Zayn fängt mich auf dem Weg zum Flugzeug ab. Ich seufze. „Mir geht es gut", sage ich nur. Ich weiß, dass ich dankbar dafür sein sollte, so viele Menschen um mich herum zu haben, die sich darum sorgen, wie es mir geht, doch irgendwann ist es zu viel. Mir sitzen die Geschehnisse des Tages in den Knochen. „Bist du dir sicher, dass du das Richtige tust?" - „Wegen Harry?" - „Ich möchte nur nicht, dass es dir wieder so dreckig geht wie vor zwei Jahren." - „Ich weiß, aber... er hat sich entschuldigt." Zum Ende des Satzes hin werde ich leiser. „Vielleicht meint er es wirklich ernst." - „Und wenn nicht?" Ich zucke mit den Schultern. Mein Herz zieht sich sofort zusammen und mir wird kalt. „Genau, Louis, dann wird es noch schlimmer sein als vor zwei Jahren." - „Du weißt nicht, ob das passieren wird." - „Du auch nicht." Zayn seufzt und streicht sich die Haare nach hinten. „Ich sage nur, dass du dir gut überlegen solltest, was du tust. Das soll nicht heißen, dass ich es dir nicht gönnen würde, wieder glücklich zu sein, aber sei einfach vorsichtig, okay? Du hast selbst gesagt, dass du ihn nicht mehr kennst und dass er nicht dein Ehemann ist. Und dass du ihm nicht vertraust." Danke, dass du mich daran erinnerst, Malik.
„Ich weiß. Es ist - seitdem er sich entschuldigt, hast, ist es anders. Außerdem konnte ich diese Papiere nicht unterschreiben, du hast es doch gesehen." - „Mhm." - „Eben. Ich werde ihn nicht sofort bei mir einziehen lassen, aber ich denke, ich werde ihn erklären lassen, wieso er vor zwei Jahren plötzlich verschwunden ist. Ich möchte es wissen, verstehst du? Ich brauche diese Erklärung." - „Gut, aber sei dir sicher, dass wenn er dir wieder weh tut, ihn das ganze Team hochkant rausschmeißen wird." Ich lächle schief und nicke. „Weiß ich doch. Danke." Ich folge dem Team ins Flugzeug. Harry sitzt bereits in einer Reihe am Fester. Ich atme tief ein und wieder aus, ehe ich mich auf den Platz neben ihn fallen lasse. Er dreht seinen Kopf und sieht nun zu mir. Er lächelt ein bisschen und ich bemerke, dass er seine Schultern strafft und gerade hinsetzt.
Ich schnalle mich an und meine Finge streifen dabei seine Hüfte. Er räuspert sich leise und sieht für einen Moment aus dem Fenster. Unschlüssig sehe ich ihn an. Diese Situation ist seltsam. Ich möchte seine Hand nehmen, die Armstütze zwischen und hochklappen und mich an ihn lehnen und gleichzeitig weiß ich nicht einmal, wie ich ein Gespräch starten soll. Die Maschine startet und wir heben an. Wir werden in unsere Sitze gedrückt. Harry sieht aus dem Fenster auf Tampa herunter. Ich sehe ihn an. Ich glaube, er ist einer dieser Männer, deren Aussehen im Alter immer besser wird.
„Du wolltest mit mir noch über diesen Tag reden, du weißt schon, als ich angegriffen wurde", sage ich irgendwann und durchbreche damit die Stille. Harry sieht zu mir. „Ja, uhm... richtig." - „Oder nicht?" - „Doch", antwortet er sofort und befeuchtet seine Lippen. „Uhm... du weißt schließlich nicht mehr alles von diesem Tag." - „Und?" Er fasst sich mit Daumen und Zeigefinger an den Ringfinger der anderen Hand. Dann schließt er kurz die Augen und hält inne. Er trägt die Ringe nicht mehr, der Schmuck ist weg. „Was ist noch passiert, Harry?", frage ich. Er atmet tief ein und wieder aus und lässt seinen Ringfinger los. Stattdessen greift er sein Handy und seine Kopfhörer. „Hier." Er gibt mir einen. Verwundert stecke ich ihn in mein Ohr und sehe ihn fragend an. „Sekunde." Er sucht etwas in seiner Galerie. Schließlich hat er es gefunden. Er klappt den Tisch herunter, der am Sitz vor mir befestigt ist und stellt eine Wasserflasche darauf, um das Handy an diese zu lehnen. Noch sieht man nicht viel. Es ist ein Video, noch nicht gestartet und auf dem ersten Bild erkennt man kaum etwas. Alles ist verschwommen.
„Es war nirgendwo in den Medien", beginnt der Mann zu meiner Rechten. „Ich konnte es verhindern, aber das Video habe ich behalten." - „Was für ein Video." - „Ich denke, es ist einfacher, wenn du es dir ansiehst", antwortet er mir. Zögerlich drücke ich auf Play. Es ist laut, verschiedene Stimmen reden durcheinander. Dann erkenne ich die Eingangshalle eines Krankenhauses. Drew läuft vor. Er spricht mit jemandem am Empfang. Das Team betritt eilig die Halle. Dann kommt Harry durch die Tür. Ich stocke. Was? Ich brauche einen kurzen Moment, um zu verstehen, was ich dort sehe. Ich erkenne mich. Harry hat mich in das Krankenhaus getragen. Das Video ist wackelig und man hört kaum etwas, aber das macht nichts. Ich sehe, dass mein Kopf an Harrys Schulter lehnt. Kraftlos hänge ich in seinen Armen und ich erkenne, dass Blut aus meiner Nase läuft. Harrys Hemd färbt sich rot, aber darauf achtet er überhaupt nicht. Eine Krankenschwester kommt zu uns, dann trägt Harry mich weiter, bis wir durch eine Tür verschwinden. Das Video endet.
„Wer hat das aufgenommen?" - „Irgendein Eishockey-Fan, der die Mannschaft erkannt hat", antwortet Harry mir schulterzuckend. Ich lasse das Video erneut abspielen. Ich wiederhole die Stelle, an der zu sehen ist, wie er mich trägt. „Du..." - „Ich wollte es dir im Krankenhaus sagen", meint er leise, als ich den Satz nicht weiterführe. „Was ist noch passiert?", möchte ich wissen und sehe auf das Standbild, was nun angezeigt wird. Ich in Harrys Armen, voller Blut und mit geschlossenen Augen. Er hält mich fest, als würde er mich nie wieder loslassen wollen. „Du hast mich darum gebeten zu bleiben. Du dachtest, mir wäre etwas zugestoßen, wegen des ganzen Blutes auf meinem Hemd und hast darauf bestanden, dass ich zuerst behandelt werde", erzählt er. „Das weißt du alles nicht mehr." Ich nicke stumm. „Ich... uhm... ich habe dich weggezogen von diesen Typen. Deswegen hatte ich ein Veilchen." - „Sie haben dich auch geschlagen?" - „Ja." - „Weil du mir geholfen hast?" Er nickt wieder. Ich atme tief ein und wieder aus. Fuck.
„Das weiß ich alles nicht mehr." - „Ich wollte nicht, dass du es durch die Medien erfährst." - „Du hast versucht, es mit im Krankenhaus zu sagen." - „Da hatte ich das Video noch nicht. Vielleicht hätte ich es dir sonst damals schon gezeigt." Ich zögere, ehe ich wissen möchte: „Wie lange hast du es schon?" Harry schweigt. „Harry, wie lange?" - „Zwei Tage nach dem Vorfall habe ich davon erfahren und mich darum gekümmert." Ich schließe die Augen. „Zwei Tage danach." -„ Mhm." - „Und du dachtest nicht daran, es mir zu zeigen." - „Doch, ich habe daran gedacht." - „Aber?", will ich wissen. „Dieses Video zeigt mich, nachdem ich angegriffen wurde, meinst du nicht, ich hätte es sehen wollen?" - „Doch Louis, aber hätte ich es dir wortlos schicken sollen?" - „Nein, natürlich nicht, aber -" - „Außerdem musstest du erst wieder gesund werden." Ich verdrehe die Augen und verschränke die Arme vor der Brust. „Bullshit." - „Bullshit? Du hast mir das Video von mir damals auch vorenthalten", entgegnet er. Scheiße. „Nur, weil es dir deutlich schlechter ging als mir." - „Das ist kein Argument, das weißt du genau." - „Das damals war anders!", versuche ich es, aber Harry schüttelt den Kopf. „Wieso das?" - „Damals waren wir noch zusammen!"
Harry blinzelt ein paar Mal. Er presst die Lippen aufeinander. „Damals waren wir noch zusammen", wiederholt er meine Worte. Einige Sekunden ist es still zwischen uns. Ich starte das Video erneut. Ich kann nicht bestreiten, dass es auf dem Video so aussieht, als würde ich ihm vollkommen vertrauen. Mein Verstand war weg, ausgeschaltet. Ich habe ihm vertraut. Anders kann ich mir nicht erklären, dass ich ihn außerdem gebeten habe, bei mir zu bleiben.
„Was sagst du dazu?" Ich sehe zu Harry. „Dazu sagen?" - „Mhm, ja." - „Keine Ahnung." Ich zucke mit einer Schulter. Was soll ich darüber denken? „Ich habe dich damals im Krankenhaus nicht angelogen, Louis." Ja, das ist mir auch gerade klar geworden. „Das bedeutet nicht, dass ich dir plötzlich vertrauen kann." - „Das erwarte ich nicht, kann ich überhaupt nicht. Mir ist lediglich wichtig, dass du weißt, dass ich es nicht getan habe - dich angelogen, meine ich." Ich nicke nachdenklich. Harry nimmt sein Handy wieder an sich und zieht mir vorsichtig den Kopfhörer aus dem Ohr. „Gibt es sonst noch etwas, was ich wissen sollte?" Er schüttelt den Kopf. „Nichts, was ich dir hier im Flugzeug erklären könnte." Mhm. „Außerdem bist du müde." Verwundert sehe ich ihn an. „Dir fallen fast die Augen zu. Außerdem gähnst du immer wieder. Ich kenne diesen Gesichtsausdruck, dein Körper braucht Schlaf." Er hat recht, ich bin müde. Harry zögert einen Moment. Dann klappt er die Armlehne zwischen uns hoch und greift seine Jacke.
„Du muss nicht herkommen, wenn du nicht möchtest, aber... uhm..." Ich seufze. „Ich schlafe dann besser." Er weiß es und ich weiß es. Und wir wissen beide, dass der jeweils andere es weiß. Wieso sollte ich es also nicht aussprechen? „Du musst nicht", wiederholt er. „Schon klar." Ich gähne schon wieder. Dann rutsche ich ein Stück zu ihm. Unschlüssig sieht er mich an. Dann hebt er seinen linken Arm. Es ist keine Aufforderung, es ist ein Angebot. Ich werde nervös. Ob das so gut ist, was ich hier tue? Es ist seltsam, als ich mich an ihn lehne und er seinen Arm um meine Schultern legt. Es ist sowohl ungewohnt und fremd, als auch vertraut und gemütlich. Harry legt seine Jacke über meine Beine und zieht mich vorsichtig näher. „Okay?" - „Ich denke schon", antworte ich ihm und schließe die Augen.
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Habt ihr damit gerechnet, dass es davon ein Video gibt? Glaubt ihr, Louis wird Harry wieder vertrauen oder kommt da etwas zwischen?
Love, L