Saras Sicht
Viel zu kalt. Es ist einfach viel zu kalt, um bei diesen Temperaturen draußen auf dem Fußballplatz zu stehen. Auch mit den drei Oberteilen und der Winterjacke fürs Training merke ich, wie meine Gliedmaßen immer mehr gefrieren. Von meinen Füßen mal abgesehen, die ich sowieso in meinen Fußballschuhen nicht mehr spüre, zu viele Socken kann man in denen nämlich nicht anziehen. So gut wie es geht, versuche ich immer in Bewegung zu bleiben, um so warm wie möglich zu bleiben. Ich schrecke für einen Moment zusammen, wenn sich ein Arm auf meine Schulter legt. „Na du Frostbeule", höre ich die Stimme von Merle in meinen Ohren und spüre sofort eine Gänsehaut an meinem Nacken. „Nur weil dir nie kalt ist", erwidere ich gespielt genervt und verdrehte die Augen. Merle beginnt zu lachen und ich merke, wie sich sofort ein Lächeln auf meinen Lippen bildet.
„Hier ihr sollt euch bewegen und nicht kuscheln", werden wir plötzlich von Sophia unterbrochen und ich kann meiner Mitspielerin aus Frankfurt nur einen bösen Blick zuwerfen. Sie weiß ganz genau, was sie da macht und das gefällt mir gar nicht. Merle scheint der Kommentar nicht sonderlich zu stören, denn sie zieht mich für einen Augenblick noch mal näher an sich. Am liebsten würde ich jetzt einfach meine Augen schließen und den Moment genießen, aber ich weiß genau wie das aussehen würde und dann kann ich mir nur noch mehr Sprüche anhören. „Kuscheln will ich gerade aber viel lieber als hier über den kalten Platz zu rennen", verkündet Merle, bevor sie sich wieder von mir löst und wieder zu den anderen losrennt. Etwas erstarrt von dem, was sie gesagt hat, kann ich nicht anders als ihr nachschauen.
Ein lauter Schrei lässt mich meinen Blick dann doch wieder von ihr abwenden und ich suche den Blick nach der Ursache ab. Es dauert auch nicht lange, da sehe ich auch schon den Übeltäter. Laura und Lina liegen zusammen auf dem Boden, während die kleinere der anderen Schnee ins Gesicht schmiert. Die beiden sind aber auch einfach nur Chaoten und seitdem sie zusammen sind, noch viel schlimmer. Beide wälzen sich im Schnee und versuchen, den anderen nach unten zu drücken. Einige beginnen zu lachen über die Beiden, sogar unser Trainer. Ich weiß nicht, wer es war, aber plötzlich ist ein Schneeball genau auf die Beiden zugeflogen und traf Laura am Kopf.
Damit war die Schlacht ausgebrochen. Keiner von uns hat mehr an das Training gedacht oder wie kalt es ist. Aus allen Richtungen fliegt der Schnee, alle rennen wild durcheinander und versuchen die anderen abzuwerfen, ohne selber getroffen zu werden. Auch ich renne über den ganzen Platz und bin so darauf fokussiert Laura abzuwerfen, dass ich nicht merke, wie sich mir jemand plötzlich in den Weg stellt. Mit ziemlich viel Geschwindigkeit landen wir beide auf dem Boden, auch wenn ich deutlich weicher falle, als die andere Person. Blonde Haare geraten in mein Blickfeld und es dauert gar nicht lange, da erkenne ich auch schon, wen ich umgerannt habe. Knallblaue Augen strahlen mir entgegen und ziehen mich in ihren Bann. Ich kann mein Blick gar nicht von ihnen abwenden. Ich weiß nicht, wie lange wir dort so im Schnee liegen, ohne uns zu bewegen. Doch dann merke ich etwas kaltes in meinem Nacken und wie es mir dann ganz langsam in die Jacke läuft. Jemand hatte mich getroffen.
Erst jetzt realisiere ich, in welcher Position wir uns beide befinden, wie wir aufeinander liegen und mit den Gesichtern nur wenige Zentimeter voneinander entfernt sind. Merle schaut zu mir auf und ich schrecke ein wenig zurück. „Tut mir leid", entschuldige ich mich sofort und versuche so schnell wie möglich aufzustehen. Ich halte Merle die Hand hin, um ihr auch wieder auf die Beine zu helfen und ziehe sie hoch. „Alles gut, kann ja mal passieren", entgegnet mir die Wolfsburgerin und schaut mir erneut in die Augen. Ich kann ihren Blick jedoch nicht länger standhalten, weshalb ich mich schnell wieder den anderen widme. Die haben jedoch mittlerweile mit der Schneeballschlacht aufgehört und sind dabei, sich auf den Weg Richtung Kabine zu machen. Ich mache es ihnen einfach nach, merke jedoch, wie Merle wieder neben mir läuft. Leicht werde ich nervös und spiele ein wenig an meiner Jacke rum. Jetzt spüre ich auch erst so richtig die Kälte, die sich durch meinen Körper zieht. Alles ist irgendwie nass und klebt an mir, weshalb ich mehr als froh bin, wenn ich endlich unter die Dusche und mir neue Sachen anziehen kann.
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