Königlicher Besuch

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„Nun, Caster?" Gilgamesh blickte mich abwartend an. „Auch wenn es letztlich keine Rolle spielt, solange du mich zu unterhalten vermagst, Dienerin." Betont gelassen winkte er ab. Schon klar, du Arsch. Für ihn war das hier alles nichts weiter, als seine persönliche Live-Reality-Show. „Mein Name ist Daelis", würgte ich so höflich heraus, wie ich konnte. Das Wissen um meinen Namen half ihm letzten Endes ja sowieso nicht weiter und dass er sowieso niemanden für würdig hielt, sich mit ihm zu messen, hatte er ja schon mehrfach demonstriert. Leider sprachen so einige Fakten für ihn, beispielsweise seine zahlreichen Noble Phantasms. Er war mächtig, und zwar ohne jeden Zweifel. Verdammt mächtig sogar. Allerdings hatte er auch immer wieder kräftig aufs Maul bekommen. Solange ich allerdings keinen Shirou Emiya aus dem Ärmel zaubern konnte, der Gilgameshs Schädel spaltete, sollte ich wohl besser versuchen, den König der Helden nicht zu sehr zu provozieren. Besonders, wenn mein Nutzen als Servant davon abhing, dass ich sein Buch behalten durfte. Hatte er überhaupt eine Ahnung, wie mächtig dieses Ding wirklich war? Hatte er es jemals selbst benutzt? Vermutlich nicht, wenn ich raten müsste. Schätze, er glaubte, das nicht nötig zu haben. Kam ja eh nicht oft vor, dass ihm jemand „Nein" ins Gesicht sagte.
Wie von selbst hatte meine Hand Elisabeths gefunden. Auch wenn sie offenkundig keine Angst vor Gilgamesh hatte, obwohl ihr klar sein musste, dass er ein Servant war, wollte ich, dass sie wusste, dass ich an ihrer Seite war und sie beschützen würde. „Angesichts der späten Stunde wäre es wohl nur angemessen, wenn ihr eurem König ein adäquates Mahl kredenzt." Gilgameshs Schmunzeln verriet, dass er hier bloß seine Grenzen austestete, immerhin brauchte er als Servant keine Nahrung und seine hohen Standards, das musste ihm klar sein, könnten wir hier sowieso nicht erfüllen. Wir waren hier doch keine Vier-Sterne-Küche. Wie gerne würde ich ihn einfach vor die Tür setzen. Wäre es doch nur so einfach. Vermutlich konnte ich von Glück sprechen, dass mich Elisabeth noch einmal rettete. „Das machen wir, Hoheit!", ereiferte sie sich und wirbelte auch schon herum, um mich mit sich gen Küche zu ziehen. „Wir kochen was eeeexra Leckeres für König Archer, komm Caster!" König Archer. Das war schon fast wieder süß, würde sie hier nicht von Gilgamesh sprechen. Ich warf noch einen letzten Blick über die Schulter in Archers Richtung, der es sich tatsächlich gemütlich gemacht hatte, soweit es seine Rüstung erlaubte.

„Was gibt man denn einem König zu essen?" Mit besorgter Miene riss Elisabeth unsere Küchenschränke einen nach dem anderen auf. Nach meinem Ermessen war die richtige Antwort auf ihre Frage „Was immer wir ihm vor die Nase stellen", doch das würde meinen Master wohl nicht unbedingt beruhigen. Also legte ich ihr beschwichtigend die Hände auf die Schultern. „Wir machen eine leckere Lasagne, was hältst du davon? Die mag doch wirklich jeder." Sofort hellte sich Elis Miene auf und sie nickte eilig. „Das ist eine gute Idee!" Ich mochte wetten, dass ich so ziemlich alles hätte vorschlagen können und sie damit überzeugt hätte. Sie vertraute meinem Urteil so blind, dass es mich schon fast schmerzte. Wenn sie herausfand, was für einen nutzlosen Servant man ihr angedreht hatte, wäre Eli bestimmt bitterlich enttäuscht. Das wollte ich auf jeden Fall vermeiden. Was wiederum hieß, dass ich Gilgameshs Wohlwollen brauchte, damit ich sein Buch behalten konnte.
Im Wohnzimmer blieb es still, während Elisabeth und ich uns daran machten, alles vorzubereiten. Damit es ihr nicht langweilig wurde, versuchte ich, sie in jede noch so kleine Aufgabe einzubinden. Nicht, dass sie noch auf die Idee käme, es wäre besser, bei Gilgamesh abzuhängen. Zwar hielt ich ihn nicht für den Typ Mensch oder meinetwegen auch Halbgott, der einfach ein kleines Kind niedermachte, aber er war definitiv manipulativ genug, dass ich ihm zutraute, sie dazu zu überreden, ihre Befehlszauber wusste der Himmel wem zu geben. Nein, ich fühlte mich eindeutig wohler, wenn sie nicht mit dem König der Helden allein wäre. Elisabeth war zu leicht beeinflussbar, wie der Umstand, dass sie mir so blind vertraute, ziemlich klar zeigte.

„Oh, das sieht wirklich lecker aus", schwärmte Eli, den Blick auf die Lasagne gerichtet, die ich kurzerhand in den Ofen schob. „Ich bin sicher, sie wird auch superlecker sein, Master. Du hast wirklich toll geholfen", lobte ich sie. Mit ihr hier zu kochen, hatte mir die nötige Zeit gegeben, mich ein wenig von dem Schrecken zu erholen, Gilgamesh im Wohnzimmer anzutreffen. Dass hier Leute einfach ein- und ausgingen, wie es ihnen passte, schmeckte mir zwar nicht, aber wie sollte ich es verhindern? Weder verfügte ich über die Mittel, Caster Cú und Gilgamesh auszusperren, noch über solche, die beiden rauszuschmeißen, egal, wie sehr mich dieser Umstand ärgerte. Krampfhaft versuchte ich, das Ganze einfach positiv zu sehen. Zwar wusste ich nicht, welcher Servant Eli meinen Katalysator gegeben hatte, aber dafür hatte ich ein mächtiges Noble Phantasm, vielleicht ein Bündnis mit Cú Chulainn sowie dessen Master, dem aktuellen Lord El-Melloi, und obendrein einen Pakt wider Willen mit Gilgamesh. Objektiv gesehen hatten Eli und ich damit ziemlich mächtige Verbündete, sollte sich Merlin als Feind erweisen. Was den anging, war ich mir da nämlich noch nicht ganz so sicher.
„Dauert es denn nun noch lange?", riss mit Elisabeths Frage aus meinen Grübeleien. „Mh? Nein, nur etwa eine halbe Stunde. Dann können wir essen." Sofort blickte sie mich mit strahlenden Augen an. „Sehen wir nach, ob seine Hoheit noch da ist", fügte ich hinzu und verkniff es mir, demonstrativ zu seufzen. Wie sollte ich Eli, die so absolut begeistert von Gilgamesh war, auch erklären, was ich über den Kerl dachte? Sie war schlicht zu jung, um die Tragweite seiner Entscheidungen und Taten abzuwägen, und im Grunde war das auch gut so. Sie hatte genug zu schultern, auch ohne sich den Kopf darüber zermartern zu müssen, was irgendein Geist eines längst toten Halbgottes sich überlegen könnte, um den Gralskrieg für ihn unterhaltsamer zu machen. Ein Teil von mir hoffte wohl einfach, ihm würde es hier so schnell langweilig, dass er wieder Leine zog und jemand anderes auf die Eier ging.

Fate/Royale (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt