SARAH
„Haben wir alles?" Im Stechschritt marschierte Sarah in Richtung der Autos und schleifte dabei ächzend zwei große Koffer hinter sich her. Ace sprang mit einem Satz die Eingangstreppe hinab und stürmte hinter seiner Gefährtin her. „Liebes! Ich hab doch gesagt... lass mich das tragen." „Hör mal zu, mein süßer gebundener Wolfsjunge. Ich bin kein zartes Pflänzchen! Merk! Dir! Das!" Sarah hatte einen der Koffer losgelassen und tippte ihrem Mann mit einem Zeigefinger warnend gegen die Brust um ihre Worte zu bekräftigen. Der große blonde Beta grinste und meinte: „Du und ein zartes Pflänzchen? Das würde ich doch nie im Leben behaupten, mein Engel. Trotzdem.... ich bin ein kleines bisschen stärker als du und ich möchte nicht das du dir den Rücken brichst, während du versuchst, die Koffer in den Kofferraum zu wuchten." „Pffff...!" beleidigt reckte die junge Heilerin ihre kleine Nase und stapfte mit erhobenem Kopf, die Koffer hinter sich her zerrend zum Kofferraum. Dieser war bereits geöffnet und wartet nur darauf beladen zu werden. Japsend und röchelnd stemmte Sarah den ersten Koffer hoch. Das schwere Ding glitt ihr auch promt aus den Fingern und krachte auf den linken Fuß. Laut fluchend hüpfte sie auf einem Bein herum und versuchte den Koffer mit ihrem besten Todesblick zu ermorden. Zwei große starke Hände packten die Gepäckstücke, hoben diese ohne weitere Kraftanstrengung hoch und platzierten sie sicher. Danach schloss Ace langsam den Kofferraum und drehte sich mit einem mitfühlenden Blick zu seiner Gefährtin um. „Alles okay, meine Kleine," fragte er. „Soll Christopher sich das einmal anschauen?" „NEIN!" fauchte Sarah „Mir geht's gut! Können wir jetzt endlich los?" So würdevoll wie es auf einem Bein war, hoppelte sie dann in Richtung der Beifahrertür.
Mit großen Augen und abwehrend gehobenen Händen folgte ihr der blonde Mann, öffnete die Fahrertür und lehnte sich dagegen. Abwartend sah er über das Auto zum Rudelhaus hin. Nur kurze Zeit später kamen die Drillinge mit dem Gepäck nach draußen und steuerten das zweite Auto an. Hinter ihnen watschelte die hochschwangere Alia aus dem Haus, in der einen Hand ein riesiges Nutella Glas, in der anderen Hand eine Bockwurst. Ace schmunzelte. Lia war im letzten Trimester ihrer Schwangerschaft und nun hatten die seltsamen Schwangerschaftsgelüste voll zugeschlagen. Da sie ein Wandler und somit ein Carnivore war, konsumierte die Omega natürlich grundsätzlich Fleisch. Und aus irgendeinem Grund Nutella ... oder Honig... oder Marmelade und selbstverständlich alles immer in Kombination! Nur saure Gurken mochte sie absolut nicht, was Ace extrem witzig fand...
In den knapp vier Wochen, die seit der Gefährtenbund-Zeremonie von Sarah und Ace vergangen waren, hatte Alia es tatsächlich geschafft für die gesamte Alphagarde des Ruhrgebiet Rudels der Blackfords kuschelweiche Schals zu stricken. Was nichts anderes bedeutete, als dass jetzt die 200 riesigen Gamma-Krieger Wölfe mit rosanen Flauscheschals durch die Gegend rannten. Nachdem dieses Projekt vollendet war, war - der Göttin sei Dank - Lia zu müde geworden um weitere Strickobjekte in Angriff zu nehmen. Stattdessen hatte sie begonnen systematisch den Kühlschrank leer zu futtern- gerne auch mal mitten in der Nacht.
Vor drei Wochen dann waren Emma, Jax und Aaron zusammen mit Emmas Lunagarde zurück zum Rhein Rudel gefahren um alles für die Alpha Gefährtenbund Zeremonie vorzubereiten. Und heute würde sich ihnen die Führungsspitze der Blackfords in Waldbrücken anschließen, da in zwei Tagen ihre geliebte kleine Emma ihren gewählten Gefährten endgültig im Licht des kommenden Vollmondes als den ihren annehmen würde.
Ächzend rieb Alia sich den Rücken. Dann funkelte sie wütend in Sarahs Richtung. „Wie lange noch?" fragte sie genervt. Die schwarzhaarige junge Heilerin ließ das Fenster runter und legte ihre Arme über die Fensteröffnung. „Nur noch ein paar Tage...Sei froh, Lia, dass du kein Mensch bist! Dann würdest du neun Monate schwanger sein anstatt nur vier." Die weißhaarige Omega knurrte gereizt und an einer Stelle wölbte sich der Bauch unter einem heftig zutretenden Füßchen aus. „Uff!" jammerte sie. Grayson warf Ace ein kurzen, bedeutenden Blick zu und murmelte: „Grundgütige... Fünf weitere Monate und wir alle würden auf dem Zahnfleisch gehen, in Pinke Wollpullover gekleidet sein und vermutlich ein neues Rudelhaus bauen müssen, weil sie das alte in die Luft gejagt hat!!!!" Der blonde Beta versteckte das Lachen hinter einem gefakten Hustenanfall und schwang sich in den Fahrersitz. Alia fixierte ihren Gefährten mit ihrem silbern glitzernden Sternenaugen und kletterte meckernd und vor sich hin maulend auf den Rücksitz. Markus, der hinter Sarah Platz nahm, sagte grinsend: „Donnerwetter... ich mach drei Kreuze, wenn die Welpen endlich da sind! Ich muss ja gestehen, in den ersten drei Monaten war es irgendwie goldig... Aber allmählich werden ihre Stimmungsschwankungen, nun ja ... ein wenig zu heftig!" Die schwarzhaarige junge Frau schmunzelte, als sie in dem Wagen vor sich zusah, wie Alia Konstantin in den Arm nahm, ihm liebevoll den Kopf kraulte, während sie mit der anderen Hand das Bockwürstchen drohend in Lucans Richtung schwang. „Ganz ehrlich, solange ich nicht zu nah dran bin, ist es immer noch zum brüllen komisch!" kicherte Sarah.
Erleichtert atmeten alle auf, als Grayson sich ans Steuer setzte. „Oh, der Göttin sei Dank. Sie werden lebend ankommen!" murmelte Ace. Lucan streckte den Kopf aus dem Beifahrerfenster und brüllte: „DAS HAB ICH GEHÖRT!" Lachend legte Grayson in den ersten Gang ein und fuhr los.Das zweite Auto folgte, als Ace ebenfalls Gas gab. Lächelnd sah Sarah zu, wie Alia Lucan tröstend über den Sitz hinweg in die Arme schloss und versuchte ihn, mitsamt des Sitzes natürlich, wie ein kleines Baby hin und her zu wiegen. In dieses niedliche Bild versunken bemerkte die Heilerin nicht, wie Markus ein Frage an sie richtete. Erst als ihr Gefährte sanft eine Hand an ihre Wange legte, schrak Sarah auf. „Hm?" fragte sie. Markus lächelte und wiederholte: „Sie hat also nur noch ein paar Tage vor sich, ja? Ist es für sie eigentlich sicherer, in Menschenform zu gebären oder wäre es einfacher als Wolf?" „Als Wolf," antwortete Sarah. „Das Problem ist, dass die Welpen immer wieder zwischen ihren Formen hin und her wandeln. Mal sind es menschliche Föten, mal Wolfs Embryos. Es ist also schwierig einzuschätzen, wie es an dem Tag der Geburt sein wird. Ich fürchte daher leider, dass das eine Entscheidung sein wird, die in dem Moment getroffen werden muss. Aber als Wolf würde es für Lia definitiv einfacher sein." Ace warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel und sagte zu seinem Freund und Mit-Beta: „Mein Schatz ist auf alles vorbereitet. In einem der beiden Koffer ist die halbe Kranken-Station..." Markus hob eine Augenbraue. „Echt jetzt?" Sarah zwinkerte ihm zu: „Better save then sorry!" „Auch wieder wahr," erwiderte der Mann und lehnte sich zurück. „Weckt mich, wenn wir da sind.." Ace warf einen zweiten, diesmal besorgten Blick in den Rückspiegel. „War es so anstrengend?" fragte er. Markus seufzte zustimmend.
Nach dem kurzen Besuch von Sam und Sascha vor vier Wochen, waren die beiden Betas des Sauerlands vergangene Woche erneut zu den Backfords gekommen. Diesmal hatte Nils sie begleitet - älteste Bruder und erste Beta. Die Vorbereitung für den Rudel-Krieg gegen die Hamburger war nun im vollen Gange und während die Drillinge und die beiden Jung-Betas nebst Gefährtinnen als Zeugen der Gefährtenbund- Zeremonie von Jax und Emma beiwohnten, bereiteten der Alt-Alpha Warren Blackford und Ace's Vater Jonah Cunningham alles weitere vor, brachten das Bündnis zum Sauerland in trockene Tücher und erarbeiteten gemeinsam mit ihnen einen Schlachtplan. Sarah seufzte leise, schob aber dann den bedrückenden Gedanken an Krieg mit aller Macht in den hintersten Winkel ihres Verstandes. Jetzt würden sie erst mal gründlich Emma und Jax feiern.Danach würden sie sich alle immer noch genug Gedanken um den bevorstehenden Krieg machen können.
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Sarah
WerewolfGenau wie meine beste Freundin Emma kann ich meine Vergangenheit nicht als... einfach bezeichnen. Ihr erstes Rudel, in welchem meine Mutter und ich als Heiler gedient haben, hab ich nur ihretwegen ertragen und nun, da Emma frei ist, können auch wir...