Noble Phantasm

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Die Nacht über hatte ich einfach keine Ruhe finden können. Meine Gedanken waren unerbittlich um das Buch gekreist, von dem ich nun eindeutig sagen konnte, dass ich wirklich keinen Plan hatte, was ich damit anstellen sollte. Man konnte nicht darin schreiben und zu lesen gab es auch nicht allzu viel. Mir kam es vor, als habe der Gral sich einen boshaften Scherz auf meine Kosten erlaubt. In gewisser Weise hatte er das ja auf jeden Fall. Immerhin war ich per Definition wirklich überhaupt nicht als Servant geeignet und doch war ich hier, ein Caster wider Willen. Wenn mein Noble Phantasm ein Buch war, dann entweder, weil ich gerne las oder weil ich schrieb. Und damit war ich wieder bei dem Punkt, dass in diesem speziellen Buch beides nur bedingt oder gar nicht möglich war. Da beneidete ich Caster wie Cú mit seinem Wicker Man. Das Riesending kam halt einfach um die Ecke gebrezt und verbrannte alles auf seinem Weg - wahlweise auch Servants. Das war ein wirklich eindrucksvolles Noble Phantasm. Meines hingegen stellte mich nur vor ein Rätsel. Was sollte ich damit tun? Das seltsame Gedicht vorlesen und hoffen, es würde schon etwas passieren? Sollte das den Geist anderer Servants verwirren? Dann klappte das sicher nur bei hohlen Nüssen - mit Ausnahme der Berserker, denn die würden wohl nicht einmal bis zum Ende zuhören.

All das hatte mich jedoch nicht davon abgehalten, die ganze Nacht in den leeren Seiten zu blättern, über die sorgsam in schöner, geschwungener Schrift verfassten Buchstaben zu streichen und mich zu fragen, was mir diese Zeilen sagen wollten und wie ich sie benutzen könnte, um Elisabeth und mich zu beschützen. Vergeblich. Als der Morgen dämmerte, war ich keinen Deut schlauer, sondern lediglich frustriert, weil auch meine Versuche, nochmal in dem Buch zu schreiben oder zu malen, zu rein gar nichts führten. Wie die Morgensonne durchs Fenster fiel und den neuen Tag ankündigten, bemerkte ich nicht einmal.

Ob der Erkenntnis, dass ich alleine so nicht weiterkam, wog ich die zwei Personen ab, die ich um Hilfe bitten könnte und die mir vielleicht - und nur vielleicht - helfen könnten. Merlin und Cú Chulainn. Keine der beiden Optionen gefiel mir so richtig.

Merlin mochte im Moment ein Verbündeter sein, doch ich traute ihm einfach nicht. Mr. Magical Dick konnte hundertmal der größte Zauberer aller Zeiten (außer Gandalf) sein. Solange er seine Identität, zugegeben hundsmiserabel, verschleierte, gab das wenig Anlass für Vertrauen. Allerdings war er weit herumgekommen und kannte sich vermutlich sehr gut mit Magie aus, sodass er vielleicht wirklich wüsste, was es mit meinem Noble Phantasm auf sich hatte.

Die andere Option war Cú Chulainn, der jedoch selbst lieber ein Lancer war und außerhalb der Runenmagie vermutlich auch wenig versiert. Ihm allerdings traute ich irgendwie eher zu, mir zu helfen ohne dabei nur noch mehr Rätsel auf den Tisch zu legen. Denn genau das nahm ich in Merlins Fall an. Der Magier der Blumen würde mir doch noch ins Gesicht lächeln, wenn er mir ein Rätsel an die Hand gab, dessen Lösung mir bei meinem Problem helfen könnte.

Als ich aus den Augenwinkeln Elisabeth bemerkte, die trotz der frühen Stunde durch die Wohnung wanderte, schlug ich mein Buch kurzentschlossen zu und musterte meinen Master verwirrt. Sie wirkte so anders! Völlig verändert und das über Nacht. Beinahe, als wäre sie eine völlig andere Person. Die Art, wie sie sich bewegte und mich schließlich ansah, passten so gar nicht zu der fröhlichen Dreizehnjährigen, die ich kennen gelernt hatte. Jetzt wirkte sie eher düster und erhaben, beinahe wie eine Königin, die ihren Thronsaal entlang schritt, während sie einen besonders lästigen Bittsteller anhörte. "Master?", sprach ich sie vorsichtig an und erntete ein finsteres Lächeln, wenn man die boshaft anmutende Fratze, die sie zog, so nennen wollte. Mir lief es eiskalt den Rücken herunter. Wer auch immer das war, es war eindeutig nicht die kleine Elisabeth. Daran konnte kein Zweifel bestehen. War sie von einem Geist besessen und ging das im Fate-Universum überhaupt? Vielleicht war dieser Zustand Folge eines Noble Phantasms eines anderen Casters?

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