"Hey! Wach endlich auf!", jemand rüttelte Liliana unsanft, ,,Aufwachen, Prinzessin!"
Liliana riss die Augen auf und schubste die Frau, die über ihr kniete, reflexartig von sich.
"Hey! Geht's noch?!", hörte sie die Frau, dann schien sie in der Dunkelheit über den Boden zu robben und wenig später entfachte sie eine kleine Flamme, die geringfügig Licht spendete.
"Sorry.", keuchte Liliana. Sie musste sich erst einmal fassen, sich erinnern, was geschehen war.
"Schon gut. Ich kann's dir eigentlich nicht verübeln.", die Frau kroch etwas näher zu Liliana und leuchtete mit der kleinen Flamme, die zu einem Feuerzeug gehörte, ,,Wie heißt du?"
"Liliana. Liliana Denissow.", antwortete Liliana gleichgültig. Sie kannte diese Frau zwar nicht, aber ihre Identität war ab diesem Moment wohl sowieso alles Andere als geheim.
"Denissow? Russin oder Ukrainerin?"
"Russin."
"Beeindruckend, du sprichst beinahe akzentfrei."
"Und du bist?"
"Natürlich, wie unhöflich. Mein Name ist Akiko."
"Sind wir wieder in diesem Keller?"
Akiko nickte mit einem Gesichtsausdruck der klar machte, dass sie über die Situation genauso unglücklich war, wie Liliana selbst.
"Was ist oben passiert?", fragte Akiko, nachdem die Frauen beide für einige Momente ihren eigenen Gedanken nachgegangen waren.
"Ich weiß es nicht mehr ... mein Kopf tut so weh."
"Ich hab dich gesehen, als sie mich runter gebracht haben, ich glaube, danach war ich eine Zeit lang bewusstlos, aber als ich wieder zu mir kam, warst du weg. Und dann hab ich Schüsse und Geschrei von oben gehört und kurz nachdem es wieder still wurde, haben sie dich wieder nach unten gebracht. Das muss schon eine gute Stunde her sein."
Liliana grübelte über Akikos Worte und versuchte, die Bruchteile ihrer Erinnerungen wieder zusammen zu setzten.
"Sie haben mich zu Dmitriy nach oben geholt, glaube ich."
"Dmitriy?"
"Mein Freund; Dmitriy Ravenov. Sie haben uns beide zusammen entführt."
"Ravenov? Ich weiß, das tut wahrscheinlich nichts zur Sache, aber gab es nicht mal ein Gerücht, dass der weiße Tod diesen Namen trägt?"
Liliana sah sie nur schweigend an, aber das war Akiko genug. Laut jauchzend ließ sie sich auf den Rücken fallen und lachte ein dreckiges Lachen, ,,Das erklärt dann natürlich, warum du hier bist. Wenn ich ehrlich bin, tust du mir nicht einmal wirklich leid!"
"Wow, warum das jetzt? Außerdem bist du ja wohl auch nicht ohne Grund in diesem Drecksloch!"
"Verrat. Ich hab Geld geklaut um meiner Schwester aus der Patsche zu helfen. Ich glaub ich muss dir nicht erklären warum das ein sehr viel löblicherer Grund ist. Wie zur Hölle kommt man überhaupt mit dem Sohn des weißen Todes zusammen?"
"Geschäftliches."
"Achso, aus der Branche kommst du also? Hätte ich von so einem kleinen blonden Zuckerpüppchen nicht erwartet. Ist ja fast peinlich, dass sie dich so leicht hier her bekommen haben."
"Jetzt halt mal die Luft an, verdammte scheiße! Scheiß drauf, für oder mit wem du arbeitest, wenn ihr Leute entführt, die euch nichts getan haben und dann auch noch Lösegeld erpresst, seid ihr kein Stück besser!"
"Oh, und ob der weiße Tod uns etwas angetan hat! Seit Minegishis Tod geht es mit den Yakuza Berg ab."
"Du siehst nicht aus, als wärst du ansatzweise alt genug Minegishi je kennen gelernt zu haben."
"Tut das etwas zur Sache? Der weiße Tod hat so viele Menschenleben auf dem Gewissen. Er hat Familien zerstört, meine und die der Meisten da oben eingeschlossen. Wir können dem weißen Tod antun, was wir wollen. Wir müssen zusammen halten und unsere Familie rechen."
"Und trotzdem sitzen wir beide hier unten. Solch eine Ironie."
Akiko schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht und Liliana spuckte einen schleimigen Blutklumpen auf den Boden. In Akikos Augen loderte die Wut, aber Liliana konnte sich ihr Grinsen nicht verkneifen, ,,Ihr könntet dem weißen Tod niemals das Wasser reichen. Jeder von euch, selbst du, würde auch für ihn arbeiten, so lange das Geld stimmt. Und wenn eure süße Yakuza Zusammenstellung da oben von zwei Typen im Alleingang überrannt werden kann, dann Gnade euch Gott, solltet ihr wirklich versuchen, es mit dem weißen Tod aufzunehmen."
"Wie meinst du das?", zischte Akiko und ihre schwarzen Augen wirkten im schwachen Licht merkwürdig groß, ,,Von was für Typen sprichst du? Erinnerst du dich, was passiert ist?"
Ein Lächeln huschte über Lilianas Lippen, als sie auf sah um Akikos Augen mit den ihren zu durchbohren.
"Ich glaube viel ist von deinen Leuten nicht übrig. Und eure kleine Erpressung scheint auch nicht ganz nach Plan gelaufen zu sein."
Akiko machte ein Gesicht, als würde sie Liliana gerne erwürgen und diese war unterbewusst darauf vorbereitet, dass sie es tatsächlich versuchen würde.
"Und das soll ich dir glauben?", murmelte sie schließlich, ,,Warum bist du dann auch wieder hier unten und nicht bei deinem tollen Freund?"
"Sie werden mich noch holen kommen.", Liliana musste sich anstrengen die Unsicherheit hinter dieser Aussage zu überspielen. Irgendjemand würde sie bestimmt holen kommen, oder? Dmitriy würde dafür sorgen, dass sie gerettet werden würde, oder?
So wichtig war sie ihm ... oder?"Dieses Mädchen vorhin ..."
"Nicht schon wieder!"
"Aber du hast sie doch auch gesehen, oder nicht?"
"Fang gar nicht erst an, Lemon! Ich hab sie nicht gesehen und sie kann uns egal sein, wer auch immer sie war!"
"Erstens, können wir endlich mit den bescheuerten Decknamen aufhören?"
"Unser Auftrag ist vorbei, sobald der weiße Tod seinen Koffer und seinen Sohn wieder hat und dann können wir mit den bescheuerten Decknamen aufhören, Lemon. Was ist Zweitens?"
"Zweitens, Tangerine, Zweitens könnte ich schwören ich kenn die Kleine!"
"Gut, von mir aus! Und jetzt? Vielleicht hast du sie irgendwann bei einem Auftrag getroffen oder wo auch immer! Sie hat nichts.mit.uns.zu.tun!"
"Wir hätten sie wenigstens befreien können. Wer weiß, was die mit ihr machen?"
"Seit wann interessierst du dich für irgendwelche daher gelaufenenden Mädchen? Wir haben, was wir brauchen und das ist der Koffer und der verdammte Sohn. Wir haben keine Zeit auch noch dieses Mädchen zu retten."
"Du tust ja, als hätten wir ein Zeitlimit. Wir werden keine Woche brauchen. Wir haben sowieso fast alle Typen umgebracht, da wird niemand sein, der uns aufhalten könnte."
"Wir würden keine Woche brauchen, wenn wir sie retten würden, Lemon. Darf ich dich daran erinnern, dass ich hinterm Steuer sitze? Und, wenn es so unglaublich leicht ist, sie zu befreien, kann sie das sicher auch selbst."
"Sie ist nur ein kleines Mädchen!"
"Sie ist kein kleines Mädchen.", kam es plötzlich von der Rückbank.
"Na sieh mal einer an, Dornröschen ist aufgewacht! Ich kümmer mich drum."
"Warte, Tangerine. Ich will hören, was der Bengel zu sagen hat."
"Mein Gott, Lemon, was ist denn heute mit dir los? So viel Mitgefühl hast du ja noch nie gezeigt."
"Sie ist meine Freundin.", Dmitriy sah in die Runde, aber von den Männern in den Vordersitzen kam kaum eine Reaktion.
"Freut mich, dass es in deinem Liebesleben läuft, Romeo. Und jetzt?", der Mann hinter dem Steuer, fuhr sich durch die zurück gekämmten Haare und sah Dmitriy durch den Rückspiegel an.
"Warum habt ihr sie nicht mitgenommen?", der Mann ließ auf die Frage hin ein lautes Stöhnen hören.
"Weil dein Papochka uns das nicht aufgetragen hat! Anscheinend mag er die Kleine nicht sonderlich."
"Ihr müsst sie holen!"
"Du hast kein Mitspracherecht. Wenn dein Vater uns dafür nicht Köpfen würde, hätten wir dich ebenfalls da gelassen."
"Wenn ihr sie nicht holt, wird mein Vater davon erfahren."
"Und?"
"Dann seid ihr beide einen Kopf kürzer."
"Gott, du nervst mich!", der Mann hielt das Auto, drehte sich um und kurz darauf sank Dmitriy benebelt zurück in seinen Sitz.
"Ich hab dir doch gesagt, die Kleine ist wichtig."
"Halt die Klappe, Lemon! Sie zu retten ist nicht unser Auftrag!"
"Aber der Bengel hat schon Recht ... was hält den weißen Tod davon ab, uns einfach schnell von der Bildfläche zu wischen?"
"Das kann doch nicht dein Ernst sein!"
"Doch, warte. Ich hab eine Idee!"
"Bitte? Und die wäre?"
"Naja, wenn sein Sohn hier recht hat und die Blonde wirklich seine Freundin ist, dann ist sie gutes Druckmittel, oder?"
"Wie meinst du das denn jetzt?"
"Überleg mal was ist, wenn der weiße Tod uns trotzdem umbringen will. Dann könnten wir die Kleine als Geisel nehmen und sagen, wir bringen sie um, wenn er uns ... naja du weißt schon."
"Du willst allen Ernstes dem weißen Tod drohen? Bist du bescheuert?"
"Wir laufen so oder so Gefahr, da nicht lebend raus zu kommen. Vielleicht meint er's gut mit uns, wenn wir ihm auch noch die Kleine für seinen Sohn bringen."
"Oder wir kämpfen wie richtige Männer."
"Pfff, da stehen die Chancen auch nicht besser. Steig aus, Baby, ich fahr zurück. Das schaffen wir in höchstens einer Stunde und morgen Abend nehmen wir wie abgesprochen den Shinkansen nach Kyoto."
"Ich wünschte wir hätten diesen beschissenen Auftrag nie angenommen."
Und mit diesen Worten tauschten die Beiden Plätze.
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Kill Me Pretty [Bullet Train]
ActionSehe ich nicht hübsch aus mit dieser Haut aus Porzellan und Augen aus Glas? Dein kleines Püppchen. Deine Worte sind wie Zucker, Aber Verwesung riecht auch süß.