- Kapitel 81 -

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Ohne zu zögern führe ich meinen Finger auf den Pfeil der nach rechts zeigt. Wenn man in die Vergangenheit will nutzt man den Pfeil, der nach links zeigt. Folglich muss man den Pfeil wählen, der in die entgegengesetzte Richtung zeigt, um in die Zukunft zu gelangen. Zumindest erscheint mir dies als die logischste Schlussfolgerung.
Allerdings..
Ich stoppe in meiner Bewegung. Ich muss mich sammeln. Ich will nicht in die Zukunft reisen. Ich will lediglich sehen, was in der Zukunft passiert. Welcher Pfeil ist der Richtige?
Ich habe keine Zeit mir darüber den Kopf zu zerbrechen! Wenn ich doch nur die Zeit stoppen könnte, um in Ruhe darüber nachdenken zu können. Und erneut könnte ich mich selbst dafür Ohrfeigen wieder einmal auf dem Schlauch gestanden zu haben. Ich habe doch noch immer Levions Umhang. Er konnte schon einmal die Zeit stoppen. Nun, da er mein Bindungspartner ist, wird das sicherlich noch einmal möglich sein.
„Umhang, stoppe die Zeit!", weise ich den Stofffetzen an, doch nichts geschieht. Verwirrt werfe ich einen Blick hinter mich.
Wieso klappt es nicht?
„Ha! Was soll das denn werden wenn es fertig ist?", spottet die Abbildung lachend und kugelt sich auf dem Boden hin und her. Ich ignoriere ihn weitestgehend und versuche herauszufinden wieso es nicht funktioniert.
Liegt es daran, dass ich seine Magie bereits aufgebraucht habe?
Klappt es tatsächlich nur einmal selbst wenn Levion nun mein Bindungspartner ist?
„Das ist ja wirklich urkomisch, nein wirklich! Aber so langsam vergeht mir die Lust an dem ganzen hier. Es wird Zeit das zu beenden", wirft die Projektion nun wieder mit teuflischem Grinsen ein und nähert sich mir unheilvoll.
Was soll ich tun?
Soll ich es wagen und einfach einen der drei übrigen Pfeile auswählen?
Doch ich bin mit dem Element der Zeit leider nicht vertraut genug, um vorherzusagen welche Konsequenzen ein solches Ratespiel nach sich ziehen wird. Andererseits, wenn ich noch länger zögere und nichts tue wird mich Alastairs Projektion sicher erwischen und dieses Mal endgültig.
Aus einer Kurzschlussreaktion schließe ich meine Augen hastig und aktiviere einfach den Pfeil, der sich gerade unterhalb meines Fingers befindet. Als sich für wenige Sekunden nichts rührt öffne ich vorsichtig eines meiner Augen und verfalle im nächsten Moment ins Staunen.
Etliche runde, schwebende Zauberkugeln erstrecken sich vor mir. Jede einzelne zeigt andere, sich bewegende Bilder. Ich trete mit bedacht näher an eine heran und werfe einen Blick auf das, was sie zeigt. Ich erkenne mich selbst, wie ich am Boden liege. Levion kniet neben mir, beugt sich über mich, streckt seinen Arm aus und stoppt die Zeit. Meine Augen sind geschlossen. Ich spüre keinerlei magische Präsenz mehr, die von meinem Körper ausgeht.
Schockiert reiße ich die Augen auf.
Diese Kugel..sie zeigt..meinen Tod.
Mir stockt der Atem während ich zurückstolpere. Mein Herz rast und hämmert gegen meine Brust. Hastig widme ich mich einer anderen Kugel in der ich Levion entdecke. Er wirft sich vor mich, schnippt dem Finger und verlangsamt die Zeit. Er dreht sich zu mir und redet scheinbar eindringlich auf mich ein. Ich kneife meine Augen zusammen und stelle mit erschrecken fest, dass mir in dieser Zeitkugel der halbe linke Arm fehlt. Erneut ziehe ich scharf die Luft ein. Das darf doch nicht wahr sein. Dieser Kampf hat so viele mögliche Endszenarien? Und jede einzelne zeigt entweder meine Niederlage oder wie ich ihr nur knapp entgehe, jedoch nicht ohne einen gewaltigen Preis dafür zu zahlen.
„Nein..Nein! Das kann nicht sein! Es muss einen anderen Weg geben" hauche ich verzweifelt und irre ziellos zwischen den schier endlosen schwebenden Kugeln umher. Die Antwort muss in irgendeiner dieser Kugeln zu sehen sein! Ich weiß es einfach. Es muss einen anderen Weg geben.

Etliche Kugeln schiebe ich frustriert beiseite. Unzählige, die allesamt Bilder zeigen, die ich am liebsten wieder vergessen will. Ich bin der Lösung noch keinen Schritt näher gekommen. Seufzend lasse ich mich nach vorn fallen.
„Ich kann doch nicht alle Kugeln einzeln analysieren! Das würde mein Leben lang dauern!
Ich muss es wohl einsehen. Selbst mit der Macht in die Zukunft blicken zu können sind einem dennoch Grenzen gesetzt.
„Du hast heute wohl deinen Tag der Erkenntnisse, hmm?", erklingt Levions Stimme plötzlich neben mir, woraufhin ich erschrocken aufsehe. Er steht mit gewohnt hinter dem Rücken verschränkten Armen vor einer der schwebenden Kugeln und sieht mit einem ausdruckslosen Lächeln zu, wie sich die grausamen Bilder abspielen.
„Auch ein Magier, der die Zeit beherrscht ist nicht allmächtig. Das einzige, was wir ihr entnehmen können sind Informationen. Doch wie du siehst, ist auch das nicht immer so einfach", fährt er fort und wendet sich mir zu.
„Was gedenkst du nun zu tun?", richtet er die Frage an mich, woraufhin ich mit den Schultern zucke. „Mir gehen allmählich die Ideen aus. Ich habe wirklich alles versucht was in meiner Macht stand. Ich habe probiert ihn mit meiner Kraft zu besiegen, ich habe versucht ihm im Kampf überlegen zu sein, doch scheinbar kann ich ihn mit nichts schlagen, was ich zu bieten habe", entgegne ich niedergeschlagen und winkle meine Beine an. Erneut sitze ich wie ein Häufchen Elend neben ihm. „Nun, das ist wahr. Nichts, was du bisher zu bieten hattest..doch, das ist das reizvolle an der Zeit. Sie bleibt nicht stehen, schreitet stetig voran. Sekunde um Sekunde. Minute um Minute. Und jede einzelne bietet dir neue Erkenntnisse, neue Erfahrungen, neue Informationen, neue Einblicke. Es mag so aussehen, als würde die Zeit momentan nicht auf deiner Seite stehen, doch das ist ein Irrglaube. Die Zeit steht auf keiner Seite. Sie ist neutral. Genauso wie sie dein Scheitern in sich trägt, so trägt sie auch deinen Sieg in sich. Stell es dir so vor, wie ein zweischneidiges Schwert, eine Medaille mit zwei Seiten. Das Eine existiert nicht ohne das Andere. Nur weil du im Moment lediglich eine Seite siehst, heißt das nicht, dass es die andere nicht gibt", erklärt er und kommt langsam auf mich zu, bis er schließlich direkt vor mir steht. Ich hebe zaghaft den Blick und sehe, wie er eine der schwebenden Kugeln über seiner Handfläche balanciert. Interessiert erhebe ich mich und starre wie gebannt ins Innere der Kugel. Stirnrunzelnd wandert mein Blick von der Kugel zu Levion und wieder zurück.
„Diese Kugel zeigt keine Bilder", stelle ich ernüchtert fest und vernehme kurz darauf Levions leises Lachen.
„Ganz recht. Diese Kugel steht für den Zufall. Genauer gesagt für den Verlauf der Zukunft, in welcher du dein Schicksal änderst. Der Ausgang dieses Weges ist selbst der Zeit nicht bekannt, weshalb du auch keine Bilder darin erkennen kannst", klärt er mich auf, woraufhin ich mir die Schläfen massiere.
„Das bedeutet, dass es von Anfang an für mich vorherbestimmt war diesen Kampf zu verlieren?! Ganz egal, welchen dieser unzähligen Wege ich auch gewählt hätte?", stelle ich die Hypothese auf.
„Nicht ganz..diese Kugel ist der Beweis dafür, dass es mindestens einen Weg gibt, den Ausgang des Kampfes zu deinen Gunsten zu entscheiden. Wie dieser Weg jedoch aussieht kann nicht vorherbestimmt werden", korrigiert er mit erhobenem Finger, was mich seufzen lässt.
„In Ordnung, das einmal beiseitegeschoben..heißt das, dass nicht einmal du weißt was ich jetzt am besten tun sollte?", frage ich ganz direkt und erwische Levion scheinbar kalt damit. Seufzend senkt er den Blick.
„Ich befürchte fast, dass das der Fall ist. Ich kann dein Schicksal leider nicht für dich entscheiden. Ich kann dir diese Bürde nicht abnehmen. Jeder Mensch trägt die Last seines Schicksals gleichermaßen allein, doch ich kann dir dabei zur Seite stehen. Ember, egal wie du dich auch entscheiden magst ich werde nicht von deiner Seite weichen", entgegnet er mir mit einem bedrückten Lächeln auf den Lippen.
„Ich werde auf deine Entscheidung warten", fügt er hinzu, ehe er in goldenem Nebel verschwindet.

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