Kapitel 4

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Ethan parkte den Wagen vor einem riesigen, eingezäunten Anwesen im Wald, mit einem wunderschönen Blick auf den See zum Stehen. Ein paar Männer standen vor den Toren.
Als sich die Tore wie von Zauberhand öffneten, raste Ethan hinein und stellte den Wagen ab.
"Komm schon."
Da ich keine andere Wahl hatte, als ihm zu folgen, stieg ich schnell aus dem Auto aus und folgte ihm in der Dunkelheit zur Tür.
Als wir die schrecklich schicke Eingangshalle betraten, konnte ich es kaum glauben, wie elegant alles war.
Zwei Männer mit gleichfarbigen Augen, aber dunklerem Haar, blickten von mir zu Ethan rüber.
"Verzeihen Sie, mein Herr, aber Sie können keinen Züchter ins Haus holen! Nicht, wenn Sie die Nacht überleben wollen.", sprach der Erste mit dunklerem Haar.
Ich sah, wie er mich mit seinen dunklen Augen anstarrte, und ich fühlte mich nicht wohl unter seinem Blick.
Der andere Mann beugte sich vor und schnupperte an mir.
"Sie ist gezeichnet!"
Ich fühlte wie mein Blut in den Adern gefroren ist, als er sich vor mich beugte und mich schnuppernd anstarrte.
"Halt dich da raus, Ben.", sagte Ethan, als er mich ins Haus zerrte.
Ich schaute über meine Schulter zu den Männern zurück. Jetzt blickte Ben mich nachdenklich an, seine dunklen Augen studierten mein Gesicht.
"Züchter?", wiederholte ich verunsichert.
"Was hat er damit gemeint?," fragte ich noch einmal.
"Schweig, Mensch.", spuckte Ethan.
Er zog mich weiter durch das Haus, bis er schließlich in einer Gourmetküche anhaltet.
"Ich weiß noch nicht, was ich mit dir machen soll. Ich nehme nicht an, dass dir die Hundehütte da hinten oder der schöne Wassernapf mit dem Namen Scratch gefallen?"
Mir blieb der Mund offen stehen.
Ich konnte meinen eigenen Gedanken nicht vertrauen, da mein Verstand den Wahnsinn von dieser Situation noch nicht verarbeiten könnte.
Ich habe überhaupt keine Ahnung, was hier abgeht, oder warum ich wie ein Hund behandelt werde.
"Ein Hund? Du willst mich wie deinen Hund behandeln?"
"Ein Scherz.", grinste er, "Aber gut zu wissen, dass du dagegen bist, draußen zu schlafen."
Meine Knie drohten nachzugeben. Er muss es bemerkt haben, denn im Nu lag ich in seinen Armen und wurde zum nächstgelegenen Stuhl getragen.
„Menschen", flüsterte er in mein Haar, während er mich fest an seine Brust drückte, "so zerbrechlich."
Ich merkte nicht, dass ich in den Armen eines Vampirs lag. Genau genommen registrierte ich gar nichts. Nichts ergab einen Sinn, und ich war mir nicht sicher, ob ich überhaupt Fragen stellen durfte, da mir mein Verstand gerade komplett vernebelt wurde.

Das war nicht meine Aufgabe.

Meine Mutter hatte das klar gemacht.
Ich hatte Angst, das Falsche zu tun - und dafür zu leiden.
Der Raum fühlte sich wieder warm an. Warm und vertraut. Ich sah gerade auf, als Stephanie und Alex ins Zimmer stürmten.
"Ihr Geruch ist hier überall zu riechen", sagte Alex, während er den Kopf schüttelte, "Es reicht nicht aus, sie nur fortzubringen."
"Ich habe sie seit einer Viertelstunde. Er hat sie verdammt noch mal markiert. Was erwartest du von mir?"
"Streng dich an", schnitt Alex und richtete seine kalten blauen Augen auf mich, "Tut mir leid, Kleines, aber dieser Tag wird noch viel schlimmer werden, bevor er besser wird."
"Ich werde es tun.", sagte eine dritte schroffe Stimme.
"Mason... tu dein Schlimmstes.", nickte Ethan.
Mason grunzte und streckte mir seine Hand entgegen. Ich verweigerte mich sie zu nehmen.
"Verdammt, Ethan, was hast du mit ihr gemacht?", rollte Mason mit den Augen, "Sie ist versteinert."
"Sie ist ein Mensch.", betonte Stephanie.
"Es tut mir leid.", sagte ich schüchtern, "Es tut mir leid, dass ich Angst habe.", fügte ich hinzu, wobei ich es kaum schaffte, ihnen in die Augen zu schauen. Sie hörten alle auf, sich gegenseitig anzustarren, und konzentrierten sich stattdessen ganz auf mich.
"Angst zieht Unsterbliche an", sagte Mason klar und deutlich, "Es wäre gut, wenn du aufhören würdest zu zittern."
"Verlangsamt ihr Herz!", entgegnete Stephanie und schlug Ethan auf die Brust, "Beeil dich!"
Ethan rollte mit den Augen, konzentrierte sich auf mich, und mein rasendes Herz beruhigte sich langsam wieder.
"Mason", räusperte Alex, "beeil dich."
"Gut."
Mason trat einen Schritt vor.
"Wir werden dir nicht wehtun... aber es wird wehtun."
"Was?"
"Nur...", Ethan fluchte und sah weg, "...so ruhig wie möglich bleiben, Mensch."
"Sie hat einen Namen,", verwies Alex und erntete dafür einen feurigen Blick von Ethan und Mason.
Mein Atem stockte, als Mason sich nach unten beugte, mich an den Schultern packte und sanft an meinem Hals knabberte.
Es fühlte sich gut an - bis ein schneidender Schmerz auf das Knabbern folgte.
Ich habe schmerzhaft geschrien. Er hat aber nicht losgelassen.
Als ich kurz davor war, ohnmächtig zu werden, zog er sich zurück, seine Augen waren völlig schwarz.
"Es hat nicht geklappt. Verdammt."
Frustration war in Ethan's Gesicht gezeichnet, er fuhr sich mit den Händen durch die Haare.
"Du musst etwas tun ...", meinte Stephanie, und blickte Ethan scharf an, "er wird sie sonst finden, wenn du es nicht tust."
"Ich habe keine Ahnung, was zum Teufel ich tun soll.", fluchte Ethan laut; "Sie beißen?!"
Der Raum wurde still.

Haben Vampire nicht gebissen? Hatte das nicht in dem Text gestanden?

Alex atmete laut aus.
"Ich werde es versuchen, aber reg dich nicht auf, wenn sie zu einer Pfütze auf dem Boden schmilzt."
"Oh bitte.", rollte Stephanie mit den Augen, "Konzentrier dich."
Alex schnippte mit den Fingern vor meinem Gesicht.
"Lass mich wenigstens versuchen, seinen Duft mit meinem zu überdecken."
Seine Lippen senkten sich.
Und ich wurde geküsst - von einer Sirene.
Etwas, das in den Texten als unbeschreibliche Ekstase beschrieben wurde.

Ich hatte zu viel Angst, um irgendetwas außer Hitze und Verlangen zu spüren.

Mein Herzschlag beschleunigte sich wieder.
Mein Körper wurde feucht und heiß, als sich sein Mund gegen meinen bewegte.
Als er sich zurückzog, lächelte er nicht zufrieden, sondern verzweifelt.
"Es tut mir so leid, kleiner Mensch.", blaue Augen blickten mich an als würde er mir sagen wollen, dass ich sterben werde.
Stephanie warf mir einen schnellen Blick zu, ihre Augen glänzten alarmiert.
"Du muss etwas tun!", sagte sie zu Ethan, "Er wird sie holen", und ihre Augen flackerten zu mir, "Wenn er sie mitnimmt..."
"Ich weiß", knurrte Ethan, "Meinst du nicht, ich bin mir unserer eigenen Prophezeiung bewusst?"
"Und doch spielen wir ihr direkt in die Hände ...", murmelte Alex.
Mason zitterte, als wäre er am Rande eines Nervenzusammenbruchs.
"Jedes Jahrhundert...", murmelte er.
Alex sah ihn an, und nickte leise.
"Ich dachte... eine Sekunde lang dachte ich, dieses Mal wäre es anders. Es fühlte sich anders an, nicht wahr?"
Der Raum war komplett still nach der Aussage von Alex.
Meine Stimme war heiser, ich war komplett überfordert.
"Was... Was mache ich hier wirklich mit dir?", flüsterte ich, "Warum wurde meine Nummer wirklich aufgerufen?"
Stephanie ließ sich auf einen Stuhl plumpsen. "Oh je. Hat Ethan das nicht erklärt?", fragte sie.
"Schon wieder eine Viertelstunde", murmelte Ethan vor sich hin.
"Und sie ist ein Mensch... Es ist ja nicht so, dass ihre Fähigkeit, neue Informationen zu lernen, weiterentwickelt wurde", warf Mason grinsend ein.
"Schatz ...", Stephanie streckte ihre Hand über den Tisch und legte sie auf meine.
"Was auch immer deine Familie dir beigebracht hat, ist eine Lüge. Du bist nicht hier, um uns zu lehren oder irgendetwas in dieser Richtung zu tun. Du bist ... du bist ein Züchter."
"Du bist ein Züchter", wiederholte ich verwirrt, "... wie ein Pferd?"
Mason lachte noch lauter.

Wenigstens wusste ich, dass Werwölfe nicht darauf aus waren, mich zu töten.

Ethan fluchte und setzte sich auf die andere Seite von mir.
"Wir rufen alle fünfzig Jahre Nummern auf, um uns fortzupflanzen. Unsterbliche können sich nicht mit anderen Unsterblichen fortpflanzen", erklärte er. "Die Menschen werden aufgrund ihres Geruchs, ihrer Stärke und ihrer...", er hustete und sah weg, "Äußerliche Attraktivität ausgewählt."
"Aber ich bin hässlich", platzte ich heraus, "Für dich bin ich hässlich. Wir sind hässlich, wir sind nichts, wir..."
Ethan schüttelte langsam den Kopf.
"Und das ist die größte Täuschung von allen."
Seine Hände wanderten zu meinem Kinn.
"Für uns bist du nicht hässlich. Du bist die absolute Perfektion.", fügte Alex zustimmend hinzu.
"Für einen Finsterling", fuhr Mason fort, "bist du das Leben selbst."

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