Ambrose leerte sein zehntes Glas Champagner und stellte es auf den Tisch neben sich. Das Abendessen war vorbei und ihm war leicht schwindlig vom Alkohol. Er sah zu Ella hinüber, die nahe beim Adligen stand, den sie bewachen mussten. Die Musik war mittlerweile lauter geworden, die meisten Leute tanzten. Keavan wirbelte Tai herum, der Adlige, den Ella und Ambrose bewachen mussten, griff nun ebenfalls nach der Hand einer Frau.
Ambrose ging er zu Ella hinüber. Zögerte. „Willst du tanzen?", fragte er dann.
Ihr Blick traf seinen. „Meinetwegen", sagte sie mit emotionsloser Stimme. „Du hast recht, wir sollten in der Nähe des Adligen bleiben."
Ambrose hätte gerne gesagt, dass das nicht der Grund war, warum er mit ihr tanzen wollte, aber sie hätte ihm wahrscheinlich nicht geglaubt. Also griff er nur nach ihrer Hand, verschränkte seine Finger mit ihren und zog sie auf die Tanzfläche.
Ambrose hatte nie wirklich tanzen gelernt, aber Keavan hatte ihm vor dem Ball in ihrem Zimmer ein paar Schritte beigebracht. Nun legte Ambrose die Hand auf Ellas Rücken, sie ihre auf seinen Oberarm. Er wusste nicht, welchen Takt das langsame Lied hatte, das spielte, aber sie übernahm es für ihn, machte die ersten Schritte, wobei sie seinem Blick die ganze Zeit auswich und nur seine Schulter ansah. Ambrose folgte ihren Schritten vorsichtig, konzentrierte sich so sehr darauf, keinen Fehler zu machen, dass er den Adligen beinahe vergaß.
„Warum bist du gestern weggelaufen?", fragte Ella.
Ambrose musterte ihr Gesicht von der Seite. Sie sah wunderschön aus heute und das machte alles noch schwieriger. Er wollte ihre Frage beantworten. Wollte sie nicht verletzen. Nicht noch mehr, als er sie wahrscheinlich bereits verletzt hatte.
„Auf dem Dach. Warum bist du weggelaufen?", fragte sie erneut.
„Müssen wir das jetzt diskutieren?", fragte er.
„Ja. Nachher findest du wieder Wege, vor mir zu fliehen. Ich will nur eine Antwort, Ambrose."
„Ich bin weggelaufen, weil das zwischen uns nichts sein kann." Es war die Wahrheit, obwohl er sich damit selbst noch mehr verletzte als Ella. Sich selbst die Kehle aufschlitzte und sich verbluten ließ.
„Wegen dem Wettbewerb? Oder wegen mir?" Ellas Stimme war unsicher, brüchig.
Ambrose zog Ella näher zu sich, um ihr ins Ohr flüstern zu können. „Wegen nichts von beidem. Weil ich ein Monster bin. Weil ich dich verletzen, vielleicht sogar töten würde. Und glaub mir, ich wollte dich küssen. Ich will es immer noch. Aber es ist einfacher, wenn wir es jetzt beenden."
„Du bist kein Monster, Ambrose", flüsterte Ella zurück.
„Das weißt du nicht. Du kennst mich kaum. Du weißt nicht, wozu ich fähig bin."
„Wozu bist du denn fähig?"
„Weißt du, von wo die Narben stammen?"
„Von einem Kampf mit einem Werwolf, hast du gesagt."
„Bei den Rebellen." Er sah sich nach Kameras um, aber sie waren in der Mitte der Menge und wahrscheinlich kaum sichtbar, geschweige denn hörbar. „Es war ein Trainingskampf. Der andere Werwolf hat es nicht überlebt. Hast du jetzt Angst vor mir?"
„Nein", sagte Ella. „Ich habe viel mehr Angst vor mir selbst."
„Warum?"
Er zog die Augenbrauen hoch. „Echt jetzt?"
Ella öffnete den Mund, aber in diesem Moment zerfetzte ein Schuss die Luft. Ein Adliger auf der anderen Seite des Raums ging zu Boden, ein Mann im Anzug stürmte aus dem Raum, verfolgt von vier Wächtern. Ambrose zog Ella näher zum Adligen heran. Die Leute waren zurückgewichen, nur Tai und Keavan standen dicht neben ihm. Tai starrte den Adligen an, Blut tränkte den Saum ihres Kleides.
„Ich habe versucht, ihn wegzustoßen, aber sie stand näher an ihm!", rief Keavan.
„Es ging alles so schnell! Ich hatte keine Zeit, etwas zu machen!" Tais Stimme brach.
„Was ist passiert?", fragte Ella.
„Jemand hat auf den Adligen gestoßen. Ich dachte, Tai wirft sich zwischen ihn und die Kugel, aber sie hat es nicht getan!", sagte Keavan.
Tai warf die Hände in die Luft. „Weil ich dann gestorben wäre!"
Zwei Wächter packten Tai an den Armen. „Wir haben uns das Videomaterial angesehen. Es war Ihre Aufgabe, sich zwischen die Kugel und den Adligen zu werfen. Sie scheiden hiermit aus dem Wettbewerb aus", sagte einer.
„Nein!", rief Tai. „Sie müssen verstehen, es ging alles so schnell!"
„Wenn es Ihnen zu schnell ging, sind Sie keine geeignete Wächterin", sagte einer der beiden Wächter. „Fürst Xzavier ist jetzt tot, wegen Ihnen."
„Das wollte ich nicht!" Tais Stimme überschlug sich. Es half alles nichts. Sie wurde von den Wächtern aus dem Ballsaal gezerrt.
„Tai, nein!", rief Ella, aber sie konnte nichts ändern. Von einer Sekunde auf die andere war Tai aus dem Wettbewerb ausgeschieden. Und das nur, weil sie hatte überleben wollen.
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Ein Thron aus Eis und Asche
FantasyEine Schönheitskönigin mit einem vernarbten Rücken. Ein Werwolf, der gegen die Krone rebelliert. Eine Straßenkämpferin, die ihre Freundin retten will. Ein Assassine, der Menschen zu Asche verwandeln kann. Sie alle treten im Bewerbungsverfahren für d...