dann fühlte ich mich jedes Mal ein kleines bisschen weniger einsam.

Ich blätterte eine Seite weiter, warf einen kurzen Blick nach draußen. Karge Wälder am Rande der Autobahn rauschten vorbei, hin und wieder eine Raststätte und blinkende Reklamen von überteuerten Dieselpreisen und Fastfoodketten. Der Reisebus rollte im stetigen Tempo vor sich hin und irgendjemand in den Sitzreihen vor mir hatte sein Wurstbrot ausgepackt. Das Mädchen neben mir, ihren Namen hatte ich leider schon wieder vergessen, war mit dem Kopf an meiner Schulter eingeschlafen. Ich schaute auf die Uhr. Noch mindestens fünf Stunden und zwei Fähren, dann würden wir Schweden erreichen.

Ich zog die Ärmel meines Abschlusspullovers bis zu meinen Fingerknöcheln, Dank Klimaanlage war es kälter als gedacht. Noch vor wenigen Wochen hatte ich im stickigen Klassenzimmer gehockt, über Lernzetteln gebrütet und schwitzend eine Prüfung nach der anderen geschrieben. Und immer zu von diesem Moment geträumt. Von tiefgrünen Wäldern, roten Häuschen und Zimtschnecken. Von Freiheit, Loslassen und bedingungslosem Glück.

Schon immer hatte ich nach Schweden gewollt, hatte meine Kindheit mit Pippi, Michel und den Kindern aus Bullerbü verbracht. Per Zufall oder per Schicksal, wie auch immer, war eine Broschüre mit Jugendreisen in unseren Briefkasten geflattert. Nach einer kurzen Diskussion mit meinen Eltern war ich nicht nur meinem Traum einen Schritt näher gekommen, sondern hatte mich auch zusätzlich vom Familienurlaub in den Bergen befreit, der jedes Mal mit einem großen Streit endete. Aber so war das eben, wenn vier Leute plötzlich jeden Tag bewusst mit einander verbrachten und nicht wie sonst, aneinander vorbei lebten.

idas sommarvisaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt