Noch dreißig Minuten. Ich stehe unschlüssig vor dem Spiel und betrachte mich. „Neo?!", rufe ich laut, bin mir aber nicht sicher, ob er mich wirklich hört. Er hat mich gehört; wenig später steht er im Türrahmen. „Du hast dich immer noch nicht entschieden?", bemerkt er. Ich schüttle den Kopf und mustere mein Outfit. Neo seufzt und dreht sein Handy zu mir. „Hi Louis." Er telefoniert gerade mit Rick. Ich winke ihm kurz. „Was sagst du zu dem Outfit?", fragt Neo seinen Mann. „Ich finde es gut. Du hast ein Date, oder?" - „Ja. Oliver holt mich in einer halben Stunde ab", nicke ich. Rick zuckt mit den Schultern. „Ich finde, du kannst dich so sehen lassen. Eine schwarze Hose und ein Hemd gehen doch immer." - „Hilfreich", murmle ich ironisch und zupfe an meiner Frisur herum.
„Meine Güte, das kann sich doch keiner ansehen", höre ich Neo plötzlich sagen. „Komm mit", befielt er und irritiert folge ich ihm. Er geht ins Badezimmer, stellt Rick auf der Ablage unterm Spiegel ab und greift sich meine Bürste. „Man sollte wirklich meinen, du bist inzwischen in der Lage deine Haare zu stylen." - „Heute ist nur ein schlechter Tag", antworte ich und lasse ihn machen.
„Hat Neo dir schon gesagt, dass ich nächste Woche nach Tampa komme?", fragt Rick mich, während Neo konzentriert meine Frisur richtet. „Nein, hat er nicht", antworte ich überrascht. „Hätte ich schon noch gemacht, aber du warst du ja damit beschäftigt, schiss vor dem Date zu haben", entgegnet er. „Halt die Klappe." Rick lacht. „Ich habe eine Woche frei und er nicht, deswegen komme ich rüber. Ist doch okay für dich, oder?" - „Solange ihr es nur in seinem Schlafzimmer treibt und nicht in der Küche oder im Wohnzimmer, ist es mir egal." - „Wir werden uns bemühen", grinst Rick und Neo sieht kurz zu ihm. „Louis hat sowieso Auswärtsspiele." - „Wehe ihr macht nicht alles wieder sauber." - „Das haben wir bisher doch immer getan", antwortet Neo amüsiert.
„So fertig." Ich schaue in den Spiegel. „Danke." Neo nickt und nimmt sein Handy wieder von der Ablage. „Ich bin wieder in der Küche."
Ich atme tief durch, schnappe mir meine Sachen und werfe erneut einen prüfenden Blick in den Spiegel. Wird schon schief gehen. Ich gehe runter in die Küche zu Neo und sehe auf die Uhr. „Du machst ja doch keinen Rückzieher.", bemerkt er. „Dachtest du, ich kneife?" - „Ich habe die Chance 50 zu 50 eingeschätzt." Er zuckt mit den Schultern. „Ich freue mich auf dieses Date mit Oliver", bekräftige ich. „Mhm. Wenn du abhauen willst, ruf an, dann hole ich dich ab." - „Du willst doch nur mit meinem Auto fahren." - „Das wäre ein glücklicher Nebeneffekt." Er grinst scheinheilig. „Finger weg von meinem Auto. Du würdest es nur zu Schrott fahren." - „Ich habe dich auch lieb." - „Idiot." Neo lacht und lehnt sich an die Theke. Er hat sich gerade Abendessen gekocht und den Rest für Morgen in den Kühlschrank gestellt.
Es klingelt an der Tür. Mein Herz setzt einen Schlag aus und ich werde augenblicklich wieder nervös. „Dein Date ist da." Ich atme tief durch, laufe zur Haustür und öffne die sie. „Hi." - „Hey Louis." Oliver ist groß, gut gebaut und lächelt. „Hallo Oliver." Ich verdrehe die Augen und drehe mich um. „Ist das dein Ernst." - „Was denn?" Irritiert sieht Oliver zwischen mit und Neo hin und her. „Oliver, das ist mein nerviger Mitbewohner Noah." - „Eigentlich bin ich sein bester Freund", korrigiert er mich. „Ich wünsche euch viel Spaß." - „Wehe du rührst mein Auto an." - „Tschüss Louis.", antwortet er nur, schiebt mich aus der Haustür und schließt sie hinter mir.
„Sorry", entschuldige ich mich und straffe die Schultern. „Neo ist sehr schamlos." Oliver winkt ab. „Ach was, schon gut. Wollen wir?" - „Gerne." Er hat sein Auto in meiner Auffahrt geparkt. Mit ein paar schnellen Schritten geht er vor und öffnet die mir Tür. „Danke." Ich setze mich und schließe kurz die Augen, während er um den Wagen herumläuft. Nur nicht durchdrehen. Oliver setzt sich hinters Steuer und fährt los. „Als Ian vorgeschlagen hat, wir sollen ausgehen, dachte ich, er verarscht mich.", beginnt er. „Zuzutrauen wäre es ihm", erwidere ich amüsiert. „Ich war überrascht, dass du mir tatsächlich geschrieben hast", gibt er dann zu. „Also positiv überrascht", schiebt er schnell hinterher. „Ian hat mich praktisch dazu gezwungen.", antworte ich schmunzelnd. „Ja, er kann sehr überzeugend sein, aber ich denke, ich bin gerade ganz froh darüber." - „Ich auch", antworte ich und mustere ihn. Er sieht gut aus, sehr. Und er ist charmant. Ian hat nicht gelogen.
„Wie war das letzte Spiel?", wechselt er das Thema. „Wir haben verloren." - „Shit, im Moment sind die Play-Offs, oder?" - „Ja, das wird schon", antworte ich schulterzuckend. „Ich bin kein Eishockey-Fan, aber ich habe natürlich mitbekommen, dass du dich vor zwei Jahren geoutet hast. Das war ziemlich beeindruckend." - „Danke. Es war vor allem beängstigend." - „Mhm, das glaube ich dir. Ich fand es schon schlimm genug, damals in der Schule laut zu sagen, dass ich schwul bin." Ich nicke verstehend. „Ich bin froh, dass ich es gemacht habe." - „Ich auch", lächelt er und sieht kurz zu mir. Ich erwidere das Lächeln und merke, dass ich mich entspanne.
„Eigentlich habe ich es nur wegen Ian mitbekommen. Er zwingt quasi seinen ganzen Freundeskreis über die aktuellen Ergebnisse der NHL informiert zu sein", erzählt er amüsiert. Das kann ich mir zu gut bildlich vorstellen. „Du interessierst dich nicht für Sport?" - „Ist es schlecht, wenn ich sage, nein?" - „Nicht unbedingt. Wofür interessierst du dich sonst?", möchte ich wissen. „Kunst", antwortet er sofort. „Eigentlich bin ich Unternehmer, ich habe Wirtschaft studiert, aber nebenbei ist Kunst mein Hobby. Vor allem alte europäische Kunst." - „Puh, da kann ich wenig mitreden.", gebe ich zu. Er winkt ab. „Das können die wenigsten, das ist nicht schlimm." - „Und was ist, wenn ich sage, dass ich bereits die Mona Lisa gesehen habe und sie recht unbeeindruckend fand?", frage ich unüberlegt. Er schmunzelt. „Dann hast du glück, dass es nicht das erste war, was du zu mir gesagt hast, das wäre ein schlechter Start gewesen. Aber ich werde darüber hinwegsehen." - „Da habe ich ja Glück", schmunzle ich.
Wir fahren nicht mehr allzu lange. Oliver steuert einen kleinen Parkplatz an und führt mich zu einem unscheinbar aussehenden Restaurant. „Hier gibt es das beste Sushi in ganz Tampa, versprochen." - „Sushi?", frage ich überrascht. „Ja, du bist doch nicht vegan, oder? Ian meinte -" - „Nein, bin ich nicht, alles gut.", werfe ich schnell ein. Er hat sich extra bei Ian erkundigt? „Ich war allerdings noch nie Sushi essen." - „Dann hast du definitiv etwas verpasst!"
„Guten Abend", werden wir von einer Kellnerin begrüßt. „Hallo, ich habe auf den Namen Havering reserviert." Sie nickt. „Folgen sie mir bitte." Sie führt uns an einen runden, kleinen Tisch am Fenster. Das Restaurant ist nicht groß, schlicht eingerichtet und auf jedem Tisch stehen kleine Kerzen. Harry hat immer Kerzen auf unseren Tisch gestellt, wenn wir gegessen haben. Ich schüttle die Erinnerung ab und setze mich. „Wissen Sie schon, was sie trinken möchten?" - „Ich nehme ein Glas Rotwein und du?", fragt Oliver mich. „Äh... einen Rosé." - „Gerne, lieblich oder trocken?" Fuck, welchen hatte Harry immer gekauft? „Lieblich", antworte ich und hoffe, dass es die richtige Wahl war.
Die Namen der Speisen sagen mir alle nichts. Hilflos blicke ich in die Karte. „Lass uns eine Auswahl bestellen." Ich sehe auf und bemerke, dass Oliver mich amüsiert anschaut. Ist es so offensichtlich, dass ich keine Ahnung habe, was das alles bedeutet. „Wir bestellen verschiedenes und du kannst dich durchprobieren." - „Klingt gut", stimme ich zu und schließe die Karte. Unser Wein wird gebracht und wir stoßen an. „Auf ein gutes Date." - „Sehr gerne", lächle und trinke einen Schluck. Scheiße, das ist die falsche Wahl gewesen. Ich zwinge mich, es mir nicht anmerken zu lassen, aber ich mag diesen Wein nicht. Fuck, Harry hatte wohl doch immer den Trockenen gekauft.
Oliver bestellt wenig später einiges und ich stelle fest, es ist weniger, als es sich angehört hat. Verschiedene Platten werden gebracht du skeptisch betrachte ich die Auswahl. „Das ist aber nicht alles roh, oder?" Er schmunzelt. „Nein, der Reis ist gekocht." Ah, ja. „Hier." Er reicht mir zwei Stäbchen und ich sehe sie an. „Du hast noch nie mit Stäbchen gegessen." - „Ich habe die Befürchtung, dass ich mich sehr dämlich anstellen werde", gebe ich zu. „Hier, schau." Er zeigt mir, wie man erst ein Stäbchen in die Hand legt und das zweite dann so hält, dass man es bewegen kann. „Wenn es nicht klappt, können wir auch nach normalen Besteck fragen." - „Ich werde das hinbekommen", beschließe ich. So schwierig kann das doch nicht sein.
Ist es doch. Während es bei Oliver den Anschein macht, es wäre unglaublich einfach, muss ich mich ziemlich konzentrieren. „Hier, probiere das, das ist mit Lachs." Vorsichtig hebe ich ein Stück der Sushirolle hoch und betrachte sie. „Ist das Seegras?" - „Algen", antwortet er. „Die schmecken gut." Ich schaffe es tatsächlich, dass das Essen nicht aus den Stäbchen fällt. Sehr fischig. „Und?" - „Es ist anders." - „Gut oder schlecht?" - „Weiß ich noch nicht", gebe ich zu. „Dann probiere was anderes", lächelt er und ich lasse meinen Blick über die Auswahl schweifen.
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Was haltet ihr von Oliver? Was meint ihr, wie dieses Date verlaufen wird?
Love, L