Cornel kam seiner schriftlichen Ankündigung nach und stand pünktlich um halb eins vor meiner Bude. In den Händen hielt er zwei dampfende Bratwurstsemmeln und auf seinen sinnlichen Lippen lag ein breites Lächeln, das mich auch gleich lächeln ließ.
„Hallo Mister Glühweinbudenbesitzer", begrüßte er mich überschwänglich und lehnte sich auf die Ellenbogen gestützt ein wenig über den Tresen, ehe er beide Bratwurstsemmeln nach oben hielt. „Ich wusste nicht, was du magst, deswegen habe ich ein Mal mit Ketchup und ein Mal mit Senf. Nimm, was dir besser schmeckt."
„Vielen Dank, Mister Odin", lächelte ich mit spürbar warmen Wangen und griff nach der mit dem Ketchup. Senf zu Bratwürsten aß ich nur im Zusammenhang mit Sauerkraut. In eine Bratwurstsemmel gehörte für mich Ketchup. Cornel sah das offenbar anders und war mit meiner Entscheidung auch mehr als zufrieden, denn er biss gleich herzhaft in seine mit Senf.
„Mister Odin?", schmunzelte er dann mit vollen Wangen, schluckte und leckte sich über die rosigen Lippen, die trotz der Kälte verführerisch weich aussahen. Mein Blick verfing sich sofort an seiner roten Zungenspitze, ehe mich sein Grinsen, das sich langsam auf seinen Lippen bildete, aus meinem Bann riss.
Mein Starren war ihm natürlich nicht entgangen und seinem nun etwas selbstgefälligen Grinsen nach zu urteilen, hatte er kein Problem damit.Das ließ meine Wangen nur noch roter werden, auch wenn mir seine sichtbare Überheblichkeit etwas gegen den Strich ging.
Zum Glück trat in dem Moment ein Gast heran, der eine Tasse Glühwein bestellte, die ich ihm fix einfüllte und überreichte. Das gab meinem Körper Zeit, um sich von der Sichtung von Cornels Zunge zu erholen, die sich natürlich direkt in mein Hirn gebrannt hatte und gerade in Dauerschleife abgespielt wurde.
„Ich hätte bitte auch gerne einen Glühwein", lächelte mein Lunchpartner, kaum dass der andere wieder weg war, und stützte sich mit einem Arm auf den Tresen, während er seinen Blick über die anderen Buden wandern ließ.
„Heute bist du noch gar nicht umgezogen", begann ich etwas Konversation und stellte ihm eine dampfende Tasse hin, ehe ich mir selber auch eine runter ließ. Durch die Sonne, die heute kräftig herunter schien, war es nicht ganz so kalt, aber immer noch so kalt, dass ich schon den ganzen Tag über den Heizstrahler laufen ließ, damit meine Füße warm blieben.
Wenn man einmal kalte Füße hatte, bekam man die leider Gottes so schnell nicht wieder warm.Cornel trug so ziemlich das selbe wie gestern Abend. Lockere Jeans, Winterboots, einen schwarzen Mantel und diesmal eine Kappe anstatt einer Mütze. Handschuhe hatte er heute auch keine an, wodurch seine Fingerknöcheln schon wieder sehr rot waren und auch seine Ohrmuscheln wie eingefroren wirkten.
„Sonntags gibt es keine Parade." Dabei bildete sich wieder ein fast spöttisches Grinsen auf seinen Lippen. „Das müsstest du doch wissen. Letzten Sonntag gab es auch keine."
Das stimmte tatsächlich und eigentlich wusste ich auch, dass es sonntags nur wenige Showprogrammpunkte gab. Dafür waren freitags und samstags umso mehr geboten.
Deswegen ärgerte es mich auch, dass mir das nicht früher aufgefallen war. Dann wäre mir die Blamage erspart geblieben. Der Scham breitete sich rasant in meinem Körper aus und ließ mich unbehaglich von einem Fuß auf den anderen treten.Wie schaffte ich es eigentlich immer vor Cornel so blöd dazustehen? So als hätte ich nichts in der Birne?
Dass er dann auch noch jedesmal so erfreut reagierte, wenn ich Unrecht hatte oder eine sinnlose Frage stellte, machte das nicht unbedingt besser. Es würde mich nicht wundern, wenn Cornel sich mittlerweile deutlich klüger als ich fühlen würde.
Sonderlich schlau stellte ich mich in unseren Gesprächen auch irgendwie nicht an.„Ich bin aber auch über jede Minute froh, in der ich das Kostüm nicht tragen muss. Die Rüstung ist sau unbequem." Dabei schüttelte er deutlich den Kopf. „Später muss ich mich aber wieder darein quälen, um Präsenz zu zeigen." Das Präsenz betonte er dabei hörbar genervt und rollte sogar mit den Augen.
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Glühwein - selfmade by Andreas ✓
RomanceDass Andreas dieses Jahr zum ersten Mal die volle Verantwortung für den Glühweinstand seiner Familie auf dem größten Christkindlmarkt der Umgebung übernehmen muss, ist noch machbar. Immerhin freut sich der Endzwanziger schon seit Monaten sehr auf di...