Ein wenig benebelt ließ ich den Türknauf von Slughorns Bürotür los, trat über die Schwelle und ging dann eilig einen Schritt beiseite, da bereits zwei weitere Schüler hinter mir nach kamen.
Sie gingen an mir vorbei, ohne mich wirklich zu beachten, sie schienen nicht wie ich ein wenig überfordert von der Menge an Menschen und Farben zu sein.
Flüchtig erkannte ich einige bekannte Gesichter und den hier versammelten Gestalten.
Ich verspürte jedoch nicht den Drang mit ihnen zu sprechen.
Ein wenig nervös zupfte ich an meinem Kleid herum, zu wissen das Dumbledore nicht zu gegen war um mir Rat zu geben, wurde mir erst jetzt wirklich bewusst, als ich mich auf dieser Feier umsah.
Ein trockenes Gefühl der Einsamkeit machte sich in mir breit. Er war dasselbe das ich immer in den Sommern im Waisenhaus verspürt hatte.
Und wäre jenes Gefühl ein Geschmack gewesen, wäre es mir so salzig auf der Zunge zergangen, wie die Bouillabaisse die es beinahe jeden Freitag Mittags auf Beauxbatons gegeben hatte.
Mit einem leisen Seufzer aktzeptierte ich meine Situation, jetzt war es nicht zu ändern und einfach gehen, war keine Option.
Ich schob mich durch die Menge, einem Ertrinkenden gleich, der nach einem Rettungsanker sucht.
Keinem Retter in Menschenform, nur eine unbelebte Insel in diesem Meer aus Kleidern, Rauch, Tabletts und aufdringlicher Weihnachtsmusik.
Ich hatte einen freien Tisch erspäht, an ihm stand nur ein Mädchen, dessen Gesellschaft sicherlich tragbar war, sie hatte ein dunkelblaues Kleid an, ihr Haar in zwei geflochtene Zöpfe geteilt, außerdem hatte sie ihr Haupt mit einem Schneeflockenreif gekrönt, dazu trug sie eine Brille mit runden Gläsern.
Sie erinnerte mich ein wenig an die von Dumbledore.
Sogleich bildeten sich paranoide Ahnungen vor meinem geistigen Auge, wie die das er doch hier war und mich belogen hatte, nur um zu sehen was ich tat wenn er nicht da war.
Ich blinzelte und hielt inne.
Bei den meisten geht der Verstand nicht im nüchternen Zustand auf einer Festlichkeit verloren.
Vielleicht würde Alkohol dann auch das Gegenteil erzeugen und mich wieder klarer denken lassen.
Ich sah mich um, beinahe jeder zweite hatte ein Glas oder einen Becher in der Hand, nur die Quelle war nicht ausfindig zu machen.
Ich glaubte gerade sie entdeckt zu haben, als sich jemand zu mir umdrehte.
"Ah, willkommen, willkommen!
Schön sie zu sehen!"
Professor Slughhorn trug ein weißes Hemd, darüber ein Karamel farbendes Jackett, das er offen ließ, aus seiner Brusttasche hing eine kleine goldene Taschenuhr heraus, sie schwang unruhig hin und her, als er seinen Krug zum Mund hob.
Er war der einzige hier den ich bis jetzt mit einem gesehen hatte.
Im gleichen Augenblick viel mir auf, das außer ihm auch keine weiteren Lehrer anwesend waren.
Die Schüler dessen Blicke mich trafen, kannte ich teilweise vom Sehen nur, mit einigen wenigen hatte ich auch Kurse. Jedoch waren die meisten sogar aus meinem Haus. Dennoch erschienen sie mir nicht weniger fremd, als die übrigen.
"Ist es nicht prachtvoll, ich mag behaupten ich hätte mich dieses Jahr selbst übertroffen!"
Ließ sich Slughorn vernehmen, er hatte sich ein wenig zu mir gebeugt. Ich lächelte höflich und wollte etwas erwidern, als jemand mir diese Aufgabe abnahm:
"Und ich dachte das wäre beinahe nicht möglich gewesen, Professor."
Der Junge, Lestrange war sein Name, glaube ich, hatte seine Hand brüderlich auf die Schulter von Shlughorn gelegt und führte mit der anderen ein Glas zu seinen Lippen, um anscheinend nur prüfend daran zu riechen.
"Bitte, bitte, nur kein speichelleckerischen Aussagen."
Wehrte der angesprochene Professor ab, doch angesichts seiner leicht freudig geröteten Wangen und dem glänzen seiner Augen, konnte er es nicht all zu ernst meinen.
Lestrange schmunzelte, ihn durchschauend, wie es mir schien, dann schweifte sein Blick zu mir, es mochte mir nur so scheinen, aber seine Miene nahm einen wesentlich dunkleren Ton an.
"Es freut mich das Sie kommen konnten."
Slughorns Stimme brach meine innere Anspannung nicht so sehr wie ich es mir in diesem Moment gewünscht hätte.
Einen Augenblick dauerte es, bis ich realisierte das er mit mir gesprochen hatte.
"Ich freue mich auch Professor, danke, für die herzliche Einladung."
Erwiderte ich ein wenig steif, wie mir schien.
"Keine Ursache, Mrs. Dawson."
Murmelte Slughorn in seinen Krug, wie der Gnom in seinen Bart.
"Das ist als Mitglied des Clubs, selbstverständlich."
Lestranges Stimme war so schneidend, wie der Wind der draußen um die Schlossmauer pfiff.
Diesmal sah ich ihn an, als er sprach.
Er nippte vom Rand seines Glases und leckte sich dann die Lippen.
Es schien, als würde das was er trank puren Hass enthalten.
Ich sah mich um, wenn er hier war, wo war dann-
"Riddle, sehen sie sich an."
Er trat aus der Menge, als hätte Slughorn ein Buch aus dem Regal gewählt und heraus gezogen, damit wir es alle betrachten konnten.
"Sie erinnern mich an ihren Großvater, er war auch so ein Prachtkerl in seinen jungen Jahren, bis dann- nun ja..."
Es schien als wäre Professor Slughorn bis zu einem gewissen Moment entfallen das er ein schwieriges Thema ansprach, ich senkte den Blick, über Riddles Familie wusste ich nichts weiteres, außer das es schwierig war.
Man konnte das Gerede unserer Erzieher im Waisenhaus manchmal sehr deutlich durch die dünnen Wände hören.
Wenn wir unter uns Kindern waren rätselten wir manchmal darüber, aber nie hatte jemand offen über seine Famimie gesprochen, vielleicht weil es nichts zu erzählen gab, weil man nichts mehr wusste.
Und wenn man etwas wusste, dann verschwiegen man es aus Solidarität den anderen Schweigenden gegenüber.
Diese ernste, reife, unkindliche Aura umgab uns alle bereits zu früh, wie mir jetzt schien.
Ich benetzte meinen trockenen Lippen mit der Zunge und hob meinen Blick wieder, ein Gefühl durchfuhr mich wie der Schnitt einer kalten Messerklinge.
Es war wieder sein Blick, durchbohrend, furchtbar.
Zugleich fiel mir in den Sinn, was sich reglos, ledrig mit leichtem Gewicht gegen meine Seite drückte.
"Entschuldigen Sie mich, ich sehe die Kürbispasteten gehen zur Neige."
Slughhorn entzog sich, mehr oder weniger geschickt, der unangenehmen Situation in der er sich befand und ließ uns darin zurück.
Oder nur mich?
Als mein Blick Slughorn folgte wie er sich von uns abwandte und davon ging, fühlte ich wie die Temperatur um ein paar Grad hinunter sank.
Vorbeugend sah ich mich um, nach einem bekannten Anker im Meer der mir fremden Schüler und Schülerinnen, doch ehe ich mich vollends auf die notwendige Suche einlassen konnte, bekam ich im Augenwinkel etwas mit.
Riddle neigte sich zu Lestrange hinüber und redete kurz auf ihn ein. Nicht lange und er nickte knapp, wendete sich ein wenig stoisch ab und verschwand zügig aus meinem Blickfeld. das beunruhigte mich mehr als mir in diesem Moment klar war.
Denn schon merkte ich wie Riddles Blick sich mir zuwandte und nicht lange da kam er auf mich zu.
"Allein hier?"
Es war weder amüsiert-interessiert noch vollkommen abweisend von ihm vertont.
Vielleicht neugierig und auf eine gewisse Art lauernd.
"Hast du deine Zunge verschluckt? Oder lässt dir unsere letzte Begegnung noch Mark und Bein erzittern?"
Ich sah nur seine Augen, schließlich bekam ich ein Kopfschütteln zustande.
Ich kam mir wie in einer Prüfung vor, für die ich nicht ausreichend gelernt hatte.
"Nichts davon."
Sagte ich leise.
Ich sah nicht zur Seite, nicht dieses Mal.
Es schien mir, als würde er mich dann erst Recht durchschauen.
"Mh..Was ist es dann?
Wenn nicht die Furcht, dann die Ehrfurcht vielleicht?"
Ein feines freudlosen Lächeln lag auf seinen Lippen.
Es kroch mir kalt den Rücken hinunter.
Er wusste es.
Im nächsten Moment würde er es mich offenbaren lassen, demütigend.
"Bleib hier stehen, und denk darüber nach, ich besorge uns etwas zu trinken."
Verblüfft, nicht weniger sprachlos als davor sah ich ihm nach.
Ist dies eine Umgarnungstaktik fehlt ihm die notwendige Wärme. Doch es schien mir das er nicht einmal zu solch einer vorgetäuschten Warmherzigkeit im Stande war.
Ich beobachtete ihn wie er zwei Gläser mit Elfenwein von einem Tablet nahm und wieder in meine Richtung geschritten kam.
Nun vielleicht, brauchte er selbst dies nicht, und keine von den Mitteln die Leihen benötigten. Versunken in Gedanken nahm ich kaum wirklich war wie er mir ein Glas in die Hand setzte und das seine hob.
"Riddle-"
Ich vergas was ich ihm sagen wollte, als ich meinen Blick zu ihm aufhob. Vielleicht war das gut.
"Dawson."
Er stieß mit mir an.
Das leise Klirren ging in der allgemeinen Geräuschkulisse unter.
"Cheers."
Er wartete bis ich den ersten Schluck nahm, es war ein seltsamer Moment.
Schließlich trank ich.
Der erste Schluck war immer bitter. Er übersprang den seinen.
"Kannst du mir nun eine Antwort auf meine Frage geben?"
Ich hielt inne, schnell rief ich mir seine letzte Frage in den Sinn.
Sie war im Gerede der Menschen verschluckt worden, wie das Klirren unserer Gläser.
"Ehrfurcht, es ist die Ehrfurcht, nehme ich an."
Murmelte ich leise, es war ein Symptom der Vorsicht.
Ich betete dafür das er mich nicht verstanden hatte.
"Kluge Wahl, auch wenn du lügst."
Die Hoffnung meines Gebets zerbrach, wie Fensterscheiben nach Steinwürfen und ich hielt es nicht länger aus.
"Ich muss dir etwas geben."
Entfuhr es mir und den Worten mussten Taten folgen. Gezwungenermaßen.
Ich griff in die Tasche die ich über eine Schulter gehangen trug.
Sie war klein und schlicht, ein Ausdehnungszauber lag auf ihr, sonst hätte das Buch nicht hinein gepasst. Ich zog es heraus, es sah so harmlos aus. Und es fühlte sich recht angenehm in meiner Hand an. Kühl und sanft.
Man weiß ja wie Leder sich anschmiegt, beispielsweise bei Schuhen, wenn man sie eingetragen hat. Hatte das Tage- und Nächtelange liegen in meiner Schublade auf Riddles Tagebuch den gleichen Effekt? Unmöglich. Ich reichte es ihm.
"Du hast es in der Bibliothek bei unserer ersten Begegnung dort vergessen."
Erneut war sein Ausdruck unergründlich.
Er nahm es entgegen.
"Ich habe es nicht gelesen."
Fügte ich eilig hinzu, ehe meine Fingerspitzen sich vollends vom dunklen Einband lösten.
Seine Augen blitzen auf einmal gefährlich auf.
"Wie willst du das beweisen?"
Konfus senkte ich meinen Blick erst wieder auf das Buch in seiner Hand und dann hob ich ihn wieder langsam zu ihm.
"Ich weiß nicht was darin steht."
Ich bemühte mich so ehrlich wie nur möglich zu klingen, er reizte mich, denn ich war ja ehrlich.
Doch er konnte in diesem Moment jeden Gedanken, jeden Fakt in Frage stellen. Er stellte sein unberührtes Glas beiseite, jede Bewegung seinerseits hatte beunruhige Bedeutung.
Ich fragte mich ob er es, wenn jetzt, dann auch sonst mit Absicht tat.
Er reichte mir das Buch zurück.
"Wie wäre es wenn du es jetzt öffnest und mir vorliest was darin steht."
Überrascht sah ich ihn an.
War das nun Klugheit oder Torheit?
Ein Schuss gegen ihn oder mich?
In seinen Augen schien es mein Ende zu sein.
Ich teilte meine Lippen, meine Verwirrtheit zum Ausdruck zu bringen. Doch er unterbrach mich.
"Du hast mich schon richtig verstanden."
Er hielt mir das Buch immer noch erbarmungslos hin.
Mit einer anderen Persönlichkeit hätte ich unter diesen Umständen vielleicht gelacht, doch nur ein nervöses kindliches Kichern lag mir auf der Zunge.
Ich erstickte es in Unbehagen und nahm das Buch von ihm wieder zur Hand, im Gleichen Zuge nahm er mir auch das Glas aus der Hand.
"Los, lies, Dawson."
Er wirkte ungeduldig, selbst äußerlich, etwas in seiner Stimme und Gestik war ungehalten.
Ich öffnete Tom Riddles Tagebuch.
"Es steht nichts darin."
Leere Seiten.
Ich blätterte noch einige vor, dann diese wieder zurück.
Meine Augenbrauen zogen sich verwirrt zusammen.
"Überhaupt nichts..?"
Je leerer das Buch war desto voller wurde mein Kopf nun mit Fragen. Ich blickte verständnislos zu ihm auf.
Er leckte sich amüsiert über die Lippen.
"Nein."
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Prinz Des Bösen
Fanfic"Wie begrenzt dein Horizont doch ist. Es kann nichts größeres geben als die Macht die uns verliehen ist. Götter sind nichts als eine Erfindung der Muggel um sich an etwas festzuhalten was stärker ist als sie. Aus Angst vor dem Leben sind sie enstand...