16. Türchen

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Ich war so müde. Ich war irgendwie wach, gleichzeitig aber auch noch immer am Dösen. Meine Augendeckel waren auch zu schwer zum Öffnen, weshalb ich einfach wie ausgeschaltet liegen blieb.

Die Schmerzmittel und wahrscheinlich auch die Nachwirkung der Narkose ließen mich fast schwerelos fühlen. Leicht wie ein Blatt.

Das nervtötende Summen der Weihnachtsmusik, zerstörte meine Idylle jedoch, wodurch ich schon bald nur noch verärgert war. Wer dachte, dass es eine gute Idee war, in einem Aufwachraum Musik zu spielen? Ich persönlich war zwar ein großer Weihnachtsfan, der für sein Leben gerne Weihnachtslieder hörte, aber im Krankenhaus, direkt nach einer Operation, hatte ich wirklich keinen Nerv für Musik.

„Lebt es?", hörte ich plötzlich die Stimme meines Bruders. Seit wann war er da? Ich hatte die Zimmertür nicht aufgehen hören.

„Hey, es lebt", lachte er dann und stand offenbar von einem Stuhl auf. „Ich warte seit einer Stunde, dass du mal wach wirst." Stefans Hand fand meine gesunde Schulter und tätschelte sie kurz, ehe er mir dreist gegen die Stirn schnipste. „Mach die Augen auf."

„Womit habe ich dich nur verdient?", murrte ich mit säuselnden Worten und begann schwerfällig zu blinzeln. Wenn es hier nicht so hell wäre, wäre es auch einfacher die Augen nach einer Narkose wieder zu öffnen.

„Das frage ich mich bei dir auch andauernd", erwiderte mein kleiner Bruder grinsend und ließ sich ohne Weiteres auf meiner Bettkante nieder. „Wie fühlst du dich?"

„Müde."

Das ließ Stefan grinsen. „Hast du Schmerzen?"

„Nein", antwortete ich und gähnte herzhaft. Einerseits war ich zwar wirklich müde und ausgelaugt, andererseits fühlte ich mich auch echt ausgeschlafen. Zwar würde ich jetzt noch nicht aufstehen wollen und stattdessen noch deutlich länger liegen bleiben, aber wach war schonmal gut.

„Der Arzt meinte, dass deine Operation gut verlaufen ist. In zwei Tagen kannst du auch wieder nach Hause. Aber er müsste später eh mal bei dir vorbeikommen. Ich bin eigentlich nur da, um dir deine Sachen zu bringen" Er deutete hinter sich auf eine Sporttasche, die am Boden stand. „und für Mama auszukundschaften, ob sie dich hier schon gut behandeln."

Das ließ mich schmunzeln.
„Die Schwester gestern Nacht war nicht so nett", antwortete ich meinem Bruder. „Aber sonst kann ich mich nicht beschweren."

Er schüttelte daraufhin nur den Kopf, grinste aber breit.

„Weißt du zufällig, warum ich doch so schnell operiert wurde?" Immerhin hieß es ein paar Stunden vorher noch, dass keine Termine mehr frei waren.

„Der Arzt hat nur irgendwie gemeint, dass der, der operiert werden hätte sollen, nicht fit genug war für die Operation und sie seine deswegen verschoben haben. Dadurch ist für dich was frei geworden." Ich nickte.
„Ich habe übrigens auch mit deiner Arbeit telefoniert. Sie wissen, dass du letzte Nacht operiert wurdest und erstmal nicht da sein wirst."

Oh, meine Arbeit. Daran hatte ich gar nicht mehr gedacht.
Mit meinem Schlüsselbein würde ich für eine Weile erstmal nicht mehr richtig arbeiten können. Zumindest stellte ich es mir schwer vor mit nur einer Hand auf einer Tastatur zu tippen oder gar Ordner von A nach B zu bringen.

„Der Glühweinstand!", kam es mir dann schlagartig in den Sinn. „So kann ich dort nichts machen!"

„Stimmt", antwortete Stefan trocken, seufzte dann aber im nächsten Moment. „Mama hat es mir aufgetragen... Das war gleich das zweite, das sie zu mir gesagt hat, nachdem sie von deinem Bruch erfahren hat." Er verzog angestrengt das Gesicht.

Glühwein - selfmade by Andreas ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt