Kapitel 20 - Die unendlich lange Reise - Teil 1

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Die Pferde hatten wir etwas weiter an einer kleinen Pfütze trinken lassen. Wasser war hier selten, aber notwendig. Doch bald würde die Regenzeit anfangen, man konnte es in der Luft reichen.

Bei den Pferden angekommen, hörte ich jemanden leise näherkommen, wie ein Dieb der auf der Laufer war »Rose« rief James hinter mir meinen Namen. Ich drehte mich nicht um, sondern streichelte das Pferd. »Rose, ich wollte nicht, dass du das so von Henry erfährst« versuchte sich James zu erklären. »Was über Henry erfahre?« fragte ich. Eigentlich eine rhetorische Frage, denn die Antwort kannte ich bereits. 

»Dass er nur mit dir gespielt hat. Den Trick mit der Badewanne hat er schon so oft durchgezogen, dass ich das gar nicht mehr zählen kann.« erläuterte James. 

»Und woher willst du das alles wissen? Du bist doch nicht viel besser als er!« schleuderte ich ihm verletzt entgegen.

»Ich weiß das, weil der Palast Augen und Ohren hat. Man kann nicht alles geheim halten, so sehr man es auch möchte« fing James an, doch ich unterbrach ihn und fragte 

»Und was ist dein dunkelstes Geheimnis, James?« fragte ich und hatte endlich den Mut in seine Augen zu schauen.

Er kam näher »Das einzige Geheimnis, was ich je hatte, warst du« sagte er und hielt meinem Blick stand. Die verschiedenen Farbtöne in seiner Iris vermischten sich miteinander. Ich zog mich etwas zurück, um Abstand zu gewinnen. »Warum sollte ich den ein Geheimnis sein?« fragte ich und konnte nicht verstehen, was er damit meinte. 

»Wäre herausgekommen, dass ich dich dem König streitig gemacht hätte, wäre es vorbei mit mir« erklärte James. 

»Und machst du jetzt was anderes? Du verärgerst den Bruder des Königs. Wird dich das nicht auch den Kopf kosten?« fragte ich wütend nach. 

»Ja, dass mag sein, aber ich, wir könnten auf der Reise alle draufgehen und ich möchte nicht mit dem Gedanken sterben, dass ich es nicht zu mindestens versucht habe, dass ein Mädchen, was mir ihre Aufmerksamkeit geschenkt hat, glücklich zu machen. Und ich wünschte, ich könne ein Teil deines Glückes sein. Ich möchte nur an deiner Seite sein und dich beschützen, nicht mehr und auch nicht weniger. Und wenn ich dich davor bewahren kann, dein Herz an den Herzaufreißer Dummkopf Henry zu verlieren, dann werde ich das tun.« sagte James und kam immer näher. »Wenn du es nicht bereits getan hast« hackte er geschmeidig nach. »Nein, so leicht herumzukriegen bin ich jetzt auch nicht« sagte ich zu James.

Plötzlich ging er auf mich zu und umarmte mich. Ich erwiderte es. Hatte sich Orlon vielleicht doch in Bezug auf James geirrt? Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass James mir oder den anderen etwas Böses wollte. Ich löste mich von ihm und er lächelte mich an. »Haben wir jetzt alles wieder geklärt?« fragte er mich, während in seine Augen ein Sturm tobte, der mir unerklärt blieb. Ich antwortete ihm nicht. Ich hob meine Hand und legte sie auf die Maske- dort wo seine Wange unter ihr lag. Er zog scharf die Luft ein, doch schmiegte sein Gesicht, beim Ausatmen, in meine Hand. »Alles wird gut, Rose, vertrau mir« Ich schaute in seine Augen und entschied mich dafür ihm zu vertrauen - gegen Orlons Rat.

Er nahm meine Hand und wir gingen wieder zurück zu den anderen. Es war mir egal, was die anderen dachten. Es war mir egal, dass Henry James mit seinen Augen aufspießt und es war mir egal, dass sie mich verurteilen würden. Es war meine Entscheidung und wenn ich mich in Bezug auf James irrte, würde ich den Preis dafür zahlen.

♛ Henry ♛

Da wir uns alle etwas ausruhen wollten, bauten wir die Zelte auf. Das von Rose und mir, Alina und Jakobs und das von Malia, welche eines eingepackt hatte.

Da sich Alina und Rose ein Zelt teilen wollten, erklärte ich mich bereits eines mit Jakob zu teilen. Malia hingegen hatte das Zelt für sich allein, weil James Wache hielt. Auch wenn ich mir sicher war, dass alle anderen schon schliefen, konnte ich meine Augen, trotz der Erschöpfung nicht schließen und einschlafen. Ich musste ständig an die miteinander verschränkten Hände von Rose und James denken. Was hat er ihr über mich erzählt, dass sie sich von mir abgewendet hatte?

»Ich könnte schwören, dass ich deine Gedanken hören kann, so laut denkst du über etwas nach.« sagte Jakob und drehte sich auf die Seite, um mir ins Gesicht schauen zu können. »Los, sag schon, was bedrückt dich?« sagte Jakob. Wir haben uns einige Male unterhalten, als das ganze Theater um Vermählung und Prüfungen noch nicht angefangen hatte- die Zeit, zu der ich Rose noch nicht kannte. Wir waren damals oft einer Meinung gewesen und haben auch miteinander trainiert. Doch mit der Zeit wurde es immer seltener. Ich hatte mehr zu tun und er wurde befördert. Das hieß auch mehr Arbeit für ihn.

Wir waren damals vielleicht so etwas wie Freunde gewesen. Aber über so etwas mit ihm zu reden? Niemals! »Nichts!« sagte ich. 

»Geht es um Rose?« fragte Jakob. Eine Antwort kam aus meinem Mund und ohne es zu wollen »Woher weißt du das? Ist es so offensichtlich?« Ich drehte mich auf die andere Seite und verfluchte mich selber wegen meiner Dummheit.

Jakob fing an zu lachen, doch es erstarb kurz darauf wieder »Rose war mit meinem Bruder Edward zusammen. Solange ich denken konnte, waren sie und mein Bruder immer zusammen anzutreffen. Erst waren sie Freunde, aber als sie dann älter wurden, hatten sie sich ineinander verliebt. Sie waren unzertrennlich, aber als er von deinem Vater vor drei Jahren nach Glasien geschickt wurde, um an den Friedensgesprächen teilzunehmen und um den König zu vertreten, kam er nie wieder. Alle denken, er wäre Tod. Auch Rose hat die Hoffnung aufgegeben, dass er zu ihr zurückkommen würde. Es war ein schwerer Schlag. Sie war stark und hat sich nicht erlaubt vor anderen zu weinen, aber sobald die Nacht ihren Schleier um die Welt gelegt hatte, ließ sie ihren Tränen freien lauf. Sie wollte nicht, dass sie jemand hört, aber ich habe sie immer gehört. Es hat mir das Herz gebrochen. Sie hat seitdem niemanden auch nur angesprochen. Du musst verstehen, dass sie Angst hat, nochmal solch ein Verlust durchstehen zu müssen. Sie ist noch nicht ganz darüber hinweg. Lass ihr Zeit und den Raum, den sie braucht. Sie wird besser wissen, wem sie sich öffnet, wem sie vertraut und mit wem sie zusammen sein möchte. Respektier ihre Wünsche bitte.« sagte Jakob.

Ich konnte nicht reden und auch nicht mehr denken. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich mich nicht so verhalten. Mein Herz wurde schwer, wenn ich an die Rose von vor drei Jahren zurückdachte, wie sie wohl gewesen war? Ob das Lächeln, was sie immer auf den Lippen trug, wirklich echt war? »Ich werde auf dich hören und deinen Rat mir zu Herzen nehmen« sagte ich zu Jakob. 

»Ich weiß sie wird mir den Kopf abreisen, wenn sie erfährt, dass ich es dir gesagt habe, aber ich glaube, du tust ihr gut, Henry, wirklich.« machte er sich den Kopf. 

»Ich werde es ihr nicht sagen« beruhigte ich ihn.

»Das brauchst du auch nicht, du trägst deine Gefühle auf deinem Gesicht. Man kann dir deine Emotionen ansehen, ohne das du ein Wort sagen musst« sagte Jakob und drehte sich wieder um.

Ich blieb noch wach. Und als Jakobs Atem immer flacher wurde, erinnerte ich mich. Und auch wenn er es nicht mehr hörte, sagte ich »Danke«


Im Herzen der MagieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt