Der Tag der offiziellen Zeremonienveranstaltung ist bereits zwei Jahre her und ich habe mittlerweile mein zwanzigstes Lebensjahr erreicht. Seither hat sich vieles für mich verändert. Auch wenn mich jeder wegen der Einfachheit meines Artefakts belächelt hat und es noch immer tut, so würde ich es um nichts in der Welt eintauschen.
Bereits wenige Tage nachdem ich damals meine Brille, die ich seinem späteren Wunsch nach Agira nannte, erhalten habe, habe ich gemerkt, dass mein Artefakt mir irgendetwas mitteilen wollte. Ich bastelte die ganze Nacht an meinen Theorien und probierte alles menschenmögliche aus, um herauszufinden, was Agira mir mitteilen wollte, bis ich schließlich erfolgreich war. Und was für einen Erfolg ich erzielte..
Der Tag nach dieser äußerst anstrengenden Nacht des herumexperimentierens begann bereits früh morgens für mich, dementsprechend müde war ich, doch das trübte meine Laune absolut nicht. „Agira, verdunkeln", wies ich mein Artefakt an und schritt zufrieden, jedoch gähnend in den hinteren Gartenbereich in dem mein Lehrmeister bereits auf mich wartete. Meister Tarik beäugte mich skeptisch und fasste sich nachdenklich ans Kinn, was er vermutlich öfters tat.
„Du stehst etwas wackelig auf den Beinen, ist alles in Ordnung?", richtete er seine Frage an mich worauf ich nickend antwortete.
„Ja ich bin nur ein wenig erschöpft aber ansonsten geht es mir hervorragend!", meinte ich und strahlte ihm freudig entgegen. Er hingegen runzelte die Stirn und schnellte mit seiner flachen Hand gegen meine Schulter, um meine Reflexe zu testen.
„Viel zu langsam. Im Normalfall bist du um einiges schneller beim Ausweichen. Irgendwas stimmt doch nicht..", murmelt er nachdenklich und beugt sich dabei etwas zu mir herab, da er mich mit seinem Überraschungsangriff tatsächlich aus dem Gleichgewicht brachte und mich zu Boden gehen ließ. Mir den hintern reibend stand ich schmunzelnd wieder auf und klopfte mir den Dreck von der Hose. „Nun schaut mich nicht so an, Meister. Wenn ihr eure Stirn weiterhin so runzelt bilden sich, selbst in eurem zarten Alter von fünfunddreißig Jahren, Falten", entgegnete ich schnippisch während er noch immer prüfend an mir auf und ab sah.
„Weißt du wie wenig mich Falten-", begann er zu kontern, unterbrach sich jedoch selbst und riss die Augen auf. „Moment, was hast du gesagt?", fragte er aufgeregt und sah mich überrascht und ungläubig zugleich an.
„Ich denke ihr habt mich bereits verstanden, Meister", meinte ich und grinste ihm breit entgegen woraufhin er sich noch näher zu mir hinab beugte. „Ember..kannst du etwa..sehen?", hauchte er fassungslos und starrte gegen meine verdunkelten Brillengläser.„Agira, aufhellen", befahl ich meinem Artefakt und konnte dabei zusehen, wie die Welt Stück für Stück heller wurde. „Ganz recht", entgegnete ich stolz und sah ihm direkt in seine Pupillen, die gebannt meine Augen musterten.
„Deine Augenfarbe kommt zum Vorschein..deine richtige Augenfarbe", bemerkte er und richtete sich wieder etwas auf während er sich erneut nachdenklich ans Kinn fasste.
„Ich weiß", meinte ich freudig und strahlte ihm entgegen.
„Das ist wirklich bemerkenswert. Dein Artefakt ermöglicht es dir zu sehen", erklärte er sich das Phänomen selbst, da er es anders scheinbar nicht glauben konnte. „Von solch einem Fall habe ich noch nie gehört..dass ein Artefakt eines der Sinnesorgane ersetzt, sie gar wieder funktionieren lässt", murmelte er nachdenklich woraufhin ich verlegen zur Seite sah.
„Naja..so ganz stimmt das nicht..ich kann nur sehen wenn ich mein Artefakt aktiv benutze, also wenn ich die Brille auf der Nase sitzen habe", erklärte ich und sah in sein interessiertes Gesicht.„Agira, versteck dich", wies ich mein Artefakt an ehe es bereits von meiner Nase rutschte und völlig frei durch die Luft schwebte. Es suchte sich geschickt ein Versteck nahe meines Körpers und fand schließlich Ruhe in der hinteren Hosentasche. Augenblicklich wurde meine Welt wieder schwarz und in Dunkelheit gehüllt.
„Ich verstehe..deine Blindheit ist nicht geheilt. Das Artefakt hat lediglich deine größte Schwäche negiert. Und da du in den letzten Jahren ein hartes Training durchlaufen hast, ist deine größte Schwäche-", beginnt er zu erklären, wird jedoch von mir unterbrochen.
„Meine Blindheit", beende ich seinen Satz und seufze dabei tonlos.
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Blind Fire
FantasíaDas Königreich Adaron ist bereits seit geraumer Zeit das Mächtigste der vier Lande. Seine ruhmreiche Ära hat es unter anderem seinen talentierten Magiern zu verdanken, von denen sich die Stärksten zu einem Bündnis zusammenschlossen. Der schwarze Ri...