Kapitel 31 - Sonya

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Da ich mich in einer Stadt befand, in der ich mich nicht auskannte, war es dumm von mir gewesen ohne Ress fortzulaufen. Doch wie alle wussten, kannte Dummheit keine Grenzen. Auf dem Weg zurück versuchte ich mich an den Ständen zu orientieren, die ich auf der Jagd nach der Gestalt passiert hatte.

Nachdem sich die Gestalt aus dem Staub gemacht hatte, verweilte ich noch einen Moment in der Dunkelheit des Raumes. Auch wenn ich mir keine Gedanken über das, was die Gestalt gesagt hatte, hätte machen sollten, so tat ich es dennoch auch jetzt noch, als ich die Stände nach bekannten Produkten absuchte, um den Weg zurückzufinden.

Ich konnte nicht alle von mir stoßen, denn allein würde ich es nie schaffen meine Fähigkeiten zu bändigen. Sie waren nun mal meine einzige Chance – zu mindestens momentan.

Auf dem Weg zurück zum Trainingsplatz fragte ich unzählige Ambrasen nach dem Weg. Erstaunlicherweise sprachen alle meine Sprache.

Schlussendlich gelangte ich mit Anbruch der Nacht auch beim Trainingsplatz an. Naira und eine weite Person, die ihr wie aus dem Gesicht geschnitten war, standen bereit und warteten auf mich.

Ein Schwert lag vor mir auf dem Boden und die beiden Frauen mir gegenüber hatten ihres bereits erhoben und starrten mich mit finsterer Miene an. Die Tatsache, dass Naira sich nicht über meine späte Ankunft freute, war kaum zu übersehen.

Auch von Ress war keine Spur in Sicht. Wo war er nur? Er wollte mich hier doch treffen?
War er mich vielleicht suchen gegangen? Verdammt, ich würde nie wieder allein in dieser Stadt herumirren, das schafft nur Probleme.

Ich hob das Schwert auf und wog es in meiner Hand. Es lag angenehm schwer in meiner Hand und glänzte im Schein der brennenden Fackeln, die auf dem ganzen Trainingsplatz verteilt waren. Ich verlor mich in der Spiegelung des Feuers und bekam nur nebenbei mit, dass Naira auf mich zugelaufen kam. Und ehe ich reagieren konnte, ging sie so leise wie der Wind auf mich los.

Plötzlich wich die Müdigkeit aus meinen Knochen und mein Puls beschleunigte sich. Ich musste wie immer Eins mit meinem Schwert werden und das konnte ich nur, wenn ich mich konzentrierte. Deshalb fokussierte ich mich wie ein Löwe auf meine Beute und blendete alles um mich herum aus. Wie zwei Raubtiere tanzten wir im Kreis umher und ließen uns nicht gegenseitig aus den Augen.

Ich vernahm ein Knirschen hinter mir und drehte mich um, die fremde Person, die Naira wie aus dem Gesicht geschnitten war, ging auf mich los. Wie ein Startschuss legte sich auch Naira ins Zeug und hämmerte auf mich nieder. Von zwei Fronten angegriffen zu werden, erforderte meine gesamte Aufmerksamkeit und Konzentration, sodass mir bereits nach einigen Schlagwechseln, der Schweiß von der Stirn rannte und mein Herzschlag sich erhöhte.

Mein Kopf versuchte die schnellen Schlagfolgen von meinen beiden Gegnern zu parieren – links, rechts, vorne, hinten. Ich griff an und sie schlugen zurück- in einer unendlichen Folge ohne Aussicht auf Gewinner und Verlierer.

»Eines muss ich dir lassen Rose, du bist verdammt nochmal gut im Schwertkampf.« aus der Puste stützte sie sich mit ihren beiden Armen auf den Beinen ab. Auch ihr rann der Schweiß vom Gesicht und ihre Kleidung klebte ihr am Leib, na ja, wenn man den Stofffetzen, den sie trug, als Kleidung bezeichnen konnte.

Ich legte das Schwert nieder, da ich sicher war, das Naira für heute Ruhe geben würde.

Du hast heute gute Arbeit geleistet, Ambrasia. Mutter hatte recht gehabt. Hörte ich eine unbekannte Stimme in meinem Kopf.

Ich wendete den Blick zu der fremden Frau, welche mich friedselig lächelnd anstarrte. Ihre Brust hob und senkte sich sanft. Ihr schien wie Naira das harte Training nichts auszumachen- natürlich außer einigen Schweißperlen. Aber auch ich merkte wie sich meine Atemfrequenz und mein Puls langsam wieder dem normalen Tempo anglichen.

Danke, erwiderte auch ich durch denselben Kommunikationsweg, den sie genutzt hatte.

»Sonya ist stumm« warf nun auch Naira in die Runde. Seit ihrer Kindheit hat sie kein einziges Wort gesprochen. Sie kommuniziert nur durch ihre Gedanken.«

»Und was bedeutet ihr Name?«

»Weisheit. Sonya kann Visionen empfangen, weißt du? Nicht immer treffen sie auch ein. Und Versionen erzwingen kann sie ebenfalls nicht. Sie sieht nur das, was ihr erlaubt wird zu sehen. «

»Und wer entscheidet, was sie sehen darf und was nicht? «

»Das weiß keiner, Rose« Naira machte sich ran den Weg zurück Richtung Palast einzuschlagen. Erstaunt darüber das der Palast auch in der Nacht im sanften Licht der Sterne strahlend leuchtete und das weiße Marmor zum Funkeln brachte, versuchte ich meine neue Erkenntnis nachzuvollziehen und zu verstehen.

»Außerdem bringt es Unglück, die Versionen laut auszusprechen, weshalb es vielleicht kein Zufall ist, dass sie stumm ist.«

Ich blickte zwischen den Schwestern hin und her. Sonya nickte zustimmend.

»Das heißt, wenn es ihr erlaubt ist, eine Vision über ein Kriegsende zu sehen würde sie es sehen? «

»Ganz genau. Jedoch werden solche Visionen in der Regel nicht empfangen, denn niemand kann vorhersagen, wie ein Krieg endet. «

»Hmm« war das Einzige, was ich von mir gab, denn es gab nichts weiter zu bereden.

»So das Training ist für heute beendet, wenn du so weiter machst, wirst du schnell lernen und alles meistern. Du kannst stolz auf dich sein.« Lobte mich Naira und legte mir wie eine große Schwester die Hand auf meine Schultern.

Auch wenn diese Aussage, das Ende dieses anstrengenden Tages kennzeichnete, ließ mich meine Neugier nicht los.

»Wenn du begabst in der Kampfkunst bist, Sonya Visionen empfangen kann, welche Fähigkeit hat, dann Cosmia?«

»Sie kann ihre Gestalt ändern, so wie es ihr beliebt.«

»Das heißt, dass die Cosmia, die ich eben gesehen habe, nicht so aussieht, wie ich sie gesehen habe?«

»Doch, die Cosmia die du kennst, trägt ihre echte Gestalt. Aber sie kann alles Mögliche an sich verändern. Außer ihrer Stimme«

»Warum ausgerechnet die Stimme?« hellhörig und gespannt, wartete ich auf ihre Antwort.

»Mit ihrer Stimme verändert sie ihre Gestalt« ihre Augen zielgerichtet auf das Schlosstor gelegt, verschnellerte sie ihre Schritte. »Sie sing ein Lied und stellt sich vor, wie es wäre jemand anderes zu sein, dabei muss sie nur an die Person denken. «

Vor Staunen bekam ich den Mund nicht mehr zu, sodass mir mein Speichel beinahe aus meinem Mund floss. Eine Frage entwich jedoch trotzdem meine Lippen» Kann sie auch zu einer Person werden, die sie nicht kennt oder sich neu erfinden?«

»Ja das kann sie.« und ließ eine kleine Pause, bis sie zu mir gewandt sagte» Rose, ich weiß deine Neugier zu schätzen, jedoch muss ich mich noch um einige Sachen kümmern. Sonya wird dich zu deinem Zimmer begleiten.« Sie verabschiedete sich von mir und wünschte mir eine erholsame Nacht.

Ich erwiderte ihre Geste und folgte Sonya in das Schlossinnere, während Naira in die entgegengesetzte Richtung fort ging.

Als Naira um die Ecke gebogen war, nahm ich mir die Zeit und schaute mich im Eingangsbereich um, es sah genau so aus wie ich es mir vorgestellt hatte.

Auch innen war der Boden aus weißem glänzendem Marmor, indem ich mich spiegelte, wie ein Reh im schimmernden Wasser eines Teiches.

Die Wände waren eher schlicht, sodass nur einige pinke, rote und weiße Blumen in goldenen großen Töpfen den Eingangsbereich schmückten.

Kein Teppich, keine Bilder oder Statuen. Wenn man genauer hinsah, war es ziemlich leer und verlassen. Nur der Glanz, der Einsam in diesen Hallen und Gängen verweilte, in seiner tristen Einsamkeit. Als schien das Leben aus ihm gewichen zu sein.

Sonya die zu spüren schien, wie ich fühlte, sprach wie eine Mutter zu ihrem Kind, Komm Rose, ich zeige dir dein Zimmer

Und ohne zu hinterfragen, folgte ich ihr wie ein gehorsames kleines Kind. Als wir den Gängen folgten, schien auch hier außer den farbenfrohen Blumen keine Verzierungen an den Wänden zu stehen.

Schweigend gingen wir den Flur weiter entlang. Unsere Schritte schalten in den weiten langen Gängen an den Wänden ab und das Echo dieser verfolgte uns.

Ich versuchte mit Sonya zu reden und war erstaunt darüber, dass mir das Kommunizieren durch Gedanken immer leichter fiel, aber trotzdem meine ganze Konzentration forderte.

Warum ist es hier so leise?

Es war merkwürdig zu jemanden zu sprechen und dabei keinen Ton von sich zu geben. Bis jetzt war mir nicht aufgefallen, weil man immer Töne von der Stadt wahrgenommen hatte, aber jetzt, wenn es so ruhig war, schien es fast gespenstisch. Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und ließ mich frösteln.

Alle sind draußen auf dem Markt, ich erinnerte mich an die Maße von Ambrasen, die durch die Straßen marschierte, als ich mit Ress dort war und anschließend der Gestalt nachgejagt war.

Den Rest des Weges umhüllte uns die Stille, wie ein Mantel aus hartem Stahl. Es fühlt sich unangenehm an, so ungewohnt.

Sonya blieb vor einer Tür stehen, welche sich automatisch, ohne dass sie jemand anfasste, öffnete. Da mich nichts mehr schockieren und aus der Ruhe bringen konnte, spazierte ich, ohne nachzudenken durch die Tür. Das Zimmer im welchen ich mich jetzt befand, war hell erleuchtet und einladend.

Ich wünsche dir eine wunderschöne und erholsame Nacht. Wir sehen uns morgen.

Die Tür schloss sich so wie sie geöffnet wurde und versperrte mir immer mehr die Sicht auf Sonya, bis ich sie endgültig aus meinem Blick verlor.

Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in mir breit, ohne auf den Rest des Raumes zu achten, eilte ich zur dampfenden Badewanne, steifte meine Klamotten ab und ließ mich in das heiße Wasser sinken. Die wohltuende Wärme verteilte sich auf meinem Körper und ließ mich müde werden.

Die einlullende Wärme und ein Gesang, den ich von weiterer wahrnahm, ließen mich in das Land der Träume abdriften.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 17 ⏰

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