9. Kapitel

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Viele Gedanken schossen Hope durch den Kopf, als sie auf Resco zu lief, der sich locker gegen die Rehling lehnte und seine dürren Finger über die Brüstung streifen ließ.

Leer waren seine Augen, während er stumm in die Ferne starrte und Hope wusste, dass er in seinen Gedanken gefangen sein musste.

Er zuckte nicht einmal mit der Wimper, als sie sich neben ihn stellte und vorsichtig nach seiner Hand griff.

Sanft strich sie über seinen Handdrücken: "Res? Wie geht es dir?"

Der Kater öffnete den Mund, als wolle er antworten, schloss ihn dann allerdings Wortlos wieder.

Dies wiederholte er drei weitere Male, bevor endlich zu sprechen begann: "Willst du die ehrliche Antwort, oder die in der ich dir sage das alles wunderbar ist? Ich meine im anbetracht der Umstände, vor denen wir uns wieder befinden. Also, wir sollte es mir schon gehen?
Du hast ja keine Ahnung..."

"Die hätte ich, wenn du mal mit mir reden würdest", flüsterte Hope, als sie dem Kater eine Hand aud den Arm legte, "Aber du triffst ja lieber dumme Entscheidungen, als mit jemandem über alles zu reden. Wann fängst du endlich an zu sehen, dass du nicht alleine bist."

Der Kater schnaubte abfällig: "Das sagt sich so leicht, mit deinen wenigen Jahren an Lebenserfahrung.
Du weißt nicht wie viele Freunde ich schon begraben durfte.
Deine Mutter und dein Vater waren nur zwei von Tausenden. Und jedes mal hinterlässt das Spuren auf der Seele. Ich habe echt gedacht, dass ich es dieses eine Mal schaffen würde."
Auch seine Stimme war nicht mehr als ein leiser Hauch. Davon getragen von dem eisigen Wind.

"Du hattest alles und hast es über Bord geworfen, weil du so naiv warst. Hast du selbst nicht einmal gesagt, dass du diese wenige Zeit mit Nibs verbringen willst? Du liebst ihn und es tut dir weh zu sehen, wie Michelle an seiner Seite steht, die eigentlich dir zusteht. Lieber leidest du den für den Rest deines Lebens, als die Zeit mit ihm zu verbringen."

Gegen Ende war ihre Stimme so laut geworden, dass sie die Blicke der anderen auf sich spürte.
Auch wenn sie sich sicher war, dass niemand ihre Worte verstanden hatte.

Jack, mit dem sie bisher kaum ein Wort gewechselt hatte, kam auf sie zu und stellte sich auf die andere Seite neben Hope.
"Könntet ihr mir erklären, um was genau es in eurem Streit geht? Diese Anspannung ist ja beinahe so frostig wie das Wetter vor uns."

Mit seiner bleichen Finger deutete er auf die offene See vor ihnen, wo einzelne Eisschollen trieben.

Normaleweise hätte Hope das als Zeichen gesehen, dass sie sich dem Nordpol nährten.
Doch da sogar die Küste von Portugal unter einer Eisschicht begraben lag, war sie sich da nicht mehr so sicher.

Menschen schoben es, mit Panik in den Augen, auf den Klimawandel und fingen an zu forschen.
Und Hope erinnerte sich an etwas, was Pierre ihr einst gesagt hatte, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte.

Der älteste Hüter hatte davon gesprochen, dass es gefährlich sei, wenn Menschen in der Magie forschten.

Sie würden keine Lösung finden und immer wenn sie etwas nicht verstehen konnten, dann war es ihr Feind.

Er hatte ihr von den Hexenverbrennungen und Werwolfs Hinrichtungen erzählt. Von all dem Hass den die Sterblichen gegen die Magie aufbrachten.

Und sowas durfte nie wieder passieren.

"Hat sie einen Systemausfall?" Jacks vorlaute Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
Der Junge stand noch immer neben ihr und sah sie durch seine tiefblauen Augen an.
Dunkel schimmerte dabe der Ring, der seine Iris umrahmte.

Noch nie hatte Hope solche Augen gesehen und sie hatte mittlerweile schon viel geshen.
Doch nichts kam an dieses einzigartige Blau heran.

"Du musst nicht in der dritten Person von mir reden. Ich bin hier und kann alles hören", knurrte sie, als sie es endlich schaffte ihren Blick zu lösen.

Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, oder auf seine Frage zu antworten, stieß sie sich von der Rehling ab.

Am Mast des Schiffes hielt sie Inne und blickte hinauf zum Krähennest, in dem Peter seinen Posten bezogen hatte.

Ihr Freund schenkte ihr ein warmes Lächeln und Hope wusste sofort, dass er alles mit angesehen hatte. 
In seiner Miene spiegelte sich etwas wieder, was Hope bisher noch nie gesehen hatte.

Der Blick war so so distanziert und zeitgleich voller Hingabe.

"Ey ihr Landratten!", donnerte Hooks Stimme über das Deck, "Wir sollten eine Pause einlegen. Der Wind steht schlecht und ich glaube unserer Grinsekatze geht die Magie aus!"

Tatsächlich wurde der blaue Schimmer, der die Segel umgab, schwächer und Rescos Gesicht war fahl, wie die Knochen eines Skeletts.
Der Kater sah komplett erledigt aus.

Wie konnte ihr das nur entgehen?

Das Schiff in der Luft zu halten schien ihn mehr Kraft zu rauben, als er zugeben wollte. Was wieder einmal typisch war.

Resco schüttelte den Kopf: "So ein Quatsch! ich schaffe das schon, dass ist kein Problem! Wir müssen uns beeilen!"

Seine Worte waren zwar krafvoll, doch in seinen Augen schimmerte das Gegenteil.
Mit seinen Fingern umklammerte er noch immer die Rehling.
So fest, dass die Fingerknochen weiß hervorstachen.

"Wieso kannst du nicht einfach zugeben, dass du nicht mehr kannst?", knurrte Nibs, der neben Hope aufgetaucht war. Seine Worte waren hart, doch gleichzeitig besorgt.

Der Kater wollte etwas erwidern, als die letzte Kraft seinen Körper verließ. Völlig fertig sackte er in sich zusammen und sofort verschwand auch seine Kraft.

Wie ein Stein fiel das Schiff vom Himmel. Direkt auf das weite, scharze Meer zu, welche sie verschlucken wollte.

Pan, der sich am Mast festhielt rief über den Wind hinweg: "Jack, sorg dafür dass wir nicht sterben!"

Darum ließ sich der Junge nicht zweimal bitten.
Er streckte die Hände aus und ein eisiger Wind ergriff die Segel.

Er zehrte an ihnen, als wären sie aus Seide und riss sie mit sich.

Sanft setzte dieser sie auf der unruhigen See ab.

Sobald das Schiff sich auf den Wellen wiegte, stürmte Nibs an Hope vorbei. Neben Resco, der kraftlos auf dem alten Holzboden lag, ließ er sich auf die Knie fallen. Behutsam strich er ihm die blond-braunen Strähnen aus der Stirn.

"Hey Res, hörst du mich?", flüsterte der Junge, als er seinen Ex Freund betrachtete.
Ein feiner Schweißfilm zog sich über die Stirn des Jungen, als sein ganzer Körper zu zittern begann und doch regte er sich nicht.

Panisch sah Nibs hoch: "Er reagiert nicht! Ich brauche Hilfe! Hilfe!" Tränen bahnten sich ihren Weg über seine Wange, als er den reglosen Körper seiner ehemaligen Liebe an sich drückte.

Hope wollte zu ihm rennen und beide an sich drücken, doch kein Muskel schien ihr zu gehorchen.
Sie konnte nur da stehen und zusehen, wie Nibs dem Kater durch die Haare fuhr.

"Bitte", wimmerte der blonde Junge, "Bitte wach auf."

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