42. Kapitel

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„Hast du gesoffen?" – „Zumindest fühle ich mich so", antworte ich mit rauer Stimme und reibe mir über die Augen. Hier in der Halle ist es viel zu hell. Mein Schädel brummt und ich spüre, dass ich tiefe Augenringe habe. Zayn mustert mich. „Was?" – „War das Date gut?", möchte er wissen. In diesem Moment räuspert sich hinter uns jemand. Ich zucke zusammen. Es ist Harry, er muss gerade ebenfalls angekommen sein. Ich stehe mit Zayn noch in der Eingangshalle, ich hätte ahnen können, dass er hier gleich auftauchen wird. „Ja... äh..." – „Zumindest siehst du aus, als hättest du nicht viel geschlafen", wirft Liam ein, kurz nach Harry angekommen ist. „Habe ich nicht", antworte ich knapp. Das ist keine Lüge, ich habe so gut wie gar nicht geschlafen.

Harry geht mit schnellen Schritten an uns vorbei. Lucas ist immer noch krank, also muss er weiterhin seine Aufgaben übernehmen. Zumindest schlussfolgere ich das daraus, dass Lucas nicht hier ist, Harry aber schon. Ian ist bereits in der Umkleide, als ich dort ankomme. „Guten Morgen." – „Hi", antworte ich und frage mich, wie viel Oliver ihm wohl von gestern erzählt hat. Ich bin ziemlich sicher, dass es das schlimmste Date war, das er je hatte. Wie sollte es das auch nicht gewesen sein? Es hat schließlich damit geendet, dass ich mich übergeben habe, und geheult. Und das mein bester Freund mich abholen musste. Herr Gott, ich wünschte, wir wären gestern wo anders langgelaufen.

Natürlich kommt Ian auf mich zu. „Du bist müde, aber du siehst nicht so aus, als hättest du gestern Nacht guten Sex gehabt." – „Vielleicht ist Oliver nur schlecht im Bett", wirft Liam ein. Kenny sieht mich fragend an. Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich hatte keinen Sex." Ian sieht mich fragend an. Er merkt, dass irgendetwas nicht stimmt. Vielleicht hat Oliver ihm doch erzählt, was passiert ist. Vielleicht hat Neo ihm aber auch geschrieben, dass ich gestern Nacht seit langem mal wieder eine Panikattacke hatte.

Im Flur fängt Ian mich ab. „Was ist?" – „Du weißt, dass ich Oliver einfach fragen kann, was passiert ist?" – „Mach doch", antworte ich schulterzuckend. „Du siehst aus, als wäre es die absolute Katastrophe gewesen. Habt ihr euch nicht gut verstanden?" – „Doch, aber... es lief nicht gut. Es war nicht seine Schuld. Oliver ist ein toller Kerl", weiche ich aus, aber natürlich bemerkt Ian es. Wie sollte er auch nicht? Er hat oft genug mitbekommen, wenn ich Panikattacken hatte.

Ich bleibe stehen und warte, bis der Rest des Teams an uns vorbeigelaufen ist. „Also? So schlimm, ja?" – „Harry war dort." Perplex sieht Ian mich an. „Was? In dem Restaurant?" Ich schüttle den Kopf. „Nein, nicht dort. Wir sind ein Stück gelaufen und... ich habe nicht damit gerechnet ihn zu sehen", erzähle ich. „Er stand vor einem Hotel, er meinte, er wohnt da, weil er kein Zuhause mehr in Tampa hat." – „Da ist er selbst schuld", wirft Ian ein. „Er hat mich mit Oliver gesehen und wir haben uns kurz unterhalten, aber –" Ich bin nicht sicher, wie ich es formulieren soll, aber Ians Blick zu urteilen, hat er es längst verstanden.

„Scheiße." – „Neo hat mich abgeholt. Es war ein Desaster." Ian schweigt einen Moment. „Ich weiß, dass Oliver heute zum Spiel kommt, er hat es mir erzählt", sage ich dann unsicher. „Ich habe ihm nicht erklärt, wer Harry ist. Ich habe gesagt, er sei Lightnings PR-Manager." – „Das ist nicht gelogen." – „Mhm, aber das erklärt nicht, warum ich plötzlich auf der Straße gekotzt habe." – „Guter Punkt. Wir überlegen uns bis heute Abend etwas. Willst du denn noch einmal mit ihm ausgehen?" – „Solange es kein Sushi-Restaurant ist." Ian fängt an zu lachen. „Lass mich raten, du magst kein Sushi." – „Absolut nicht."

„Kannst du heute Spielen?" – „Mir geht es gut, Coach." Drew sich mich skeptisch an, als Ian und ich zu den anderen kommen und das Training beginnt. „Wehe, du lügst mich an." – „Mir geht es gut. Ich bin nicht verkatert, ich habe nur gut geschlafen", bekräftige ich erneut und Drew nickt. „Gut. Dann fangt an. Wir laufen uns warm. Harry steht an der Seite und ich spüre seinen Blick auf mir. Er brennt sich in meine Haut und lässt meinen ganzen Körper erschaudern. Ich muss mich konzentrieren, nicht über meine eigenen Füße zu stolpern. Nicht schon wieder. Diese Erniedrigung bleibt mir zum Glück erspart, als meine Muskeln endlich warm sind und Drew die erste Übung ankündigt. Inzwischen sitzt Harry an der Seite und schaut konzentriert auf seinen Laptop. Soll mir recht sein, so starrt er mich wenigstens nicht die ganze Zeit an.

Erst in der Pause ist das wieder der Fall. Bevor ich mich zu den anderen setzen kann, kommt er auf mich zu, packt mich am Arm und zieht mich mit sich. „Was soll das?!", frage ich laut, aber das interessiert ihn nicht. Er zieht mich mit sich in einen der Flure. „Lass mich los, verdammt!", verlange ist, aber das tut er erst, als wir um eine Ecke gegangen sind. „Geht's noch?!", frage ich aufgebracht du verschränke die Arme vor der Brust. Harry verdreht nicht einmal die Augen. „Oliver kommt heute Abend her?" – „Woher weißt du das schon wieder?", will ich wissen. „Das geht dich doch überhaupt nichts an!" – „Im System steht, dass Ian einige Karten reserviert hat, ich habe eins und eins zusammengezählt." – „Toll, Sherlock. Ja, er kommt her", entgegne ich angepisst. Harry spannt sich an. „Hast du ihm erzählt, dass du verheiratet bist?", möchte er dann wissen. Ich gehe einen Schritt zurück, kann meinen Blick aber nicht Harrys entziehen.

„Nein", zwinge ich mich zu antworten und versuche zu ignorieren, dass mir die Antwort nicht so leicht gefallen ist, wie ich erwartet hatte. „Du solltest es ihm sagen." – „Was geht dich das an?" – „Ich bin dein Ehemann, es geht mich definitiv etwas an, wenn du jemanden datest. Außerdem ist es ihm gegenüber nicht fair. Er denkt, du wärst Single." – „Ich bin Single." – „Er denkt, du wärst nicht verheiratet", korrigiert er. Ich hole tief Luft und spüre, wie mein Herz angefangen hat, schneller zu schlagen. „Nicht mehr lange." – „Noch bist du mit mir verheiratet." – „Das hast du schon gesagt. Was möchtest du von mir? Ich muss zu meinem Team zurück." – „Wenn du es ihm nicht sagst, werde ich das tun." – „Bitte? Du hast sie doch nicht mehr alle!" Ich schüttle den Kopf. „Vergiss es, Harry, das wirst du nicht tun." – „Wie willst du mich davon abhalten?" – „Du bist ein Arschloch." Harry antwortet einen kurzen Moment nicht.

Dann aber wiederholt er: „Trotzdem ist es ihm gegenüber nicht fair, es ihm zu verheimlichen." – „Das ist mein Problem, nicht deins." Was soll das hier? Das ist absolut lächerlich, was gerade passiert. „Ich habe gesehen, wie du heute Morgen aussahst." – „Und? Hast du jetzt Mitleid, weil ich doch keinen Sex letzte Nacht hatte? Vielleicht klappt es ja diese Nacht." Harry zuckt zusammen und mein Herz reagiert sofort darauf. Nein, das kann mir egal sein. „Was ist gestern Nacht gesehen?" – „Das geht dich nichts an. Mir geht es gut, ich bin fit und ich war pünktlich. Das ist es doch, was du gestern von mir verlangt hast. Also lass mich in Ruhe, ich will dieses Spiel heute gewinnen." – „Also gehst du noch einmal mit ihm aus?" Ich zucke mit den Schultern und ohne darüber nachzudenken, antworte ich: „Vielleicht nehme ich Oliver nach dem Spiel mit nach Hause. Du weißt, wie gut ich im Bett bin, wenn wir ein Spiel gewonnen haben, das sollte er nicht verpassen." Harry möchte antworten, aber er bleibt stumm. Er geht einen Schritt rückwärts und nickt leicht. Mein Blick fällt auf seinen Mund. Er beißt sich auf die Unterlippe, sie zittert. „Viel Erfolg." Er geht noch einen Schritt rückwärts und mein Herz brennt wie Zunder. Es tut höllisch weh.

„Harry –" – „Schon verstanden. Geh zurück zum Team." Mit diesen Worten dreht er sich auf dem Absatz um und läuft mit schnellen Schritten durch den Flur. Kurz bevor er durch die Tür ins Foyer tritt, wischt er sich über die Augen und durch den Hall der großen Eingangshalle höre ich zu gut, wie er nach Luft schnappt und aufschluchzt. Fuck. Ich sollte nicht hinhören. Die Tür zum Foyer fällt zu und es ist still im Flur.

„Louis?" – „Mhm?" – „Was machst du hier? Wo ist Harry." – „Gegangen", antworte ich monoton. Zayn bleibt neben mir stehen und blickt mich an. „Alter. Du bist so blass wie die Wand. Was ist passiert?", fragt er sofort. Ich zucke mit den Schultern. „Wir haben geredet." – „Über Oliver?" – „Mhm." – „Und?" – „Er hat geweint", sage ich knapp und meine Knie zittern. Ich sollte nicht so darauf reagieren. Mir sollte es gut gehen. Wieso kümmert es mich überhaupt? „Soll ich fragen?", möchte Zayn zögerlich wissen. Ich zucke mit den Schultern. „Ich habe ihm gesagt, dass ich Oliver nachher mit zu mir nehme...keine Ahnung. Es hat sich hochgeschaukelt." Ich spreche es nicht aus, aber ich weiß, dass ich dieses Mal zu weit gegangen bin. Ich werde Oliver heute nicht mit zu mir nehmen, ich werde nicht mit ihm schlafen. Das habe ich nur seinetwegen gesagt.

„Komm mit. Du musst etwas trinken und etwas essen. Wenn du so aussiehst, nimmt Drew dich definitiv aus der ersten Reihe." Zayn bringt mich in die Umkleide und drückt mir eine Banane und eine Flasche Wasser in die Hand. „Iss das." Ian kommt dazu. Ich sehe starr gerade aus und habe das Gefühl, zwischen mir du ihnen ist eine Wand aus Watte. Alles ist dumpf.

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Louis geht es nach wie vor nicht gut. Meint ihr, Harry wird Oliver wirklich etwas sagen? 

Love, L

Lightning's HattrickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt