19 | Elawa Aikaterini Foxwish

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Am Nachmittag stand ein Schwertkampf an. Unter anderen Umständen wäre der Mann, dem ich zugeteilt wurde, ein leichter Gegner gewesen, mit verhältnismäßig schmalen Schultern und nur wenig größer als ich. Nur ein paar Schwerthiebe und ich hätte ihn ausschalten können. Ich hätte mich nur konzentrieren müssen.

Nicht die Kontrolle verlieren.

Aber meine Gedanken verhedderten sich ineinander, hingen an Lizzys Tod fest. An der Frage, ob sie recht gehabt hatte mit ihren Worten. Ob ich beim Intelligenztest gewonnen hatte, weil ich nicht intelligent genug war. Und an ihrem Blut auf den polierten Fliesen des Esssaals. An ihrem Leben, das einfach so beendet worden war, innerhalb von Bruchteilen von Sekunden, weil sie etwas Falsches gesagt hatte. Weil sie nicht hatte ausscheiden wollen. Ich hatte Lizzys Grund, am Wettbewerb teilzunehmen, nie erfahren. Vielleicht hatte sie für ähnliche Dinge gekämpft wie ich, für Menschen, die ihr etwas bedeuteten. Und selbst wenn nicht, hatte sie es nicht verdient gehabt, zu sterben.

Aber ich sollte nicht darüber nachdenken.

Nicht die Kontrolle verlieren.

Ich fixierte den Mann mir gegenüber. Er war unscheinbar, ich glaubte nicht einmal, dass ich seinen Namen schon einmal gehört hatte. Metall klirrte auf Metall, Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn. Er kämpfte nicht schlecht, routiniert, aber ich war besser. Ich wusste, dass ich besser war. Besser gewesen wäre.

Ich schrie überrascht auf, als sein Schwert mir die Haut am Arm aufriss. Blut rann mir den Arm hinunter.

Ich schwang mein Schwert, verfehlte den Mann. Schnappte panisch nach Luft. Duckte mich, wich aus, aber zu spät. Sein nächster Hieb erwischte meine Wange, warmes Blut vermischte sich mit kaltem Schweiß.

Frustriert holte ich mit dem Schwert aus, während ich mir die andere Hand auf die Wange presste. Ich roch nur noch Blut, wusste nicht, ob es mein eigenes war oder das der Leute, die neben uns kämpften. Der Schmerz erlaubte es mir, für einen kurzen Moment klar zu denken.

Mein nächster Hieb traf sein Ziel. Meine Klinge bohrte sich in das Bein meines Gegners, ohne Rücksicht auf Verluste. Mit einem Aufschrei ging der Mann zu Boden. Ich zog mein Schwert hinaus, stach erneut zu. Und erneut. Als wäre mein Gegner derjenige, an dem ich mich rächen musste.

Erst als ein Wächter zu uns hinübersah, ließ ich mein Schwert fallen. Meine Schmerzen spürte ich erst wieder, als ich aus dem Ring stolperte und Ambrose mir einen besorgten Blick zuwarf. „Das sieht ziemlich schlimm aus", kommentierte er. Er selbst war bereits fertig mit seinem Kampf und hatte nur einige kleinen Schrammen davongetragen.

„Geht schon", erwiderte ich mit zusammengebissenen Zähnen, während ich versuchte, mich zu entscheiden, was mehr brannte, meine Wange oder mein Arm.

„Komm mit", sagte Ambrose.

„Warum?"

„Ich muss mich für den Test revanchieren."

„Du schuldest mir nichts."

„Doch." Ohne Widerspruch zuzulassen, nahm Ambrose meine Hand und zog mich in Richtung Palast. „Ich schulde dir mein Leben. Und es ist das Mindeste, was ich tun kann, dir dabei zu helfen, nicht mehr den Boden vollzubluten."

Ambrose schloss die Zimmertür hinter uns und ich fühlte mich sofort erschlagen vom Chaos, das im Zimmer herrschte. Zwar war nur noch die Hälfte der acht Betten belegt, aber überall lagen Kleidung und Krümel herum. Ich bahnte mir einen Weg zwischen Unterwäsche und Shampooflaschen hindurch und folgte Ambrose uns Bad.

„Was ist los?", fragte er, während der Desinfektionsmittel und Wattepads aus dem Badezimmerschrank holte und eines der Pads mit der klaren Flüssigkeit tränkte. „Mich hast du doch locker besiegt. War er wirklich besser als ich?"

„Locker besiegt ist eine Übertreibung", erwiderte ich. „Keine Ahnung. Ich schätze, ich war abgelenkt."

„Wegen Lizzy?"

Ich biss die Zähne zusammen, als Ambrose das Wattepad auf meine Wange presste. „Ja", gab ich zu. „Sie hat mir mehr bedeutet, als sie sollte."

„Sich immer von Leuten zu distanzieren, ist nur möglich, wenn man in Isolation lebt", sagte Ambrose.

„Vielleicht", erwiderte ich, überrascht, solche Worte von Ambrose zu hören. Ich hatte ihn für jemanden gehalten, der niemanden sich heranließ und dem das leicht fiel. Einen einsamen Wolf, passend zu dem Tattoo auf seinem Rücken. Außer ...

„Stehen die drei Vollmonde für drei Leute, die dir etwas bedeuten?", fragte ich, in der Erwartung, dass er mich für diese Frage aus dem Zimmer werfen würde. Aber ich wollte es wissen. Dieser Mann war wie ein Test, den ich nicht bestehen konnte, ein Puzzle, bei dem etliche Teile fehlten. Ein Rätsel, das ich unbedingt lösen wollte.

Zu meiner Überraschung machte er damit weiter, das Blut von meiner Wange und meinem Hals zu putzen. Jedes Mal, wenn seine Finger versehentlich meine Haut streiften, bildete sich Gänsehaut auf meinen Armen.

„Nein", sagte er, als ich meine Frage bereits fast wieder vergessen hatte. Beiläufige Bitterkeit schwang in seiner Stimme mit. „Sie stehen für drei Fehler, die ich gemacht habe."

Ich starrte die Wattepads im Waschbecken an, wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte. Kurz schwiegen wir, Ambrose widmete sich meinem Arm, aber ich spürte das Brennen des Desinfektionsmittels auf meiner Haut kaum, weil ich zu beschäftigt damit war, darüber nachzudenken, was seine Worte bedeuteten. Ein Puzzleteil, aber eines, von dem ich keine Ahnung hatte, wo es hingehörte.

„Dein T-Shirt ist blutig", brach Ambrose irgendwann die Stille. „Willst du eines von mir?"

Ich sah an mir herunter. Er hatte recht. Die linke Seite meines T-Shirts klebte an meinem Körper, getränkt mit halb getrocknetem Blut. „Nein, danke", sagte ich trotzdem. Ich wollte Ambrose' Hilfe nicht noch mehr in Anspruch nehmen. Ich verstand noch immer nicht, warum genau er mich überhaupt gebeten hatte, hierherzukommen.

„Ich gehe dann mal", sagte ich, bevor sich das Schweigen noch weiter in die Länge ziehen konnte. „Danke für deine Hilfe. Auch wenn ich nicht ganz verstehe, warum du mir geholfen hast. Ich bin eine Fremde."

„Eben, weil du mir beim Test geholfen hast." Ambrose betrachtete das frische Blut, das wider meinen Arm hinunterlief, und öffnete das Badezimmerschränkchen, wahrscheinlich, um nach Verbandsmaterial zu suchen. Er fand keines, nur Pflaster, die er unbeholfen auf meine Haut klebte, um das Gröbste der Blutung zu stoppen.

„Das war keine große Sache", sagte ich. „Sieh es als Entschuldigung für die zu persönlichen Fragen, die ich dir stelle."

„Meine Familie hat einen Ehrenkodex." Ambrose' Stimme war nur noch ein tiefes Knurren. „Wenn jemand etwas für uns tut, stehen wir in der Schuld dieser Person."

Ich konnte mir ein bitteres Lachen nicht verkneifen. „Schön, dass du es dir noch leisten kannst, Ehre zu haben."

„Es ist alles, was ich habe." Ambrose biss sich auf die Unterlippe, sein Blick hielt meinen einen Moment zu lange fest. Gerade lang genug, dass sich meine Lungen nicht mehr mit Luft füllten.

Dann wandte er sich abrupt ab und machte sich am Badezimmerschränkchen zu schaffen.

Ich verließ das Zimmer auf wackligen Beinen.

Ein Thron aus Eis und AscheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt