Kapitel 18

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Am frühen Abend legte das Schiff wieder ab und schlug den Kurs nach Marseille ein. Einen ganzen Tag würden sie nun auf hoher See verbringen und Louis musste an die Einladung zur Party denken, die er von Gary bekommen hatte. Sollte er hingehen? Harry war mit Sicherheit auch da und ihm war gerade überhaupt nicht danach zumute, ihn wieder zu sehen.

Nein, er würde hier in der Kabine bleiben. Partys würde es im nächsten halben Jahr sicherlich noch genug geben, an denen er teilnehmen konnte.

Schlecht gelaunt und verärgert über sich selbst, stand er wieder auf, schaltete das Keyboard an und setzte die Kopfhörer auf.

Dass Harry vor seiner Kabine stand und mehrmals klopfte, hörte er nicht.

***

»Louis, du bist heute nicht in der Bar eingeteilt, weil wir dort heute einen Burlesque-Abend mit einigen Tänzerinnen haben«, teilte Danny ihm einige Stunden später mit, als Louis sie zufällig im Gang traf. Er hatte gerade an Deck ein wenig frische Luft geschnappt und wollte sich nun schnell duschen, damit er für den Abend vorbereitet war. Einen Abend, von dem er gedacht hatte, ihn in der Bar zu verbringen.

Dass es heute eine Planänderung gegeben hatte, war ihm entgangen und er nicht sonderlich begeistert darüber, in Harrys Reichweite sein zu müssen.

Zwar sagte er gut gelaunt zu Danny: »Alles klar, das ist ja kein Problem. Ich freue mich«, doch hätte er lieber erst dann ein Konzert gegeben, wenn Harry nicht mehr in der Garderobe eingeteilt war.

So trottete er eher missmutig zum Theater, ging dort den Gang entlang und schlich sich auf die Seitenbühne, wo das Piano stand. Das Arbeitslicht war eingeschaltet und nachdem er einen Techniker gefragt hatte, ob er hier proben dürfe, setzte sich Louis auf den Hocker und legte die Hände auf die Tasten. Dieses Piano hatte er noch nicht bespielt und er wollte vorbereitet sein. Das Spielen half ihm außerdem dabei, sich abzulenken und innerlich wieder ruhiger zu werden, die Gedanken beiseitezuschieben und zumindest für kurze Zeit zu verdrängen, dass heute etwas passiert war, das ihn überfordert und verletzt hatte.

Er spielte fast eine Stunde, während um ihn herum der Bühnenboden gewischt, Kabel verlegt und Technik getestet wurde. Von alledem bekam Louis wenig mit und erst als ihm jemand die Hand auf die Schulter legte und er zusammenfuhr, realisierte er, dass er noch immer am Piano saß. »Wir müssen den Flügel jetzt leider mal umstellen. Bist du fertig?«, fragte einer der Techniker vorsichtig und Louis sprang auf.

»Ja, alles in Ordnung. Machen Sie, was Sie machen müssen. Ich bin fertig.«

»Sie können auch nachher noch mal dran, wenn ...«

»Nein, alles gut. Ich muss mich sowieso noch umziehen.« Louis winkte ab und ging über die Seitenbühne zu den Garderoben.

Die Tür zu Harrys Arbeitsbereich stand nicht wie sonst offen und er war fast froh darüber, weil die Chance, ihm über den Weg zu laufen, dadurch ein wenig kleiner war. Bevor er die Garderobe betrat, klopfte er an und als keine Antwort kam, drückte er die Klinke herunter.

Sein Anzug hing an der Tür des Spinds und war so glatt, dass Louis sicher war, dass Harry sich mit dem Steamer noch mal daran gemacht hatte, die Falten zu glätten. Sollte das ein Friedensangebot sein? Er zögerte, starrte den Anzug an und griff dann beherzt zu. Friedensangebot.

Das machte nicht rückgängig, was Harry nach ihrem Kuss gesagt hatte! Wie konnte man so unsensibel sein? Wenn er den Kuss nicht gewollt hätte, hätte er ihn nicht erwidern dürfen, aber das hatte er getan und danach war er sich nicht sicher, ob das eine gute Idee gewesen war? Er spürte, wie die Wut und Enttäuschung in ihm schon wieder zu brodeln anfingen, und zog sich dann beherzt das Shirt über den Kopf. Je eher er umgezogen war, desto schneller konnte er wieder auf der Bühne stehen.

Klavier und FedernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt