Kapitel 11

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B245 wurde sofort in die Zelle gebracht, während ich zu den Ärzten kam, damit meine Verletzungen versorgt werden konnten. Die Mission war mit Abstand eine der anstrengendsten. Ich war selbst so geschickt das ich selten getroffen wurde, aber nachdem meine Tochter mir so in den Rücken gefallen war, saß ich beschämt auf dem Stuhl während meine Wunden desinfiziert wurden. Ich erstattetet auf Befehl Missionsbericht und zu meiner Überraschung waren Pierce und Rumlow zwar misstrauisch aber es blieb dabei, ohne weitere Strafen, naja fürs erste.

Ausnahmsweise durfte ich mich etwas auf der Behandlungsliege ausruhen. Trotzdem war ich froh in die Zelle zurück gehen zu können um mit dem kleinen Mädchen über das Vorgefallene zu sprechen, obwohl es mir beim Gedanken daran eiskalt den Rücken herunterlief. Nach dieser Mission war ich mir nicht mehr sicher, wie weit sie gehen würde und bereit war gegen mich zu kämpfen, ohne ersichtlichen Grund. Es war nichts außergewöhnliches Vorgefallen und alles war wie immer. Und trotzdem stimmte irgendwas nicht. Das merkte ich, je näher ich der Zelle und somit dem Schatten kam. Die Spannung lag knisternd in der Luft und alles in mir drin schrie in einer leisen Vorahnung danach zu flüchten und möglichst weit weg von ihr zu gehen um jeglichen Konflikt zu vermeiden, denn ich hatte das ungute Gefühl, das an diesem Tag alles was wir in den letzen Jahren aufgebaut hatten in die Brüche gehen würde.

Ich setze mich gegenüber von ihr auf den Boden und lehnte mich gegen die Wand. Ich hatte zu meiner eigenen Sicherheit ein Messer mit geschmuggelt, welches ich fest mit meinen Fingern umgriff sodass meine Knöchel weiß waren. Wir schauten uns starr in die Augen und blanke Wut baute sich in mir auf. In diesem Monet entfiel mir jegliches logisches Denken und ich konnte mich selbst nicht mehr beherrschen. Ich wusste, dass sie es hasste wenn man sie anschrie, denn das löste Flashbacks bei ihr aus und trotzdem verlor ich in diesem Moment ihr gegenüber die Beherrschung.

"Was sollte das?! Ist das jetzt dein Ding mir in den Rücken zu fallen und mich anzugreifen statt mit mir zusammenzuarbeiten! Was ist los mit dir" Mittlerweile stand ich, ohne das ich bewusst bemerkt hatte. Die kleine erhob sich nun blitzartig und ehe ich mich versehen konnte spürte ich einen stechenden Schmerz in meiner rechten Schulter. Sie hatte mich von hinten angegriffen. Sie stand plötzlich wieder vor mir und ihre Augen schienen mich zu durchbohren. Wenn wir ernsthaft miteinander kämpften, dann hatte ich nicht den Hauch einer Chance. Sie war zu schnell, unsichtbar und tödlich.

Mein Überlebensinstinkt schaltete sich nun von ganz alleine ein und ich schwang das Messer in ihre Richtung. Eines der guten Dinge das wir schon so lange miteinander arbeiteten war, das ich jeden ihrer Kampfzüge in und auswendig kannte. Schnell drehte ich mich nach hinten herum und blockte somit einen Angriff ihrerseits. Blitzschnell und ohne zu zögern holte ich aus in der Hoffnung sie zu treffen. Wenn ich es nicht schaffen würde, sie außer Gefecht zu setzen, dann würde sie mich mit Sicherheit töten. Ob ich sie töten konnte, um mein eigenes Leben zu retten? Ich weiß es nicht.

Es erforderte Unmengen an Konzentration sich gegen sie zu verteidigen. Sie löste sich in Rauch auf und tauchte einfach wieder auf. Ehe man sich versah oder zuschlug war sie wieder verschwunden nur um dann erneut hinter einem aufzutauchen. Wenn man sie nicht kannte, hatte man keine Chance. Im richtigen Moment dreht ich mich zur Seite und stach mit meinem Messer in ihre Schulter. Benommen taumelte sie zurück und schaute schockiert auf die Wunde, die blutete. Es war das erste Mal, das sie in einem Kampf verwundet wurde und für einen Moment schien die Zeit still zu stehen.

Ich musste den Moment nutzen, es war die einzige Chance zu überleben. Ich holte mit dem Messer in meiner Hand aus und streifte damit ihr Gesicht. Blind vor Wut und Enttäuschung wiederholte ich das Ganze noch einmal. Als ich wieder klar bei Verstand war sah ich, was ich angerichtet hatte. Sie war normalerweise standhaft, aber jetzt lag sie blutüberströmt auf dem Boden. Ich selbst hatte extrem viele Verletzungen, aber ich war so Adrenalin geladen, das meine Beine mich weiterhin trugen. Ich hatte das Gefühl, als könnte ich mich nicht bewegen, als wäre ich festgefroren.

Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte ich Schritte auf die Zelle zukommen. B245 bewegte den Kopf etwas in meine Richtung und ein Auge leuchtete mich wie gewohnt an, mit einer strahlende Wärme, die reine Liebe ausdrückte. Ihr anderes Auge war glanzlos und zerkratzt, sie war auf dem linken Auge erblindet.

Ich merkte nur noch wie ein paar Hände mir das Messer aus der Hand schlugen und mich aus der Zelle schliffen, während ich das Gefühl hatte mich nicht bewegen zu können. Ein letztes Mal drehte ich den Kopf in ihre Richtung, Ärzte waren über sie gebeugt, aber unsere Blicke trafen sich ein letztes Mal und sie strahlte Zuneigung und Vertrauen aus. Es war das letzte Mal, das ich sie sehen sollte, hier trennten unsere Wege sich für immer.

Es waren ein paar Tage vergangen und ich hatte mich weites gehend von meinen Verletzungen erholt, dennoch fühlte ich mich leer, ich fühlte mich tot. Ich hatte den einzigen Sinn meines trostlosen Lebens verloren, meine Tochter mit der ich seit über drei Jahren lebte und arbeitete. Mit der ich in den Kampf zog und die ich verteidigte, wenn sie in der Zelle ausgepeitscht werden sollte, die Person die mich auf Leben und Tod verteidigte und nichts an mich herankommen ließ.

Eine Frage wollte mir nicht aus dem Kopf gehen: Wieso hatte der Schatten mich nicht getötet. Hätte sie es wirklich ernst gemeint, dann wäre ich schneller tot gewesen, als das ich auf ihren Angriff hätte reagieren können. Der Blick den sie in den Augen hatte, selbst nachdem sie blutend und zusammengebrochen vor mir lag, es war kein Hass, keine Wut, keine Enttäuschung es war reine Liebe. Ich wollte verstehen was passiert war, warum sie sich plötzlich von mir abgewandt hatte, mich angriff und sich selbst fast töten ließ. Auf diese Fragen sollte ich wohl niemals eine Antwort bekommen, denn ich würde sie niemals wieder sehen, ich wusste nicht einmal ob sie noch am Leben war.

Der Winter Soldier und der Schatten (Band 1/2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt