Tai hielt Riyas Hand, während sie durch die Flure des Unterschlupfs der Rebellen liefen. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass ihre Freundin wirklich hier war. Dass sie am Leben war. Dass sie sie berühren konnte. Im Moment war es fast leer hier, die meisten Leute waren im Palast, seit einer der Rebellenanführer zum König gekrönt worden war. Elawa war nur kurz Königin geblieben, lange genug, um mich, Ambrose und Riya, die sich tatsächlich im Palast befunden und ihr beim Mord am König geholfen hatte, zu befreien. Es war ironisch, wie wenig Elawa Aufmerksamkeit mochte, wenn man bedachte, dass sie als Model gearbeitet hatte.
Tai hatte während der letzten Monate kaum mit ihr gesprochen. Elawa verkroch sich in ihrem Zimmer und versuchte wahrscheinlich, sich von den Ereignissen während des Wettbewerbs zu erholen. Tai hatte es selbst noch nicht wirklich geschafft, sich zu erholen. Zumindest nicht von Keavans Tod. Als sie nach dem Wettbewerb noch einmal in seinem Zimmer gewesen war, hatte sie einen Brief gefunden.
Ella, Ambrose, Tai,
Ich weiß nicht, ob ihr das hier jemals lest. Aber das hier ist ein Abschiedsbrief.
Ich weiß nicht, wie ihr mich je mögen konntet. Ich mag mich ja selbst an den meisten Tagen nicht. Aber ich mag euch. Und deswegen tut es mir leid. Weil ich weiß, dass ich euch mit meinem Tod wahrscheinlich wehtue.
Ella, du bist eine beeindruckende Frau. Die Mauern, die du um dich baust, sind wahrscheinlich höher als die des Palastes, aber im Gegensatz zu mir hast du es geschafft, deine Gefühle nicht aufzugeben, nicht jeden Funken der Emotion in dir zu töten. Manche, vielleicht auch du selbst, mögen das als Schwäche sehen, aber es ist die einzige Art, das Leben zu leben, ohne innerlich bereits tot zu sein. Falls ihr es schafft, dieses Spiel zu gewinnen, hoffe ich, dass du auf dem Thron landest.
Ambrose, ich weiß, dass du dir wegen meines Todes Vorwürfe machst. Wahrscheinlich denkst du, dass du mich hättest aufhalten können. Wenn ja, unterschätzt du sowohl mich als auch meine Sturheit gründlich. Aber ich verstehe, dass das für dich nicht leicht ist. Ich habe bei unserem Gespräch im Palastgarten den Schmerz in deinen Augen gesehen, ein Beweis, dass du nicht das Monster bist, das du zu sein glaubst. Es tut mir leid.
Tai, es tut mir leid, dass ich versucht habe, mit dir zu flirten. Aber die Wahrheit ist, dass ich noch nie eine Frau so sehr geliebt habe wie dich. Auf rein platonische Weise. Ich hoffe, du und Riya werdet glücklich bis an den Rest eures Lebens.
Keavan
Tai und Riya holten sich jeweils zwei Tabletts bei der Essensausgabe, dann klopften sie an Elawas Zimmertür. „Essen ist da!", rief sie und versuchte, positiv zu klingen.
Ambrose öffnete. Schlang einen Arm um die Taille von Elawa, die neben ihm stand. Sie sah wirklich ein wenig besser aus. Weniger blass als das letzte Mal, das Tai sie gesehen hatte.
Tai und Riya setzten sich zu Elawa und Ambrose ins Zimmer. Sie redeten nicht viel, zumindest nicht über den Wettbewerb. Sie redeten nie über den Wettbewerb. Aber wenn sie ihren Freunden gegenüber und dicht neben Riya saß, war Tai glücklich. Vielleicht blieb sie es sogar für den Rest ihres Lebens.
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Ein Thron aus Eis und Asche
FantasyEine Schönheitskönigin mit einem vernarbten Rücken. Ein Werwolf, der gegen die Krone rebelliert. Eine Straßenkämpferin, die ihre Freundin retten will. Ein Assassine, der Menschen zu Asche verwandeln kann. Sie alle treten im Bewerbungsverfahren für d...