5. Türchen

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Ich war froh, dass die Arbeitswoche recht unspektakulär und schnell vorüber gegangen war und ich Freitagabend wieder in meiner Glühweinbude stehen konnte. Der Wetterbericht sollte leider recht behalten, wodurch ich heute Morgen bei saftigen minus elf Grad aufgestanden war und mich bei anhaltendem Schneefall in die Arbeit quälen musste.

Die Temperaturen waren zwar über den Tag hinweg nicht sonderlich gestiegen, wir waren immer noch meilenweit im Minus, dafür war es durch den Heizstrahler in meiner Hütte aber relativ warm. Den Rest erledigte der Kinderpunsch, den ich in viel zu großen Mengen konsumierte.
Vielleicht sollte ich mir für die nächsten Wochenenden einen Wasserkocher mitbringen, damit ich zumindest etwas gesünderen Tee zu mir nahm, anstatt andauernd dem Zuckerwasser.

Auch an diesem Abend fiel der Schnee in dicken Flocken, wodurch der Weihnachtsmarkt noch einen viel größeren Charme bekam. Ich persönlich fand, dass es keinen schöneren Anblick gab, als blinkende Weihnachtsdekoration umgeben von fallenden Schneeflocken. Dass dazu noch besinnliche Weihnachtsmusik im Hintergrund lief, machte meine Kindheitsträume komplett. Genau solche Erinnerungen hatte ich an die Weihnachtszeit. 

Durch den starken Schneefall waren heute deutlich weniger Leute da, als noch letzte Woche. Die Wenigen, die da waren, tummelten sich um die Feuertonnen und tranken Glühwein. Für die Stände interessierten sich die meisten heute gar nicht.
Dementsprechend wenige Kinder waren heute auch da, weshalb ich schon die ganze Zeit am Spekulieren war, ob die Weihnachtsparade dann überhaupt stattfand, immerhin war die ja gerade für die kleinsten Besucher zusammengestellt worden.

Um ehrlich zu sein, wollte ich Odin gerne wiedersehen, weshalb ich hoffte, dass die Parade stattfand. Vor allem da er mir letztes Wochenende nicht wie versprochen die ausgeliehene Tasse wieder zurückgebracht hatte. Im Endeffekt konnte mir das zwar egal sein, es waren ja nicht meine Tassen und ich musste für den Verlust, solange er sich in Grenzen hielt, nicht aufkommen, aber ich wollte den Krieger trotzdem gerne nochmal sehen.
Von der Nähe.

Wobei ich mich nicht beschweren würde, wenn ich ihn heute zumindest in der Parade von der Ferne aus anschmachten konnte.

Odin war nämlich wirklich ein schöner Mann, der mir die Woche über nie ganz aus dem Kopf gegangen war.

Ich rieb meine kühlen Finger aneinander und machte einen Schritt weiter an meinen Heizstrahler heran. Obwohl ich Handschuhe trug, wurden meine Finger darunter nicht mehr richtig warm, weshalb ich sie direkt vor den Strahler hielt, um zumindest etwas Gefühl zurückzubekommen. Jetzt konnte ich plötzlich gut verstehen, warum Mama früher immer ihre Heizdecke noch dabei gehabt hatte, denn obwohl ich mir meine Beine langsam in den Bauch gestanden hatte, wollte ich mich nicht hinsetzen. Da würde mir erst recht richtig kalt werden.

Die wenige Kundschaft, die kam, um eine neue Tasse zu holen oder die leere zurückzubringen, brachte meinen Körper auch kaum in Bewegung, wodurch es schnell zu Qual wurde, hier zu stehen.

Gut, dass Stefan heute noch nicht dabei war. Der würde mir kurzerhand das Weite suchen und dann sicherlich nicht mehr wieder zurückkommen.

Ich seufzte angestrengt und griff nach einem Plätzchen, das gleich in meinem Mund verschwand. Später wollte ich mir noch eine Bratwurst holen, in der Hoffnung, dass ein warmes Gericht meinen Körper wieder etwas in Schwung bringen würde, bevor ich hier noch Wurzeln schlug.
Zwar hatte ich genügend zu tun. Ich könnte die frisch mitgebrachten Flaschen verräumen oder die leeren Kartons zusammenlegen, damit hinter dem Vorhang wieder etwas mehr Platz wurde, aber die Motivation konnte ich bei diesen Temperaturen echt nicht aufbringen.

„Hey, die soll ich zurückbringen."
Eine hübsche Brünette tauchte plötzlich vor mir auf und stellte eine leere Tasse auf meinem Tresen ab. „Eine Pfandmarke habe ich keine."

Glühwein - selfmade by Andreas ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt