Überrumpelt sieht er auf mich herab während er darauf achtet dabei nicht aus dem Takt zu kommen. Die wenigen Tanzstunden, die ich gemeinsam mit Eliana bei Madame Melisaint absolviert hatte sind momentan nur recht schwammig in einer Ecke meines Hinterkopfes zu finden, weshalb es fatal wäre, sollte Kalen nun aus dem Rhythmus kommen. Glücklicherweise behält er seine Haltung bei und führt mich weiterhin bestimmt über die Tanzfläche. Allerdings hat sich ein nachdenklicher Ausdruck auf sein Gesicht gelegt.
Je länger die Stille zwischen uns anhält, desto mehr spüre ich, wie sich mein Magen etwas zusammenzieht.
Natürlich hatte ich nicht erwartet von einem General auserwählt zu werden und sogar schon befürchtet, dass mein Begleiter mir lediglich aus Pflichtgefühl zur Seite steht, doch Kalen hatte mir seit unserer ersten Begegnung nie das Gefühl gegeben lediglich die Erfüllung seiner Pflicht zu verkörpern. Eigentlich dürfte mir dieser Gedanke nichts anhaben, schließlich war ich darauf vorbereitet, dennoch verspüre ich diese erdrückende Last auf meinen Schultern, die von Sekunde zu Sekunde schwerer wird, je länger sein Schweigen andauert. Ich ertappe mich dabei, wie ich ein seichtes Gefühl von Traurigkeit verspüre.
Ist es Trauer? Oder ist es doch Enttäuschung?
Die Enttäuschung darüber mir naiver Weise erhofft zu haben tatsächlich jemanden an meiner Seite zu haben, der sich bewusst für mich entschieden hat. Jemand, der mein Potential erkannt hat, wie Meister Tarik sagte. Plötzlich komme ich mir sehr dumm vor. So dumm, wie schon seit Jahren nicht mehr. Hatte ich mich nicht schon vor langer Zeit selbst von der bitteren Realität überzeugt?
Mich nicht selbst für die hässliche Seite entschieden?„Ich fürchte, dass ich dir darauf wohl keine klare Antwort geben kann. Egal, wie sehr ich darüber nachdenke", reißen seine Worte mich zurück in die Realität und stechen mir mitten ins Herz. Ich wusste es, wie konnte ich nur so naiv sein? Das ist doch auch sonst nicht meine Art. „Es sind einfach zu viele Gründe, die mich dazu gebracht haben dich auszuwählen", fügt er hinzu, während er mir ein kleines Lächeln schenkt.
Entgeistert entgleiten mir die Gesichtszüge und ich tue mir schwer ihm zu folgen.
„War es deine Cleverness? Deine Raffinesse? Deine taktisch gut geplanten Strategien? Oder war es deine enorme magische Kraft? Dein Ehrgeiz? Deine Willensstärke? Das Brennen in deinen Augen? Ich kann es wirklich nicht sagen", spricht er weiter und sieht mir ernsthaft ratlos entgegen. „Das..Brennen..", wiederhole ich leise, beinahe hauchend, woraufhin er grinsend nickt. „Ab wann haben sie denn damit begonnen mir zuzusehen, Sir?", entkommt mir die Frage weitaus haspelnder, als geplant.
„Leider zu spät..wirklich viel zu spät", antwortet er flüsternd, da die Töne der Musik leiser werden. „Ich bin mir sicher, dass der Verlauf der ersten Etappe durchaus spannender für mich gewesen wäre, hätte ich dir von Beginn an zugesehen, meine Kleine", fügt er weiterhin flüsternd hinzu, ehe er sanft die letzte Drehung des Tanzes vollzieht bevor wir zum Stehen kommen.Während Applaus ertönt starre ich ihm perplex entgegen, nehme die Geräusche um mich herum überhaupt nicht wahr. Alles was ich in diesem Moment wahrnehme sind Kalens Hände, die noch immer auf ihren Positionen ruhen, sein wissender Blick, der sich durch meine verdunkelten Gläser hindurch zu brennen scheint und sein provokantes Lächeln, welches mir eine Gänsehaut bereitet.
Weiß er selbst über mein bestbehütetstes Geheimnis Bescheid? Ich war doch so vorsichtig! So umsichtig! Lediglich ein einziges Mal habe ich mich dazu hinreißen lassen meine Flammen einzusetzen. Zudem in einer Umgebung, die grausame Lichtverhältnisse geboten hat. Das kann nicht sein, das ist nicht möglich.
Ab welchem Zeitpunkt hat er denn nur begonnen zuzusehen? Wieso antwortet er mir nicht ordentlich auf die Frage?Hastig versuche ich mich wieder zu beruhigen. Diese Angelegenheit hier und jetzt zu klären ist eindeutig zu gefährlich, zu riskant. Ich werde ihn zu einem späteren Zeitpunkt zur Rede stellen.
Sollte ich es überhaupt nochmals aufgreifen? Sollte ich zu viel in diese Sache hineininterpretieren laufe ich Gefahr mich selbst zu verraten, doch sollte ich es einfach ignorieren könnte es brenzlich für mich werden.„Vielen Dank für diese äußerst reizende Eröffnung der Festlichkeiten. Nun, da der offizielle Part vollzogen wurde, bitte ich auch die restlichen Teilnehmer den Abend tanzend zu genießen. Ich wünsche eine angenehme Zeit", zieht General Sekurion meine Aufmerksamkeit auf sich, woraufhin ich mein Gedankenchaos beiseiteschiebe um mich zunächst einmal auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
Still schweigend lasse ich mich von Kalen zurück an unseren Tisch führen, an welchem Arryn und Kairyan sich erneut in die Haare bekommen zu haben scheinen.
„Ich habe zwei Gläser Wasser getrunken! Jetzt darf ich auch zwei Bierkrüge bestellen!", giftet er zornig, woraufhin Arryn nur den Kopf schüttelt.
„Dir ist bewusst, dass ein Bierkrug die Füllmenge zwei normaler Gläser beinhaltet, richtig? Wenn du wirklich zwei Bierkrüge haben willst musst du vier Gläser Wasser trinken!", bläut er ihm ein, während der Blondschopf sich kindisch die Ohren zuhält. Leider kann mich nicht einmal diese Szene von meinen Sorgen ablenken. Ich muss es einfach wissen..ich muss einfach wissen, ob Kalen tatsächlich hinter das Geheimnis meiner wahren Magierklasse gekommen ist.
Seufzend lasse ich mich auf meinen Platz gleiten und habe dabei die Augen geschlossen. Kalen hingegen wirft mir amüsierte Blicke zu während auch er erneut Platz nehmen möchte.„Miss Akela? Haben sie eine Minute?", erklingt plötzlich eine mir unbekannte Stimme neben mir woraufhin ich mich zaghaft aufrichte.
„Levion, mein Freund, was verschlägt dich in diese Ecke des Saals?", entkommt es Kalen schmunzelnd während er es sich scheinbar doch noch einmal anders überlegt hat und neben dem Fremden stehen bleibt.
„Nun, ich hatte darauf gehofft, dass du mir deinen Schützling selbst vorstellst. Da ich die Festlichkeiten allerdings bereits verlasse und nicht gehen wollte, ohne Miss Akela persönlich zu gratulieren bin ich kurzerhand vorbeigekommen", erklärt der langhaarige General, den ich des Öfteren bereits zuvor auf den Übertragungsmonitoren gesehen habe. Es handelt sich hierbei um Levion Sorin, der Nummer Drei, der großen Zwölf. Er steht im Normalfall stets neben Kalen wenn es zu Ankündigungen kommt. Auch seine Stimme vernehme ich zum ersten Mal, weshalb ich ihn allein anhand seines Klangs nicht erkannt habe.„Vielen Dank, Sir. Ich fühle mich geehrt, doch sie hätten keinen Umweg meinetwegen machen müssen", meine ich entschuldigend und erhebe mich ebenfalls.
„Nein, nein, nicht doch. Es war mir ein persönliches Anliegen sie kennenzulernen. Schließlich haben sie es geschafft Alastair von sich zu überzeugen, was im Grunde an sich bereits einen Etappensieg darstellt", beruhigt er mich lachend und schlägt Kalen dabei freundschaftlich gegen die Schulter.
„Ach ist das so? Ich wusste überhaupt nichts davon, dass man das zu einer Etappe erklärt hat", kontert dieser mit erhobener Braue und erntet ein schelmisches Grinsen seitens Sorin.
„Du weißt von einigen Dingen noch nichts, mein werter Freund", entgegnet dieser und wirft mir dabei einen undefinierbaren Seitenblick zu, ehe er sich wieder auf Kalen konzentriert. „Nun, ich werde mich allmählich auf den Weg machen. Pass gut auf deinen Schützling auf. Der morgige Tag wird keineswegs leichter werden", meint er nun und wendet sich anschließend mir zu. „Es hat mich gefreut sie kennenzulernen, Miss Akela. Ich wünsche ihnen viel Erfolg und rate ihnen sich gut auszuruhen", richtet er sein Wort an mich und verneigt sich dabei höflich.„Und noch etwas, meine Teuerste..sie sollten ihre Wunden nochmals behandeln lassen bevor sie zur zweiten Etappe antreten", murmelt er in meine Richtung ehe er sich winkend davon macht. Ich kam nicht einmal mehr dazu ihn zu fragen, was genau er damit meinte und wieso er ausgerechnet dieses Thema ansprach.
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Blind Fire
FantasyDas Königreich Adaron ist bereits seit geraumer Zeit das Mächtigste der vier Lande. Seine ruhmreiche Ära hat es unter anderem seinen talentierten Magiern zu verdanken, von denen sich die Stärksten zu einem Bündnis zusammenschlossen. Der schwarze Ri...