- Kapitel 128 -

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Der nächste Morgen beginnt für mich nur mühselig. Ich habe allerhand Buchseiten überflogen, etliche Dokumente durchforstet, jedoch konnte ich nichts genaues über meine Herkunft in Erfahrung bringen. In einigen Aufschrieben heißt es lediglich, dass meine Eltern wundersamerweise mit einem zweiten Kind gesegnet worden wären, doch auf welche Art und Weise dies gemeint ist bleibt ungewiss. Ich habe nur in Erfahrung gebracht, dass meine Eltern einen Ausflug nach Trios unternahmen und sie mit mir zurückkehrten.
Ob nun Mutters Schwangerschaft mit mir gemeint war oder nicht lässt sich nicht deutlich herauslesen.
Sollte man dies jedoch anders deuten würde das bedeuten, dass ich ursprünglich aus dem Königreich Trios stamme. Ich habe mir die halbe Nacht den Kopf darüber zerbrochen, bin jedoch zu keinem brauchbaren Ergebnis gekommen. Die Aufzeichnungen sind einfach zu vage, als dass man etwas eindeutiges daraus schließen könnte. Nichtsdestotrotz behalte ich die Möglichkeit meiner Herkunft im Hinterkopf. Es ist schließlich kein Geheimnis, dass Trios die Heimat der Feuermagier ist. Das Königreich weist die größte Dichte an Feuermagiern auf. Es wäre zumindest kein Wunder sollten sie mich dort aufgegabelt haben. Die Umstände jedoch sind etwas schwieriger zu klären.

Müde und erschlagen mache ich mich auf den Weg in den Speisesaal und laufe dabei Rayon über den Weg.
„Guten Morgen Milady. Ich habe gehofft euch anzutreffen. Wäre es euch recht nach dem Frühstück im Wintergarten Platz zu nehmen?", grüßt er mich, woraufhin ich abwinkend nicke. „Natürlich..", gähne ich und trotte an ihm vorbei. „Ich danke euch!", ruft er mir hinterher, während ich den Weg in den Speisesaal einschlage. Das Frühstück läuft verhältnismäßig normal ab. Sogar Eliana hat sich an den Tisch bequemt und isst genüsslich die Käsescheiben von der Platte. „Du bist heute aber gut gelaunt. Deine Verabredung mit Sir Feriz scheint wohl gut gelaufen zu sein?", frage ich triezend und ernte einen erbosten Blick ihrerseits.
„Du hast nerven!", murrt sie. „Doch..ja..in der Tat war gestern ein äußerst guter Tag für mich", fügt sie teuflisch grinsend hinzu, woraufhin ich es dabei belasse und mich meinem Essen widme. Ich möchte gar nicht wissen, was sie dem armen Kerl nur angetan hat. Ich sammle bereits ein paar der Schinkenscheiben auf meinem Teller und schneide sie in kleine Streifen. Suchend sehe ich mich nach Setto um, da ich ihn den ganzen Morgen schon nicht zu Gesicht bekommen habe. Ich stelle einen kleinen Teller neben mich auf den Boden und denke mir nichts weiter dabei. Erst als ich Elianas stechenden Blick auf mir spüre werde ich skeptisch. Sie scheint auf etwas zu warten. Sie freut sich fast schon darauf. Verwirrt schiebe ich meine Brauen zusammen und beende mein Frühstück. Setto hat sich noch immer nicht blicken lassen, was mir allmählich Sorgen bereitet. Es ist nicht ungewöhnlich, dass er Alleingänge unternimmt, doch zum Essen ist er eigentlich immer recht pünktlich.
Alarmiert sehe ich mich um, doch es ist keine Spur seines Magieflusses zu sehen.
„Schätzchen, ist alles in Ordnung?", hakt Mutter nach, doch ich ignoriere sie vorerst. Ich bin zu konzentriert auf Settos Magiefluss.
„Ember?", mischt sich nun auch Vater ein.
„Ich habe Setto seit gestern Abend nicht gesehen. Ist er zufällig hier vorbeigekommen?", frage ich ans Dienstpersonal gerichtet, die unwissend die Köpfe schütteln.
„Setto? Dein Flohzirkus?", wirft nun auch Eliana ein und grinst mir verschmitzt entgegen.
„Ja, genau", zische ich, da ich allmählich ernsthaft besorgt bin.
„Nein, den habe ich nicht gesehen", entgegnet sie schulterzuckend und lässt sich gegen die Stuhllehne fallen.
„Ich werde ihn suchen gehen", verkünde ich und eile aus dem Saal.

Nachdem ich einige der Bediensteten zusammengetrommelt habe weise ich sie an die Wälder zu durchkämmen. Ich selbst sehe mich in der Stadt um. Glücklicherweise ist mein Heimatort nicht allzu groß. Kein Vergleich zur Hauptstadt. Nichtsdestotrotz komme ich nicht voran. Die Suche in der Stadt gestaltet sich schwierig. Ich habe seine Spur verloren, als ich die Tore der Stadt durchquerte. Sein Magiefluss verschwimmt vor meinen Augen, egal mit welchem Filter ich Agira auch suchen lasse.
Er ist einfach verschwunden.
Seufzend lasse ich mich am Springbrunnen nieder und ignoriere den Schnee dabei. Ich fasse mir an die Stirn und überlege mir, was ich noch tun könnte, als plötzlich ein bekanntes Paar Schuhe vor mir auftaucht.
„Na brauchst du Hilfe, Schwesterchen?", erklingt Elianas süffisante Stimme, woraufhin ich erneut seufze.
„Und was versprichst du dir davon?", hake ich nach.
„Nichts, ich will einfach nur weiter dabei zusehen, wie du verzweifelst", erklärt sie schulterzuckend, woraufhin ich die Zähne zusammenbeiße.
„Hör mal, Setto ist mir sehr wichtig. Solltest du das hier nicht ernst nehmen-", zische ich, werde jedoch von einer abwinkenden Handbewegung unterbrochen.
„Schon gut, ich helfe dir", nörgelt sie und macht sich auf den Weg in den Westteil der Stadt. Genervt trotte ich ihr hinterher und frage gemeinsam mit ihr die Bewohner ab.

Auch nach mehreren Stunden der Suche haben weder das Dienstpersonal noch Eliana und ich Erfolge vorweisen können. Wobei Eliana auch wahrlich keine große Hilfe war. Statt sich der Suche ernsthaft zu widmen verbrachte sie die Zeit lieber damit, mir einzureden ich solle mich doch nicht so anstellen.
Sichtlich erschöpft lasse ich mich auf einem Baumstamm im Wald nahe unseres Anwesens nieder und schlage mir die Hände über den Kopf. Ich gehe alle Möglichkeiten durch und komme lediglich zu einem plausiblen Schluss. Während mir das Herz in die Hose sinkt und meine Wut aufkocht, stellt Eliana sich tänzelnd neben mich und wirft mir interessierte Blicke zu.
„Was willst du nun tun? Sollen wir dir einen neuen Fuchs fangen?", möchte sie wissen, weshalb ich ergeben seufze und den Kopf schüttle.
„Du willst es wohl einfach nicht verstehen, oder? Setto ist für mich nicht nur irgendein dahergelaufener Streuner. Er ist viel mehr, als das. Er ist mein Begleiter, mein Kamerad..er ist mein Freund. Egal wie lange es auch dauern wird ich werde ihn finden", erkläre ich und höre sie schnauben.
„Meine Güte du misst diesem Tier aber wirklich viel Wert bei. Es ist ein Fuchs, Ember. Ein einfacher, flohverseuchter Fuchs. Von seiner Sorte laufen noch tausende hier herum. Außerdem..was wenn er einfach davongelaufen ist? Die Wälder hier sind groß und üppig. Denkst du nicht, dass er sich einfach hier irgendwo niedergelassen hat?", kontert sie mit ausladender Handbewegung, woraufhin ich entschlossen den Kopf schüttle.
„Selbst wenn es so sein sollte will ich mich selbst davon überzeugen. Ich zwinge ihn nicht bei mir zu bleiben, dennoch möchte ich sehen, dass es ihm gut geht selbst wenn sich unsere Wege trennen sollten", meine ich und erhebe mich mit ausdruckslosem Gesicht.
Eliana hingegen wirkt genervt und verwirrt, doch das ignoriere ich gekonnt. Ich habe keine Zeit ihr meine Bindung zu Setto im Detail zu erklären. Sollte sich tatsächlich herausstellen, dass er freiwillig in die Wildnis gezogen ist, um dort zu bleiben werde ich ihm selbstverständlich den Freiraum geben. Sollte meine Vermutung jedoch zutreffen und jemand hat ihn gewaltsam mit sich genommen, werde ich keinen Stein dieser Stadt auf seinem Platz stehen lassen.
„Lady Ember!", reißt Rayon mich aus meinen Gedanken und kommt völlig außer Atem vor mir zum Stehen. Er stützt sich auf seinen Oberschenkeln ab und sieht mir besorgt entgegen.
„Ich habe Spuren einer Kutsche entdeckt!", offenbart er mir seine Entdeckung, weshalb ich augenblicklich hellhörig werde.
„Sprich weiter", weise ich ihn an, weshalb er seine Erklärung ausweitet.
„Unweit des Anwesens hat wohl innerhalb der letzten vierundzwanzig Stunden eine Kutsche Halt gemacht, obgleich das Haus Akela keinen Besuch erwartet hat. Ich nehme an, dass dürfte euch interessieren Milady", meint er, woraufhin ich keine Zeit verliere und voran schreite.
„Zeig mir die Stelle", befehle ich und eile im nächsten Moment davon. Eliana bleibt seufzend zurück, ehe auch sie sich dazu entscheidet uns zu folgen.
„Hier, seht ihr?", deutet Rayon auf die verschneiten Spuren, die sich tatsächlich nur wenige hundert Meter von unserem Anwesen befinden. Nachdenklich gehe ich in die Knie und begutachte die Radspuren. Es besteht kein Zweifel. Rayon hat recht. Hierbei muss es sich um eine Kutsche handeln. Für einen einfachen Karren sind die Abstände der Radspuren zu groß. Was hat eine Kutsche auf diesem Weg verloren? Unser Anwesen ist das Einzige weit und breit, welches über diesen Weg angesteuert wird. Es ergibt also keinen Sinn, dass die Spuren mindestens dreihundert Meter vor den Toren unseres Grundstücks enden.
„Ich bin mir sicher, dass ihr beide da einfach viel zu viel reininterpretiert. Was wenn der Kutscher sich lediglich verfahren hat?", wirft Eliana ein, woraufhin ich den Kopf schüttle.
„Sollte das der Fall sein würden Spuren eines Wendekreises auftauchen. Es sieht aber mehr danach aus, als wäre die Kutsche bereits rückwärts den Weg entlang gefahren. Fast so, als hätten sie lediglich etwas abgeholt und wären gleich wieder verschwunden", kontere ich und erhebe mich nachdenklich.
Könnte es sein, dass die Bediensteten etwas damit zu tun haben? Sicher, sie waren nicht erfreut über Settos Anwesenheit, da sie befürchteten noch mehr Arbeit mit ihm zu haben, doch würden sie so weit gehen? Würden sie es wagen meinen Begleiter fortzuschaffen? Settos Magiefluss ist deutlich zu spüren. Er muss hier vorbeigekommen sein. Anfangs dachte ich, dass sei lediglich eine seiner Erkundungsrouten gewesen, weshalb ich nicht weiter nachforschte, doch mittlerweile erhärtet sich mein Verdacht der Entführung weiter. Die Wut in mir steigt immer höher, während ich Rayon mit meinem Blick fixiere.
„Rayon, finde für mich heraus, wer gestern im Anwesen seinen Dienst absolviert hat", weise ich ihn an, woraufhin er sich verneigt und stürmisch nickt.
„Du denkst doch nicht wirklich, dass einer der Bediensteten dahintersteckt?!", entkommt es Eliana hysterisch stammelnd.
„Sollte ein Angestellter dahinterstecken werde ich es herausfinden und es Gnade ihm Gott wenn es so weit ist", zische ich und schlage den Weg zurück zum Anwesen ein. Eliana und Rayon bleiben angespannt zurück und schlucken schwer, ehe sie meinem Beispiel folgen. „Nun mach aber Mal halblang..Und das alles nur wegen eines Fuchses!?", erklingt Elianas Stimme gedämpft hinter mir, doch ich bin nicht in der Lage mich mit ihr zu befassen.
Zu groß ist die Wut in mir.
Ich habe das Gefühl jeden Moment zu explodieren. Meine Aura lodert und ich könnte schwören, dass meine Flammen bereits meinen Körper umhüllen.

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