6. Kapitel

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„Wie dürfte ich das verstehen?", fragte ich mit einem angewiderten Ausdruck im Gesicht.

„Mein Bruder hat sich in dich verknallt", erwiderte Klaus, was meine Frage zwar nicht beantwortete aber wenigstens war das ein plausibler Grund für meine Entführung. „Ich hole ihn mal!", fügte Klaus noch hinzu und stand auf, „Beweg dich kein Stück!"

Musste sein Bruder nicht dreißig sein oder so?

Er ging zur Tür und schloss sie hinter sich. Obwohl ich den Schlüssel in der Tür hörte, rannte ich zu ihr und zerrte wie verrückt dran, aber sie blieb verschlossen.

Unter dem Zeitdruck meines Lebens sah ich mich im Zimmer um, und die einzige andere Möglichkeit rauszukommen waren die Fenster. Schnell sprintete ich zu einem dieser und versuchte es zu öffnen. Vergebens! Ebenso wie alle anderen Fenster. Also anderes.

Ich ging schnell zu einem Bücherregal, griff nach einem dicken Buch, und schleuderte es mit voller Wucht in das größte Fenster. Überall fielen Glasscherben und -Splitter hin, welche ich aber einfach mit meinem Schuh beiseite schob. Ich streckte meinen Kopf aus dem Fenster, blickte hinunter, erkannte aber nicht in welchem Stock ich ich mich befand. Eins war aber sicher, es war hoch. Dies war mir herzlich egal, denn ich erkannte eine Regenrinne an der Seite, an welcher ich runterklettern könnte.

Gerade wollte ich mich aus dem Fenster schwingen, als ich unter mir jemanden sah. Es war ein mexikanisch aussehender, hochgewachsener Mann mit kurzen, braunen Haaren, welcher auf spanisch fluchte. Er sah wie um die dreißig aus. Das wirklich erschreckende aber war, dass er jede Menge Messer in seinem T-Shirt hatte, als ob er sie jederzeit als Waffe einsetzten könnte. Das aber wäre mir egal gewesen, allerdings folgte ihm Klaus, welcher dem Mann die ganze Zeit positiv zurief.

„Scheiß drauf!", murmelte ich in mich hinein und wollte aus dem Fenster klettern, jedoch packten mich von hinten zwei Hände, und zerrten mich an der Hüfte zurück.

Nach mehreren Fluchtversuchen, ließ ich es über mich ergehen, dass man mir meinen Fluchtversuch nahm.

„Worauf?", fragte mich eine Stimme, die Lippen streiften mein Ohr und ich blieb still stehen, ebenso wie die Person hinter mir. Und irgendwie kam mir die Stimme bekannt vor. Wie, als hätte ich sie schon einmal gehört, aber nicht allzu lange. Wie, als wäre ich ihr ein kurzes Mal begegnet, dennoch brannte es mir auf der Zunge, woher ich diese Person kannte.

Und dann fiel es mir ein.

„Du!", sprach ich eher zu mir selbst als zu dem Menschen hinter mir.

Blitzschnell drehte ich mich um, und sah in waldgrüne Augen.

„Du hast Marian umgebracht!", brüllte ich und schlug auf die Person vor mir ein.

„Camilla!", mahnte der mir gegenüber und erfasste meine Handgelenke, sodass ich sie nichtmehr bewegen konnte, „Das ist irrelevant!"

Mit Tränen in den Augen musterte ich ihn. Es war ein Junge, in meinem Alter, wahrscheinlich etwas älter. Sein braunes, fast schwarzes, Haar fiel gegelt zu einer Seite. Er trug einen schwarzen Anzug mit Krawatte und weißem Hemd, sowie einer schwarzen Weste. Er war etwas größer als ich, circa zehn Zentimeter. Leichte Grübchen zierten seine hellen Wangen, während einer seiner Lackschuhe ungeduldig auf und ab tippte.

Als der Junge meine Handgelenke vorsichtig losließ schrie ich wieder los und schlug auf ihn ein. Das schien ihm eher wenig anzuhaben, den er erfasste mit einem emotionslosen Blick meine Handgelenke erneut und ließ sie dieses Mal nicht los.

Entführt von einem Hargreeves || Teil 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt