Die Großzügigkeit des Königs der Helden

24 2 5
                                    


„Ich bin gespannt, welche Tiefen deiner Seele sich offenbaren werden, wenn du deinen Wunsch äußerst", amüsierte sich Gilgamesh mit einem süffisanten Lächeln, für das ich ihm am liebsten ins Gesicht geschrien hätte. Wie konnte er nur so viel Spaß daran haben, mich zu erpressen? Machten wir uns nichts vor, er wusste ganz genau, dass er das tat und Reue fühlte er darüber ganz bestimmt nicht. Vermutlich fand er es ganz selbstverständlich, dass Eli und ich uns seinen Launen unterwarfen, weil er der Mächtigere und ein König war. Ohnehin glaubte er ja, die Welt sei sein Garten, über den selbstverständlich niemand außer ihm herrschen konnte. Wie konnte ein einzelnes Wesen nur so unglaublich von sich eingenommen sein? Hatte ihn als Kind jemand fallen lassen? Hatte Enkidu ihm vielleicht einmal zu oft auf den Kopf geschlagen? Oder hatte die Pubertät ihn ruiniert und aus dem einst süßen Jungen – halt nein. Ich wusste ja, dass das nicht stimmte. Kid Gil sah zwar niedlich aus und konnte ziemlich gut den zuckersüßen Unschuldsengel spielen, aber er war verdammt nochmal schon ein Gilgamesh und brachte die geballte Arroganz des Königs der Helden bereits mit. Wusste der Himmel, was bei Gil schiefgelaufen war. Vielleicht war er letzten Endes auch einfach nur viel zu lange mit diesem Verhalten durchgekommen, weil niemand die Stärke besessen hatte, sich ihm zu widersetzen und das zu überstehen. Im Grunde war es ja so auch der vorigen Besitzerin meines Zauberbuchs ergangen. Anstatt Gil um Hilfe anzuflehen, hatte sie die Sache selbst in die Hand nehmen wollen oder müssen. Ich glaubte nicht, dass der König der Helden ihr geholfen hätte, hätte sie nach Schutz für ihr Dorf verlangt. Nicht ohne, dass dieses sich seinem Reich eingliederte und unterwarf. In gewisser Weise war sie mit dem Preis – nämlich sich selbst – vielleicht noch günstig weggekommen. Gilgamesh musste sie wirklich unterhaltsam gefunden haben, wenn er sich damit hatte abspeisen lassen. Wäre das auch mein Schicksal? Würde ich den Hofnarren für den größten Egozentriker aller Epochen spielen, nur um zu überleben? Ich hasste es, das zuzugeben, aber die Antwort lautete vermutlich Ja.
„Ich fürchte", antwortete ich ein wenig zu spät, „dass Euch die Tiefen meiner Seele nicht sehr spannend erscheinen werden." Und verdammt nochmal, ich hoffte das auch! Wenn ich irgendetwas wirklich nicht gebrauchen konnte, dann, dass Gil sich an dem ergötzte, was mir etwas bedeutete. Ich wollte nicht hören, wie er sich über alles lustig machte, das ich schätzte und ich glaubte auch nicht, dass ich mich dann noch beherrschen könnte. Wenn er auf die Idee käme, einen abfälligen Kommentar beispielsweise über das Ableben meiner Mutter oder meine finanziellen Sorgen zu machen, würde ich ihm vielleicht ungehemmt ins Gesicht springen und um mal so richtig den Marsch blasen. Täte ihm vielleicht sogar mal ganz gut, wenn ich so darüber nachdachte. Noch war ich jedoch nicht bereit, das Risiko einzugehen und die Folgen zu tragen. Ätzender als ein gut gelaunter König der Helden war ein schlecht gelaunter König der Helden. Eines Tages, tröstete ich mich, eines Tages würde ich diesem Kerl sagen, was ich von seinem Verhalten hielt und dass er mich mal kreuzweise konnte. „Erstaunlicherweise sind es meist die interessanten Leute, die dergleichen behaupten", riss Gilgameshs Erwiderung mich aus meinen Gedanken. Seine Worte jagten mir einen unangenehmen, eiskalten Schauer über den Rücken. Wäre es nicht so gefährlich, ihm langweilig zu werden, hätte ich das vermutlich vorgezogen. „Nun, noch müsst Ihr Euch gedulden, mein König. Ihr erfahrt meinen Wunsch zur rechten Zeit." Nämlich dann, wenn ich den Gral in den Händen hielt. Bis dahin war es besser, wenn niemand wusste, dass ich aus einer anderen Welt oder etwas in der Art stammte und Wissen über viele Heldengeister mitgebracht hatte, dass ich unter normalen Umständen niemals hätte haben dürfen. Auch wenn mich dieser Fakt ganz bestimmt interessant für Gil gemacht hätte. Nicht, weil er sich Sorgen wegen der anderen Helden machte, sondern weil meine Anwesenheit bewies, dass es andere Realitäten gab.
„Bis dahin, Caster, schenk mir nach. Wir werden amüsante Zeiten miteinander verbringen", hielt mit Gil seinen goldenen Kelch entgegen. Stumm folgte ich seiner Aufforderung, dem Drang widerstehend, ihm den Inhalt der Karaffe einfach ins Gesicht zu kippen. Wollte er wirklich die gesamte Karaffe leeren? Jeder normale Mensch wäre danach so dermaßen dicht, dass er nicht einmal mehr aufstehen könnte, geschweige denn gerade gehen. Aber Gil war ja Gewohnheitstrinker mit göttlichem Erbe, für ihn war das offenbar kein Problem. Zu gut erinnerte ich mich an die Szene aus Fate/Zero, in der ich zunächst zum Scherz die leeren Weinflaschen um ihn herum gezählt hatte. Ich war auf 18 gekommen. Für jemanden, der noch keine Woche dort herumgehangen hatte eine überaus bedenkliche Menge und dennoch hatte ich nie das Gefühl gehabt, Gil wäre besoffen gewesen. Vielleicht irrte die Serie da aber auch im Gesamten und Gil war einfach immer betrunken. Wie gut, dass er schon ein Geist war, sonst würde seine Leber bestimmt bald versagen und er an einer Zirrhose sterben. Ob das vielleicht sogar seine Todesursache gewesen war? Besser, ich kniff mir die Frage. Soweit ich wusste, war Gilgamesh sehr alt geworden und im hohen Alter gestorben. Welcher Held konnte das schon von sich behaupten? In gewisser Weise war allein dieser Fakt schon beeindruckend, auch wenn ich ihm das niemals auf die Nase binden würden.

Fate/Royale (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt