Kapitel 2

2K 83 1
                                    

Ich stand vor den beiden großen Türen, meine Beine fühlten sich wie Pudding an, während ein schwarzes Loch tief in mir pochte, das die Luft aus meinen Lungen zu saugen schien.
Ich wollte weglaufen, aber die Türen standen weit offen und das helle Licht dahinter lockte mich mit seinen Fäden und zog mich in den Raum hinein, als hätte ich überhaupt keine Wahl.
"Geh weiter.", drängte der Mann an meiner Seite und ich nahm noch einen Schritt nach vorne.
Und plötzlich war er fort und ich stand allein im Thronsaal.
Die Türen schlossen sich hinter mir, und plötzlich war ich allein.
Ich stand ihnen gegenüber - den mächtigsten und gefährlichsten Kreaturen.

War es mir erlaubt, sie direkt anzuschauen? Sollte ich sprechen?

Ich hatte keine Ahnung, wie das Protokoll lautete, nur dass ich, wenn ich dagegen verstoßen würde, nicht einmal Schmerzen empfinden würde, bevor sie mich aufschlitzten und meine Teile dorthin zurückwarfen, wo ich hergekommen war.
Meine Hände begannen zu zittern und mein Atem wurde schneller, als ich auf sie zuging, um mich ihnen vorzustellen, wie ich es gelernt hatte, meine Augen gesenkt und mein Kopf auf eine demütige Art und Weise geneigt.
Ich hielt den Kopf geneigt und wartete stumm und flüsterte im Geiste immer wieder dasselbe Mantra.

Ich bin nichts, ich bin nichts. Ich bin alles.

"Genesis."
Eine sanfte Stimme rief meinen Namen.
Es war so schön auf seinen Lippen, dass ich wieder weinen wollte, und ich hatte mich nie für einen übermäßig emotionalen Menschen gehalten, eines der wenigen Dinge, für die mich meine Mutter gelobt hatte.
Langsam drehte ich mich nach links, da ich die Stimme gehört hatte.
Ein Mann, der eine dunkelblaue Jeans und ein weißes T-Shirt trug, saß auf einem silbernen Thron, vor dem ein schwarzer Marmorfußboden lag, der so glänzte, dass ich fast mein Spiegelbild darin sehen konnte.
Sein Haar war unglaublich hell, fast weiß, und seine tiefblauen Augen leuchteten.
Er lächelte etwas schmerzlich, dabei sah er wunderschön aus - so beängstigend und schön zugleich, dass ich weggucken musste, während ich näher kam und meinen Kopf senkte.
Es sah schmerzhaft an ihm aus. Aber nur, weil er so schön war.
"Angst ist hier nicht willkommen.", sprach der Mann mit der weichen Stimme und wiederholte die Worte, die ich zuvor gehört hatte, wobei seine Stimme wie ein leichter Windhauch durch mein Ohr wehte und über meine Haut strich.
"Verzeiht... Herr.", stotterte ich.

Oder war es "Mein Herr"? Ich konnte mich nicht erinnern und hoffte, dass es nicht das letzte war, was ich sagte. Wie beschissen wäre das denn? Nicht, dass ich noch leben würde, um mich darum zu kümmern.

"Ah ...", murmelte er lächelnd und ein blendend blaues Licht flammte in meine Richtung auf, wobei ich beinahe vor der Hitze und Kraft seiner Präsenz auf die Knie sank.
Plötzlich verspürte ich einen überwältigenden Drang, ihn berühren zu wollen, von meinen Fingern bis hin zu meinen Zehen - so perfekt und makellos war er.

Ich wollte ihn schmecken. Es war mehr, als nur in seiner Nähe zu sein - ich wollte, dass alles an ihm mich verzehrte, bis ich nicht mehr ich selbst war.

»Willst du das nicht auch?«, hörte ich eine Stimme in meinem Kopf.
Ich schreckte etwas zusammen und meine Augen weiteten sich. Ich blickte langsam von meinem gesenkten Kopf auf und sah zu ihm auf, bevor ich wieder den Blick senkte, damit ich nicht versehentlich die Etikette brach, die ich lernen musste.
Ich blinzelte und versuchte, stark zu bleiben, als sich die Teile zusammensetzten.
Er war eine männliche Sirene, jemand, der so sinnlich war, so stark in seiner Sexualität, dass er nicht anders konnte, als durch sein bloßes Atmen Pheromone abzugeben.
Und ich spürte seine Macht in den Fibern meines Körpers pulsieren, wie das Blut durch meine Venen floss.
In den Büchern, die ich gelesen hatte, wurde von männlichen Sirenen nicht gesprochen, doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass er etwas anderes war, als das.
Er war zu hübsch, zu stark, zu warm.
Er glich dem Abbild der Verführung.

Die Finsterlinge Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt