Sonnenschein // Sydney Lohmann x Klara Bühl (2)

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Mit schnellen Schritten und gesenktem Kopf laufe ich durch die Gänge meiner Schule. Vor meinem Auge spielt sich immer wieder ab, was gerade passiert war. Immer wieder taucht sie vor meinem Auge auf. Ihr leicht rundliches Gesicht. Die braunen Augen, die jedes Mal anfangen zu strahlen, wenn sich auf ihren vollen Lippen wieder ihr typischen Lächeln abgebildet hat. Wir waren uns so nah. Nur noch wenige Zentimeter waren unsere Körper, unsere Gesichter und unsere Lippen voneinander getrennt. Ich war wie versteinert, aber hatte gleichzeitig noch nie so viel Spannung und Intensität gespürt. Fast wie auf dem Feld hat nicht mein Verstand, sondern einfach mein Herz gehandelt. Durch einen plötzlichen Stoß gegen meine Schulter stolpere ich unkontrolliert nach hinten und kann mich gerade so noch auf den Beinen halten. Meinen Gegenüber kann ich gerade so noch festhalten, damit sie uns nicht beide zu Boden reißen kann. Wirklich lange brauche ich nicht, um zu begreifen, wer mir da gerade so in die Arme gestolpert war. „Sydney, in welche Welt warst du denn gerade abgetaucht?", fragt mich die blonde Stürmerin mit hochgezogener Augenbraue. Mir war aber gerade nicht wirklich danach irgendwelche Witze zu reißen und versuche einfach an ihr vorbeizukommen. Mir hätte vorher klar sein müssen, dass sie mich nicht einfach so gehen lassen würde und ich es durch diese Aktion nur noch offensichtlicher gemacht hatte, dass etwas nicht stimmt. „Syd? Was ist los?" Ich versuche ihr nicht in die Augen zu schauen, sondern meine Blickrichtung weiter auf den Boden zu halten. Mir war bewusst, dass wenn ich Laura in die Augen schaue, ich ihr alles erzählen würde und ich habe keine Ahnung, ob ich dafür überhaupt schon bereit war. Sie ließ jedoch nicht locker und zieht mich am Arm zu sich „Rede mit mir", fordert sie mich auf, aber ich kann nicht anders, als mit dem Kopf zu schütteln. Die ersten Tränen sammeln sich in meinen Augen und waren kurz davor über mein Gesicht zu laufen. Erst jetzt wurde mir richtig bewusst, was passiert war, aber vor allem auch, warum ich weggelaufen war. Der Grund war wieder so präsent in meinem Kopf, dass ich die Tränen schließlich doch nicht mehr aufhalten kann. Laura scheint das zu bemerken, denn sie legt einen Arm um meine Schulter und zieht mich in die Richtung, aus der sie gerade gekommen war. Wir sprechen beide kein Wort miteinander, sondern laufen einfach nur schweigend nebeneinander her. Die Stürmerin zieht mich immer weiter den Gang entlang, während ich mir mit meinem Ärmel immer wieder über mein Gesicht wische. Es dauert bis wir vor ihrer Tür stehen, dass ich wirklich verstehe, wohin Laura mich geführt hatte. Sie zieht ihren Schlüssel aus der Jogginghose und drückt mich sachte in den Raum. Wirklich oft war ich noch nicht in dem Zimmer von Laura, dass sie sich mit Lina teilt, aber es sah nicht wirklich anders aus, als das von Klara und mir. Die Blondine deutet auf ihr Bett, um mir zu signalisieren, dass ich mich dort hinsetzten soll. Für einen Moment ist es noch ruhig, bis die Ältere von uns Beiden die Ruhe nicht mehr aushalten kann. „Was ist passiert, Sydney? Du kannst mir alles erzählen, okay? Was in diesem Raum gesagt wird, bleibt auch in diesem Raum", erklärt sie mir und legt eine Hand auf meine Schulter. „Wirklich?", hacke ich nochmal nach, was die andere nur mit einem Nicken noch mal bestätigt. Ich atme ein mal tief durch und versuche irgendwie Struktur in den Wörtersalat zu bringen, der in meinem Kopf herrscht. „Klara und ich, wir ... wir ...", ich breche wieder ab. Mir ist es noch nie so schwergefallen, einen so leichten Satz auszusprechen. „Hey. Mach dir nicht so einen Stress. Du erzählst mir, was du möchtest und in deinem Tempo. Ich bin für dich da und egal was du mir jetzt erzählst, es wird nichts in unserer Freundschaft ändern."

Ich glaube, Laura war gar nicht bewusst, wie viel es mir bedeutet solche Worte zu hören. Sie hat einfach so eine offene Art und nimmt niemals ein Blatt vor den Mund, findet aber auch immer die richtigen Worte, wenn man mit ihr über ernste Themen sprechen möchte. „Klara und ich haben uns fast geküsst", platzt es dann einfach aus mir heraus. Zu meiner Verwunderung schaut die Stürmerin nicht wirklich überrascht. „Okay verstehe. Was heißt denn fast? Hat euch jemand unterbrochen oder ... ?" Leicht perplex schaue ich die Spielerin neben mir an. Ich hatte ihr gerade offenbart, dass ich fast ein Mädchen geküsst habe, doch das interessiert sie gar nicht. Interessiert sie das denn gar nicht? War das kein Problem für sie. „Nein, uns hat niemand unterbrochen. Ich bin ... ich bin weggerannt", erkläre ich ihr und lasse mich auf die Matratze fallen. Ich starre gegen die Decke und wieder taucht der Moment von eben vor meinen Augen auf. Jetzt wo ich zurückdenke, bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich ein anderes Mal nochmal so reagieren würde. „Warum denn das? Ich dachte, du magst sie?" Mit einer ruckartigen Bewegung setzte ich mich wieder auf und Laura fällt vor Schreck fast vom Bett. „Wie kommst du denn darauf?", stelle ich ihr als Gegenfrage und versuche nicht erneut in Panik zu geraten. „Na ja, ihr beide seid mit euren Blicken nicht gerade unauffällig. Ich finde es eigentlich unfassbar süß, dass ihr beide noch nicht darauf gekommen seid." Vollkommen perplex starre ich die Andere an und versuche zu verarbeiten, was sie gerade gesagt hat. War es denn wirklich so offensichtlich gewesen, dass ich Klara mochte? Und zwar mehr als es vielleicht üblich war? Warte, sie hatte gesagt, dass wir beide sehr offensichtlich waren. Ging es Klara vielleicht genauso wie mir? Spürt sie das gleiche wie ich, wenn wir uns in die Augen sehen oder einfach Zeit miteinander verbringen? „Du meinst ... sie mag mich auch?", frage ich sie, mit einem Funken Hoffnung in meiner Stimme und Laura nickt mit einem sanften Lächeln. „Na klar mag sie dich. Ja, Klara ist eine Grinsebacke, aber in deiner Nähe ist ihr Lächeln gar nicht mehr wegzudenken."

WOSO // girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt