Glücksbringer // Svenja Huth

1.5K 35 2
                                    

Mit zitternden Knien sitze ich auf der Tribüne und reibe meine Hände aneinander. Es war mittlerweile ganz schön kalt draußen geworden und wahrscheinlich wird es nicht mehr lange dauern, bis der erste Schnee fällt. Der Horizont färbt sich langsam immer mehr in einem tieferen Orange, was bedeutet, dass es gleich wieder dunkel werden würde.

Ich mochte die kalte Jahreszeit nicht sonderlich. Man war nur durchgängig am Frieren und überlegen, wie viele Lagen man noch übereinander ziehen muss. Es wurde dunkel, bevor es überhaupt richtig hell geworden war und man wurde deutlich schneller krank. Erst vor zwei Wochen hatte ich noch mit einer dicken Erkältung im Bett gelegen. Diese Erkältung hätte mich wahrscheinlich noch deutlich länger niedergeschlagen, wenn ich nicht die beste Versorgung der Welt gehabt hätte. Meine Frau hatte sich rührend um mich gekümmert. Meine Frau. Obwohl wir jetzt schon mehrere Monate miteinander verheiratet waren, konnte ich es immer noch nicht glauben. Als unsere Hochzeit stattfand, war es noch Sommer. Da konnte ich auch ohne, dass es mir groß kalt wurde, mit meinem weißen Kleid draußen herumlaufen. Bei den Temperaturen vollkommen undenkbar.
Trotzdem hatte es mich nach draußen in die Kälte getrieben. Meine Frau würde heute ihr letztes Spiel vor der Winterpause machen und da habe ich mich dazu entschlossen sie zu überraschen und zum Zuschauen zu kommen. In meinem Kalender war für dieses Wochenende eigentlich keine Freizeit vorgesehen, doch ich hatte die letzten Tage mehr Überstunden gemacht, um mir dieses Spiel nicht entgehen zu lassen. Da ich dieses Jahr befördert worden bin und deutlich mehr Stunden in meinem Büro verbringen musste als vorher, konnte ich mir dieses Jahr deutlich weniger Spiele anschauen als es mir lieb war. Auch wenn Svenja es sich nicht anmerken ließ, wusste ich, wie viel es ihr bedeutet, wenn ich zuschauen kam. Also wollte ich mir das letzte Spiel auf keinen Fall entgehen lassen. Alex konnte mir die Karte vorher besorgen, ohne dass die kleine Mittelfeldspielerin etwas davon mitbekam. Also sitze ich nun in eisiger Kälte im Wolfsburgstadion und warte, dass die Spielerinnen zum Aufwärmen auf den Platz kommen.

Da mir das warten doch ein wenig zu lange dauert, mache ich mich noch mal auf den Weg zum Getränkestand, um mir eine Cola zu holen. Ein Mann stellt sich plötzlich neben mich und schenkt mir ein schiefes Lächeln. Er trug einen schwarzen Mantel und eine Mütze mit dem Wolfsburglogo, unter der nur vereinzelt ein paar dunkle Haare herausschauen. Ich hoffe wirklich, dass er nicht auf die Idee kommt mich anzusprechen, da ich einfach nur mein Getränk holen und mich direkt wieder auf meinen Platz setzten wollte. Auf keinen Fall will ich verpassen, wie Svenja auf den Platz läuft und ihren Blick durchs Stadion gleiten lässt. Der Mann scheint meine Wünsche jedoch nicht erhört zu haben, denn er beugt sich an die Theke und macht mit deutlich zu viel Selbstbewusstsein auf sich aufmerksam. „Na junge Dame. Was führt sie an einem so schönen Samstag, in das Stadion?" Was für eine blöde Frage war das denn? Was macht eine „junge Dame" in einem Wolfsburgtrikot in einem Wolfsburgstadion? Ich verdrehe einfach nur meine Augen und gebe dem Mädchen hinter der Theke das Geld für meine Cola. Der Mann gab jedoch nicht so schnell auf und läuft ein paar Schritte neben mir her. „Wissen Sie, es ist unhöflich, jemand einfach zu ignorieren." Er wollte noch etwas hinzufügen, aber da unterbreche ich ihn schon mit einem aufgesetzten Lächeln. „Ich bin hier, um meiner Frau beim Fußballspielen zuzuschauen, also wenn sie mich entschuldigen würden, ich muss dann wieder zurück auf meinen Platz", erkläre ich ihm so freundlich wie möglich und setzte mich dann wieder in Bewegung Richtung Tribünen.

Ich kam gerade noch rechtzeitig, denn genau in diesen Moment sah ich wie Jill Roord und Lynn Wilms auf den Platz treten. Wie gebannt starre ich auf den Eingang und warte nur darauf, dass endlich die Blondine auf den Rasen tritt. Svenja ließ sich deutlich länger Zeit als sonst, aber der Blick, nachdem sie mich auf der Tribune entdeckt hat, war es mir definitiv wert. Sie strahlt über das ganze Gesicht und kommt sofort auf mich zugelaufen. „Schatz. Ich dachte, du schaffst es heute nicht, wegen der Arbeit." „Ich habe möglicherweise ein oder zwei Überstunden in letzter Zeit gemacht", erkläre ich ihr schulterzuckend und einem Lächeln, das mir über das ganze Gesicht geht. „Ich kann doch nicht das letzte Spiel vor der Winterpause verpassen", füge ich noch hinzu, während ich ganz nah zu ihr an die Bande kam. Die Fans um uns herum oder auch Svenjas Mitspielerinnen, die uns vielsagende Blicke zuwerfen, nehme ich gar nicht richtig wahr. „Danke. Das bedeutet mir wirklich viel", flüstert sie. „Für meine Frau doch immer und jetzt geh los und mach dich warm. Die anderen warten schon auf dich." Das ließ sie sich nicht zweimal sagen und sie rennt, nachdem sie mir einen Luftkuss zugeworfen hatte, zu den anderen.

WOSO // girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt