Wir steigen aus. Ich schließe auf und trete ein. „Neo?", frage ich laut. „Beschäftigt!", höre ich ihn rufen und fange an zu lachen. Er ist oben in seinem Schlafzimmer. Ich kenne diesen Tonfall. Ich drehe mich zu Harry, der gerade die Tür hinter sich geschlossen hat. „Er spricht mit Rick." – „Woher weißt du das?", fragt er verwundert. „Sie vermissen sich. Oft", erkläre ich. „Und leider war ich einmal so dumm und habe nicht geklopft. Wenn Neo in diesem Ton sagt, er sei beschäftigt, lasse ich ihn in Ruhe und vermeide es, in die zweite Etage zu gehen." – „Äh... okay." Sichtlich unbeholfen bleibt er im Flur stehen.
„Möchtest du etwas trinken? Wein?", frage ich auf dem Weg in die Küche. „Ich muss noch fahren", erinnert er mich. Ich halte kurz inne. Dann öffne ich den Schrank und hole zwei Weingläser heraus, die ich mit Rosé fülle. Eins gebe ich Harry. Scheiß drauf. Zur Not kann er mit Uber fahren. Er nimmt es lächelnd an und trinkt einen Schluck. Er lehnt sich gegen die Kücheninsel uns sieht sich um. Es hat sich im Prinzip nicht viel verändert.
„Wie wird es sein, wenn das Team dabei ist?", fragt er mich plötzlich. „Du meinst, beim Training morgen." Er nickt. „Keine Ahnung. Ich habe bisher nicht darüber nachgedacht." Ich zucke mit den Schultern und sehe, wie er sich anspannt und seine Gedanken kreisen. „Wieso fragst du?" – „Ich weiß, dass sie mich nicht mehr mögen." Ich möchte antworten, aber er spricht weiter. „Du brauchst dazu nichts zu sagen. Sie sind dein Team und ich kann verstehen, wenn sie skeptisch mir gegenüber sind. Sie sind diejenigen, die dich aufgefangen haben und dafür bin ich sehr dankbar." – „Aber?", frage ich nach. „Ich finde, sie mischen sich zu sehr ein", antwortet er mir. „Ich finde es gut, dass du ihnen wichtig bist und dass sie sich um dich Sorgen, versteh das bitte nicht falsch", schiebt er direkt hinterher. „Es geht um meine Panikattacke", bemerke ich. „Wie hätte ich wissen sollen, dass so etwas geschieht? Ich bin aus dem Zimmer gegangen, um dich nicht zu wecken. Ich hatte keine bösen Absichten. Die hatte ich nie."
„Ich wusste auch nicht, dass es passiert", sage ich ruhiger und bemerke, dass er das Weinglas zwischen seinen Fingern dreht. „Es war nicht deine Schuld. Du hast recht, du konntest es nicht wissen." – „Was mache ich, wenn das nochmal passieren sollte?", möchte er wissen. „Ich hoffe natürlich, dass es das nicht wird –" – „Aber irgendwann wird es das wahrscheinlich", unterbreche ich ihn. „Meistens schaffen die Jungs es irgendwie, dass ich Wasser trinke. Manchmal stellen sie mich einfach unter die Dusche, keine Ahnung, ich habe es nie vollkommen mitbekommen. Außerdem bist du anders", gebe ich zu bedenken. „Darf ich dich in den Arm nehmen, wenn du... uhm..." – „Ja", nicke ich sofort. „Natürlich darfst du. Zur Not könntest du Ian oder Zayn oder so anrufen, aber ich glaube kaum, dass das notwendig sein wird." – „Glaubst du nicht?" – „Du hast mir schon aus einer Panikattacke geholfen.", erinnere ich ihn. Harry scheint nicht vollkommen überzeugt zu sich.
„Ich fühle mich wohl bei dir. Das werden meine Freunde schon noch verstehen." – „Sehr optimistisch." Ich stoße mich von der Arbeitsplatte ab und verringere den Abstand zwischen uns. „Sie werden damit leben müssen." – „Was passiert, wenn –" – „Hör auf!", unterbreche ich ihn. „Du hast vorhin gesagt, du willst nichts Falsches sagen. Dann lass es auch. Es ist meine Entscheidung, nicht Neos, Zayns, Ians oder von sonst wem. Ich habe mich entschieden, dir eine Chance zu geben und ich habe mich dazu entschieden, dass ich bei dir im Hotelzimmer übernachte. Niemand hat mich dazu gezwungen", stelle ich klar. „Und das würde ich genauso meinem Team gegenüber auch sagen, wenn du das möchtest." Überrascht sieht er mich an. „Aber dein Team... uhm..." – „Mein Team ist mir wichtig, scheiße, es ist mein Team. Aber sie sind nicht mit dir verheiratet. Unterm Strich geht es nur uns beide was an", antworte ich. Ich habe keine Ahnung, woher das alles kommt. Ich denke nicht darüber nach, was ich sage. Normalerweise ist das ziemlich dumm und nicht selten, bereue ich es sofort, wenn das passiert, aber in diesem Moment ist es anders. Ich sage die Wahrheit, die ich selbst erst erkenne, während ich spreche.