Kapitel 22

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Es war nicht ihre letzte Begegnung.

Nach dem Abendessen trafen sie sich wieder und schliefen in Louis' Kabine erneut miteinander. Dieses Mal war es zärtlicher und sehnsuchtsvoller.

»Harry?«

»Hm?«

»Erzählst du mir, wo du dich angesteckt hast?«, wagte Louis, zu fragen und strich dem jungen Mann sachte über den Kopf. Für einen Moment schien es, als würde sich Harrys Körper ein wenig versteifen, doch dann seufzte er und kuschelte sich enger an ihn.

»Das war vor vier Jahren. Ich hatte in der Zeit heftige Sturm und Drang Phase und das Gefühl, mich austoben zu müssen. Ich war auf einer Onlineplattform unterwegs, wo man sich zum Sex treffen konnte und wollte mich ausprobieren. Ich war Single und hatte Bock drauf, meine Grenzen zu testen. Hätte ich mal gewusst, was ich da für eine Grenze überschreite ... Ich hab mich mit einem Typen getroffen, der mitten beim Sex das Kondom abgezogen hat. Ich habs gar nicht gemerkt. Erst, als er in mir kam, fiel es mir auf und ich war natürlich stinksauer. Aber da war es schon zu spät. Erst hatte ich die Hoffnung, dass vielleicht gar nichts passiert war, schließlich ist nicht jeder schwule Mann automatisch HIV positiv. Aber ich hatte so ein Gefühl, dass mich dann doch dazu brachte, zum Arzt zu gehen und einen Test zu machen. Ich wollte ihn nur machen, um danach beruhigt weiterleben zu können.«

»Aber das konntest du nicht...«

»Das Ergebnis hat mich umgehauen und ich war einige Monate vollkommen fertig, habe mit Ärzten gesprochen, mich dumm und dämlich gegoogelt und ich hatte Angst. Ich hatte so eine Scheißangst, dass ich jetzt einer werde, der an AIDS verrecken muss.« Harry holte zitternd Luft. Die Erinnerung an diese Zeit schien ihn sehr mitzunehmen und er brauchte einige Augenblicke, bis er weitersprach. »Als ich mich dann endlich zu einer HIV-Sprechstunde durchringen konnte, war das der beste Moment überhaupt, weil man mir sagte, dass ich mit Medikamenten gute Chanchen habe, dass der Erreger so niedrig gehalten werden kann, dass ich nicht ansteckend für andere bin, und ich könnte ein fast normales Leben führen. Das hat mir Hoffnung gegeben und bis jetzt ist ja zum Glück auch nichts weiter passiert. Ich bin sehr gewissenhaft im Umgang mit Sex geworden. Dir ist sicher aufgefallen, dass ich immer ein Kondom dabei hatte.«

»Ja, das ist mir aufgefallen. Danke.«

»Danke, dass du mich nach dem Geständnis nicht verstoßen hast. Das ist nicht selbstverständlich.« Er küsste Louis liebevoll und dankbar und er spürte, wie gut es Harry tat, nicht verurteilt zu werden. Wie oft ihm das in der Vergangenheit wohl passiert war?

Louis selbst fühlte sich bei ihm sicher. Wieso auch nicht? Er vertraute Harry, wenn er sagte, dass er nicht ansteckend war.

Eng an Harry gekuschelt schlief er ein und bekam nicht mit, dass dieser sich früh am nächsten Tag aus der Kabine schlich.

Schlaftrunken öffnete er die Augen und wunderte sich, was ihn geweckt hatte. Der Wecker war es nicht, den hatte er vergessen zu stellen.

Seufzend setzte er sich auf und strich gedankenverloren mit der Hand über das Bettlaken, auf dem Harry in der Nacht gelegen hatte.

Es war so still.

Die Motoren des Schiffes waren ausgeschaltet. Wie es aussah, waren sie im Hafen angekommen.

GENUA!

Heute würde Harry von Bord gehen!

Mit einem Satz war Louis aus dem Bett gesprungen.

»Scheiße, wie spät ist es?« Er griff nach dem Handy, warf es dabei fast vom Nachtschrank, fluchte und schaltete es ein.

10:30 Uhr.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 15, 2022 ⏰

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