POV; Ethan
Cassius war ziemlich enttäuscht darüber, dass wir fahren mussten, da er selbst einfach so aus dem Nichts hätte auftauchen können. Aber nicht jeder ist fähig einfach aus dem nichts aufzutauchen.
Doch ein Teil seiner engelhaften Herkunft gewährte ihm im Grunde genommen die Fähigkeit, zu fliegen. Cassius bevorzugte jedoch, niemandem davon zu erzählen.
Er starrte missmutig aus dem Fenster und murmelte etwas Unverständliches unter seinen Atem..
Ein weiterer Grund, warum man den Dunklen nicht trauen konnte.
Es gab Teile, dunkle Teile, die sie verborgen hielten, die wir nie verstehen würden.
Sein Blut ließ meine Adern weiter gefrieren und linderte den Schmerz darüber, dass Genesis mir entrissen worden war.
Ich hatte diese Art von Schmerz nur einmal zuvor erlebt.
Als ich meine eigene Gefährtin hatte töten müssen.
Es dauerte hundert Jahre, bis das Verlangen nach ihr endlich nachließ.
Jeden Abend, bevor ich zu Bett ging, träumte ich von ihr, nur um dann schweißgebadet aufzuwachen, während mich die Sehnsucht nach ihrem Geschmack, ihrem Geruch und all dem, was sie ausmachte, überwältigte.
Die einzige Möglichkeit, die ich fand, um sie von meinem Körper zu vertreiben bzw. zu lösen, bestand darin, mich selbst auszuhungern, indem ich ihrem Blut erlaubte, meinen Körper zu verlassen.
Es war ein innerer Kampf gegen die Bitterkeit und den Verrat, den ich wegen ihr verspürte.
"Er wird sie nicht töten.", verkündete Cassius entschlossen, als wir das Wasser des Puget Sounds erreichten.
Ich konnte ein schnippisches Schnauben nicht unterdrücken.
"Glaubst du, das ist es, worüber ich derzeit nachdenke?"
"Ja.", erwiderte er ruhig in der Gewissheit, dass er recht hatte.
Ich warf ihm einen scharfen Blick zu und biss die Zähne zusammen, unfähig, etwas zu sagen.
Er nickte, während ich meinen Blick abwandte und mir wünschte, er wäre nicht hier und ich müsste nicht auf ihn angewiesen sein.
"Ich habe dir deine Gefährtin nicht genommen.", sagte Cassius mit kühler Stimme.
"Ich habe sie getestet.", fuhr er fort und fügte hinzu: "Ich habe sie dir nicht weggenommen. Ihr Verrat war nicht meine Schuld."
"Du hast sie trotzdem angerührt.", flüsterte ich.
"Sie flehte mich buchstäblich an es zu tun.", schoss er zurück, "und du weißt, dass ich mich niemals einem Menschen aufzwingen würde."
"Du hast mir meine Gefährtin und meine Tochter genommen.", stieß ich hervor, wobei meine Stimme vor Erbitterung fast versagte.
Cassius wandte sich mit wütendem Gesichtsausdruck zu mir um und knurrte:
"Ich werde dies nur ein einziges Mal sagen. Du hast keine Tochter."
"Sie gehörte mehr mir als dir!", erwiderte ich voller Bitterkeit, während ich ihn wütend anblickte.
Cassius ignorierte meine Worte und fuhr unbeirrt weiter.
"Wenn wir das Haus erreicht haben, versuch bitte, den Erzengel nicht anzugreifen.", sagte Cassius in ruhigem Tonfall.
Ich rollte mit den Augen und erwiderte:
"Du tust so, als hätte ich keine Selbstbeherrschung."
"Wenn es um Genesis geht, glaube ich, dass dir die Selbstbeherrschung fehlt, Bruder.", entgegnete Cassius seufzend und runzelte leicht die Stirn.
"Ich liebe sie.", murmelte ich mit festen Worten.
"Ja, ich weiß.", antwortete er.
"Was weißt du schon von Liebe?", fragte ich gereizt und ließ meine Hand dabei zur Faust ballen, wobei meine Knöchel plötzlich hörbar gegeneinanderstießen, während ich versuchte, meine aufsteigende Wut zu kontrollieren.
"Ich weiß.", entgegnete Cassius mit rauer Stimme.
"Glaubt mir, wenn ich sage, dass ich es weiß."
Es war unnötig zu betonen, dass die Dunklen nicht liebten - dass Liebe genauso verboten war wie das Paarungsverhältnis, eine ebenso lächerliche Vorstellung.
Sie empfanden keine Liebe, da sie sich mehr dem Engel in sich hingaben als ihrer Menschlichkeit und jeder wusste, dass Engel nicht fühlten, nicht liebten.
Sie existierten einfach und beherrschten, doch niemals durch menschliche Gefühle. Solch starke Gefühle zu empfinden, war der Grund, weshalb die Dunklen überhaupt verflucht wurden.
"Sind wir nah dran?", fragte Cassius, während er die Stirn runzelte und die Augen zusammenkniff, als er versuchte, etwas zu erspüren.
"Du kannst sie wirklich nicht aufspüren?", erkundigte ich mich, als ich sah, wie er sein Gesicht verzog.
Ich beobachtete ihn genau und fragte mich, wie er mit all seiner Macht ihren spezifischen Geruch nicht wahrnehmen konnte.
Von dem Platz aus, auf dem ich saß, konnte ich sogar ihren Herzschlag wahrnehmen.
"Nein.", murmelte Cassius, wobei er den Kopf schüttelte, als würde es ihn wirklich aufregen.
"Da.", meinte ich und deutete auf ein großes Haus am Sund, welches direkt am Strand stand. Die Fassade war mit kunstvoller Steinmauer verziert.
Eine riesige Eingangstür ragte vor uns auf, groß genug, damit zwei große Engel hindurch passten.
"Und?", murmelte Cassius, während er den Wagen abstellte.
"Sollen wir?"
Ich schnaubte, nickte jedoch zustimmend und stieß die Autotür auf.
Es würde unmöglich sein, Sariel unvorbereitet zu begegnen. Er war ein Erzengel und zwar nicht unbedingt allwissend, doch höchstwahrscheinlich erwartete er uns.
Welcher Gefährte würde nicht durch die Hölle gehen, um seine Liebe zurückzugewinnen?
Wir gingen langsam und still auf die Eingangstür zu und ich war nicht überrascht, als sie plötzlich von alleine aufschwang.
Mein Herz fing an, wie wild in meiner Brust zu schlagen, als der Duft von Genesis noch stärker wurde und ihr Herzschlag unregelmäßiger.
"Ruhig.", murmelte Cassius, wobei er meinen Arm ergriff und mich hinter sich schob.
Ich knirschte mit den Zähnen und wehrte mich gegen den Drang, mich aus seiner Umklammerung zu befreien und in das Haus zu stürzen.
Die massive Eichentür öffnete sich plötzlich, wobei ein Schwall Feuchtigkeit durch den Raum strömte und mich dazu zwang, den Atem anzuhalten, während ein intensiver Duft nach süßem Zucker meine Nasenlöcher erfüllte.
Es roch nach Engeln - nach himmlischen Wesen.
Ich fragte mich, wie Cassius damit zurechtkam, während ich spürte, wie mein Körper plötzlich zu zittern begann, da ich einen starken Drang verspürte, in die andere Richtung zu laufen, um genau diesem Duft zu entkommen, den man mir stets als etwas gefährliches beschrieben hatte.Wenn es so gut riecht, ist es zu gut - Lauf weg.
Der Erzengel tauchte plötzlich auf, und seine Flügel waren von violetten und blauen Tönen überzogen, wobei sein wildes Gesicht zur Seite geneigt war und er ein schiefes Grinsen auf seinen Lippen hatte. Mit einer Handbewegung deutete er uns an, das Haus zu betreten, während sein Blick auf uns ruhte.
"Sariel.", murmelte Cassius, wobei er wieder sein umwerfendes Lächeln zur Schau stellte.
"Ich glaube, du hast etwas, das dem Vampir gehört.", fügte Cassius hinzu und seine Augen begannen zu funkeln.
"Natürlich.", erwiderte Sariel mit einer Stimme, die klar und ruhig war, während er mich mit einem durchdringenden und berechnenden Blick musterte.
"Vampir, deine Liebe zu ihr...", murmelte Sariel und bewegte seinen Kopf ein wenig nach links, "ist sie rein?"
"Ja.", antwortete ich mit erstickter Stimme, wobei es wehtat, zu sprechen.
Ich konnte deutlich ihre Gegenwart spüren und der Drang, nach ihr zu suchen, war überwältigend.
Ich wollte nur eines: mich vergewissern, dass es ihr gut ging, ihr die Angst nehmen, ihr mein Blut geben und mit ihr die Flucht ergreifen.
"Mmm..."
Sariel nickte uns beiden langsam zu und seine Augen glänzten weiß.
Er war nicht nur unsterblich, er war kein Mensch mehr - er war kein Mann - eher ein Wesen oder ein Geist als alles andere.
"Nach euch.", sagte Sariel mit einem breiten Grinsen auf den Lippen.
Cassius betrat das Haus als Erster. Ich folgte ihm dicht hinterher, wobei meine Nerven auf Hochspannung waren.
Ich schob mich entschlossen an dem Erzengel vorbei, ohne darauf zu achten, dass es vielleicht respektlos war, gegenüber jemandem, der mich töten konnte, wenn er es wollte.
Ich drehte mich nicht um. Und vielleicht war das der Moment, in dem meine Instinkte mich im Stich ließen.
Ich drehte mich immer um.
Immer gerochen, immer gespürt.
Aber das hier hatte ich nicht kommen sehen, denn in dem Moment, als ich mich vom Erzengel entfernte, fiel mein Blick auf Genesis - und mein Herz verkrampfte sich.
Blut.
Sehr viel Blut.
Ich griff nach ihr, wobei mich plötzlich ein heftiger Schmerz im Rücken traf, als wäre mir ein Pfeil in den Körper geschossen worden.
Mit einem Fluch stolperte ich nach vorne und spürte, wie warmes Blut mir den Rücken hinunterlief und sich mit dem eiskalten Blut vermischte, das Cassius mir gegeben hatte.
"Nein! Ethan!", schrie Genesis, wobei Tränen ihr über die Wangen liefen.
Cassius drehte sich um, wobei sich seine Augen entsetzt weiteten, als er nach meinem Rücken griff und eine einzelne, violette Feder herauszog, die von Blut getränkt war.
"Und jetzt...", murmelte Sariel, wobei er mich vor Genesis auf die Knie drückte und mit einem triumphierenden Grinsen fortfuhr.
"Beginnen wir."
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Die Finsterlinge
ParanormalEinen Finsterling zu berühren, bedeutet Tod. Mit einem Unsterblichen zu sprechen, ist Selbstmord. Und doch bin ich von beiden gezeichnet worden. Einem Vampir. Und dem König der Unsterblichen. Mein Leben ist nicht länger mein eigenes. Und jetzt...