Von Skandalen und Rebellen

Von Oxford und Interesse

Chelsea

Oxford Universität. Wie lange schon hatte sie von den grossen, uralten Gebäuden geträumt. Wie lange waren die alten Gemäuer Teil ihrer Fantasien gewesen. Wie oft hatte sie schon vor den Gittern gestanden und sehnsüchtig die Gebäude angestarrt, die nur für Studenten zugänglich waren. Immer mit dem Traum, hier zu studieren. Und jetzt war sie hier.

Ein wenig unwirklich war es schon, dachte sie, als sie das erste Gebäude betrat, um sich ihren Studienausweis abzuholen. Mit diesem Kärtchen würde sie endlich keine Touristin mehr sein, sondern eine echte Studierende. Sie atmete tief durch, bevor sie begann, die Treppe hochzugehen.

Obwohl sie eigentlich ein mutiger, offener Mensch war und kein Problem damit hatte, mit fremden Menschen zu sprechen, ihr Herz pochte fest, als sie eine Stufe nach der anderen erklomm und dem Büro immer näher kam. Dabei musste sie gar nichts mehr machen. Sie war angenommen. Das Vorstellungsgespräch hatte sie schon lange hinter sich.

Die Tür war eine ganz andere als die vor wenigen Wochen. Damals war sie noch viel nervöser gewesen als heute. Es war mitten im Stress mit Jack gewesen und fast schon hatte sie befürchtet, die Professoren würden sie kennen. Doch zum Glück lasen alte, weise Männer keine Klatschhefter.

Ja, Chelsea hatte sich über die fehlende Diversität bei den Professoren genervt. Doch das hatte sie nicht davon abhalten dürfen, des besten aller Eindrücke hinzulegen. Und auch wenn sie im Moment als sie durch die dunkle Tür in den Raum getreten war, gedacht hatte, sie würde kein Wort rausbringe, sie hatte im Laufe des Gesprächs ihr Selbstvertrauen zurückerlangt.

Diese Tür war von einem helleren Braun. Schon fast beige. Mit zitternder Faust klopfte Chelsea gegen das Holz. Während sie auf eine Antwort wartete, strich sie sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Mit einem Haarband hielt die sich die langen Haare aus dem Gesicht. Die mussten dringend geschnitten werden. Möglichst noch vor Semester beginn. Am liebsten würde sie sich eine Frisur wie Jack machen. Aber dann würde jeder die Ähnlichkeit zwischen ihnen erkenne.

"Herein", rief eine weibliche Stimme. Mit zitternder Hand öffnete Chelsea die Tür und trat mit Beinen, die sich mehr nach Wackelpudding anfühlten, durch die Tür hinein. Der grosse Schreibtisch war von demselben Braun wie die Tür. Vollbepackt mit tausenden Papieren und mehr sah er exakt so aus, wie man sich einen Schreibtisch einer Sekretärin vorstelle. Die Frau dahinter hatte blondes, an mehreren Stellen schon graues Haar und lächelte Chelsea freundlich an, als diese durch die Tür trat.

"Miss Brown, nicht."
Chelsea nickte als Antwort nur und trat einen Schritt näher an den Schreibtisch.

"Setz dich." Chelsea musste den Drang, mit den Fingern zu schnipsen, zu unterdrücken. Etwas, das sie immer tat, wenn sie irgendwie nervös war. Einfach, damit sie ihre Finger irgendwie bewegen konnte.

"Ich bin Mrs. Rowan." Über den Tisch streckte sie Chelsea die Hand entgegen, sodass diese sie schütteln konnte. Chelsea war sich sicher, dass Mrs. Rowan jede Schweissperle auf ihrer Handfläche spüren würde, wenn sie die Hand jetzt ergriff, aber eine andere Wahl blieb ihr ja nicht, wenn sie nicht unhöflich oder seltsam rüberkommen wollte.

"Sie brauchen nicht nervös zu sein, Ms. Brown. Egal was sie in diesem kleinen Gespräch tun, sie haben ihren Platz hier und ich werde ihnen diesen nicht entziehen können, selbst wenn sie sich total dumm anstellen", sagte Mrs. Rowan lachend.

Aber Chelsea blieb angespannt und nervös. Hier zu sein fühlte sich so seltsam unwirklich, an, dass es ihr Herz noch immer schneller schlagen liess. Jedes Mal, wenn sie es wieder und wieder begriff. Aufgeregt legte sie ihre Hände auf die Tischplatte, was sie beinahe dazu brachte auf dieser herauszutrommeln, weshalb sie sie dann doch lieber wieder auf ihre Beine legte.