49. Kapitel

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„Louis, steh auf." – „Lass mich in Ruhe." – „Beweg deinen Arsch aus dem Bett." – „Fick dich, Neo", antworte ich und ziehe die Decke höher. „Du musst zum Training. Los jetzt." – „Verpiss dich. Du musst doch Rick abholen." – „Ich bin schon hier", höre ich diesen sagen und stöhne genervt. „Du hast gestern schon den ganzen Tag im Bett verbracht. Steh auf." Wieso kann Neo nicht einfach mal seine Klappe halten? Natürlich tut er das nicht. Stattdessen zieht er mir die Decke weg. „Du Arschloch! Ich hätte nackt sein können." – „Interessiert weder mich noch Rick." Ich verdrehe die Augen und erschaudere. Es ist so verdammt kalt ohne Decke. „Los jetzt. Wir warten uns zum Frühstück." Endlich verlassen die beiden mein Schlafzimmer. Wurde ja auch Zeit.

Ich rapple mich auf und verziehe mich unter die Dusche. Heute vormittags ist wieder Training, heute Abend geht es zum Flughafen. Das nächste Auswärtsspiel steht an. Gestern hatten wir Spieler frei. Das war dringend nötig; ich habe den halben Tag geschlafen. Das könnte aber auch an den beiden Nächten davor gelegen haben. Ich schüttle den Gedanken ab und beeile mich, wieder aus der Dusche zu kommen. Je länger ich her stehe, desto lauter und unkontrollierbarer werden meine Gedanken. Es ist schlimm genug, dass Harry mich überhaupt in diesem Zustand gesehen hat, ich will so wenig wie möglich daran denken müssen.

„Wann bist du ankommen?", frage ich Rick, als ich mich zu den beiden an den gedeckten Frühstückstisch setze. „Gestern schon, aber du bist den ganzen Tag nicht aus deinem Schlafzimmer gekommen." – „Mhm." Neo seufzt. „Du willst immer noch nicht erzählen, was passiert ist, oder?" „Hab zu viel getrunken", entgegne ich knapp und trinke einen Schluck meines Tees, den Neo bereits gekocht hat. Rick sagt dazu nichts, aber ich sehe ihm an, dass auch er mir nicht glaubt. Ohne es zu merken, habe ich angefangen, an meinem Ring zu drehen. Ich bekomme es erst mit, als mein Daumen das Siegel streift und ich daran erinnert werde, dass es nicht mein Ehering ist, der meine Hand schmückt. Ich bekomme es immer mit, aber manchmal schaffe ich es, meine Gedanken woanders hinzulenken.

Mein Körper spannt sich an und mein Blick fällt auf das L im Siegel. Sofort stelle ich mir vor, wie es wohl aussieht, wenn an dieser Stelle ein H prangen würde. Ich erschaudere; nein, das tut mir nicht gut. Neo sieht mich wissend an. Ich stehe auf. „Ich muss zum Training", sage ich nur knapp und beeile mich, aus dem Haus zu kommen. Ich möchte den beiden nicht sagen, was passiert ist. Am liebsten würde ich es einfach vergessen. Ich schnappe mir mein Rad und mache mich auf den Weg zum Trainingscenter.

„Du bist früh", stellt Drew verwundert fest. Ich nicke nur und gehe zur Umkleide. Ich war tatsächlich recht schnell. Aber das ist gut so, ich muss mich aufs Training konzentrieren. Es klappt. Einigermaßen zumindest. Solange, bis ich Harry an der Seite stehen sehe. Er lehnt mit dem Rücken an der Bande. Was soll das? Muss er nicht arbeiten? „Er hat Pause. Schau auf die Uhr", sagt Ian plötzlich. „Das bedeutet nicht, dass er herkommen muss." – „Du weißt, warum er hier ist." Ich nicke stoisch. Nachher ist der Termin mit unseren Anwälten. Wir haben es zeitlich nicht anders geschafft, er wird hier in einem Besprechungsraum stattfinden. Ich sehe ihn wieder an. Er wirkt nicht gestresst, nicht einmal angespannt. Er scheint ziemlich locker zu sein. Mir geht es ganz anders. Seit heute Morgen drehen meine Gedanken sich um nichts anderes – und darum, dass Harry mich mitten in der Nacht nach Hause gebracht hat. Nach Hause. In mein Haus.

„Los, aufs Eis!", kündigt Drew an. Wir ziehen uns um und spätestens, als ich etwas später die Fläche betreten, hätte Harry wieder in seine Büro sein sollen. Er ist immer noch hier. Ich seufze und schüttle den Kopf. Nein, nicht ablenken lassen. Sein Blick bohrt sich wie Messer in meinen Rücken. Die ganze Zeit über beobachtet er mich. Ich gebe meine Konzentration nicht auf. „Bullies. Zayn, Ian, ihr fangt an." Die beiden stellen sich um einen der Kreise auf dem Eis und Liam lässt den Puck fallen. Zayn gewinnt das Bully. „Nochmal!", fordert Ian energisch. Wieder gewinnt Zayn. Grinsend sieht er unseren Kollegen an. „Das musst du wohl noch üben." – „Halt die Klappe." Zayn lacht nur und lässt Kenny zum Bully. Wir wechseln uns ab. Ich gewinne gegen Ian, verliere aber auch gegen Zayn. Dann stehe ich Kenny gegenüber. Unser Captain sieht mich herausfordernd an. Ich werde dieses Bully gewinnen.

Mein Griff um den Schläger wird fester und Liam lässt den Puck fallen. Kenny gewinnt. „Wiederholung!", fordere ich. Kenny zuckt mit den Schultern. „Von mir aus." Liam nimmt den Puck zurück. Kurz bevor er die Scheibe wieder fallen lässt, kratze ich mich. Ich denke nicht darüber nach, bis ich hinter Kenny Harry sehe. Ich habe mich am Ohrläppchen gekratzt. Er blinzelt ein paar Mal. Ich bekomme nicht mit, wie Liam den Puck fallen lässt, auch nicht, wie Kenny ihn schnappt. Ich stehe regungslos da und blicke Harry an. Fuck. Er steht mehrere Meter weit weg. Ich sollte es nicht hören, vielleicht bilde ich es mir auch nur ein, aber er schnappt nach Luft. Vielleicht spielt mir mein Gehirn einen Streich, weil ich es sehe. Schnell wischt er sich über die Wange. Verdammte Scheiße!

„Tomlinson!" Ich zucke zusammen. Kenny sieht mich fragend an. „Was war das denn?" – „Sorry, Captain." – „Nicht sorry. Was war das?" – „Ähm... schwer zu erklären", stottere ich. „Er hat sein Ohrläppchen berührt", sagt Ian plötzlich. „Er hat sich gekratzt, wahrscheinlich ohne darüber nachzudenken", erklärt er und ich schließe die Augen. Wieso habe ich nicht darauf geachtet. „Und Harry steht hinter dir", fügt er hinzu. Kenny seufzt. „Ihr müsst das ganz dringend klären. Das darf bei einem Spiel nicht passieren." – „Das darf auch beim Training nicht passieren", antworte ich entschlossen, schiele aber dennoch erneut zu Harry. Er ist nicht mehr da, er ist gegangen.

„Harry!" – „Du solltest dich vor dem Termin umziehen", antwortet er nur. Meine Teamkollegen sind schon auf dem Weg zur Kabine. „Das gerade... äh... das war nicht so gemeint, also... äh... ich habe mir nur gekratzt, das hat nichts bedeutet." Super, das war ja unglaublich selbstbewusst. Harry schweigt. „Ich weiß, was das früher bedeutet hat, aber du weißt doch, dass ich es nie so meinen würde." Er presst daraufhin die Lippen zusammen. Seine Wangen sind rot, seine Augen auch. Seine Lippen sind trocken und spröde. „Ich weiß, dass du es nicht so gemeint hast", sagt er plötzlich. „Dann ist ja gut." Er nickt leicht und sieht zur Seite. Er blinzelt ein paar Mal. Ich kann meinen Blick nicht abwenden, auch wenn ich es sollte. Außerdem sollte ich mich umziehen gehen. Und duschen. Ich möchte mich nicht verschwitzt mit Ms Moore, Mr West und Harry zusammensetzen.

Er zögert. „Was möchtest du sagen?", frage ich ihn unüberlegt. Er schüttelt den Kopf. „Das werde ich gleich tun, hier ist nicht der richtige Ort dafür. „Aber mit deinem Anwalt?", frage ich skeptisch. „Na super." Er schüttelt den Kopf. „Es geht nicht um Geld oder so." – „Das wäre ja auch noch schöner." – „Es... ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, dieses Gespräch jetzt anzufangen. Wir sollten jetzt nicht diskutieren oder streiten. Diesen Termin gleich haben wir nicht umsonst." – „Das klingt, als hättest du dich darauf vorbereitet." – „Hast du das nicht getan?", fragt er und scheint überrascht zu sein. Ich zucke mit den Schultern. „Ich weiß, was ich will. Da gibt es nicht viel zu besprechen." – „Ein paar Unterschriften und das wars." – „Ziemlich genau das", nicke ich und versuche, dieses wieder stärker werdende, brennende Gefühl zu ignorieren, das sich wieder in meinem Brust ausbreitet.

„Bis gleich", sage ich daher nur schnell und Eile zurück in die Kabine. Meine Fresse, war das unangenehm! Ich springe unter die heiße Dusche und genieße den Moment der Ruhe, bevor es gleich los geht. „Bist du soweit?", fragt Kenny mich, als ich mein Hemd schließe. Ich nicke. „Sicher. Ist doch nur ein Termin." Kenny schüttelt den Kopf. „Ist es nicht, das weißt du genau." Ich seufze. „Selbst, wenn ich heute die Scheidung unterschreiben sollte... Kenny, das ist es, was ich seit Wochen will und was schon seit Monaten überfällig ist. Verdammt, es wäre wunderbar, wenn Harry nachher nicht mehr Tomlinson sondern endlich wieder Styles heißt! Ich will ihn nicht mehr! Ich hätte für ihn meine Karriere aufgegeben! Ich hätte mein komplettes Leben für ihn verändert und er ist abgehauen! Ich hasse ihn!" Kenny verschränkt die Arme vor der Brust, nickt aber verstehend. Ich lache bitter. „Fuck, am liebsten würde ich die Papiere auf der Stelle unterschreiben!"

„Wir machen in der Zeit Yoga, du weißt, wo du uns findest", sagt Kenny und legt mir eine Hand auf die Schulter. „Danke, Captain", nicke ich, räuspere mich und versuche mit dem Gedanken warm zu werden, bald unverheiratet zu sein. Frei. Ich gehe zum Besprechungsraum, aber bleibe davor stehen. Ich schaffe das. Vielleicht ist es der Tag, auf den ich so lange gewartet habe. Harry scheint schon drin zu sein, jedenfalls ist er nicht hier vor der Tür. Ich schaue auf mein Handy. Ich bin pünktlich. Es ist drei Minuten vor zwei. Ich atme tief ein und wieder aus. Dann straffe ich die Schultern. Na dann, los!

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Louis hat sich ans Ohr gefasst und Harry kurz danach angesehen, was eine Voraussetzung für das Gespräch mit den Anwälten. Wie meint ihr, wird dieses Gespräch?

Love, L

Lightning's HattrickWo Geschichten leben. Entdecke jetzt